Unwetter in ValenciaÜber Nacht entwickelte sich der Regensturm zu einem realen Albtraum
Strassen, Häuser und Felder an Spaniens Mittelmeerküste stehen unter Wasser. Ganze Orte drohen unterzugehen, mindestens 70 Menschen sind bisher ums Leben gekommen.
- Hagel und starke Regenfälle haben in Valencia und Umgebung Überschwemmungen verursacht.
- Flughäfen wurden zeitweise überflutet, mehr als 70 Tote und Vermisste gemeldet.
- Dana gilt als extrem gefährliches Wetterereignis auf der Iberischen Halbinsel.
- Forschende führen das Extremwetter auf ungewöhnlich hohe Meerestemperaturen zurück.
Zuerst kamen die Warnungen, dann die ersten Bilder. Am Dienstagnachmittag waren es noch skurrile Dinge, die in den sozialen Medien auftauchten, tischtennisballgrosse Hagelkörner in der Provinz Albacete zum Beispiel. Die Eisenbahngesellschaft Adif stoppte vorsorglich die Zugverbindung zwischen Madrid und Valencia.
Dann, über Nacht entwickelte sich der angekündigte Regensturm zu einem realen Albtraum. Hunderte Liter Wasser pro Quadratmeter fielen in Spanien mancherorts in wenigen Stunden vom Himmel. Strassen und Autobahnen wurden überflutet, Menschen in Häusern eingeschlossen. Flüsse traten über die Ufer, Bäume und Autos wurden mitgerissen. Das Rollfeld des Flughafens von Valencia sah zeitweise aus wie ein See. Zur Stunde sind noch rund 60 Landstrassen unpassierbar.
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Mehr als 60 Leichen zogen die Rettungsmannschaften in der Region Valencia aus den braunen Fluten, wie die Regierung am Mittwochmorgen mitteilte. Weitere Tote werden befürchtet. Im benachbarten Albacete werden noch mindestens 6 Menschen vermisst.
Spanische Regierung richtete Notfallnummer ein
In fünf weiteren Provinzen Südspaniens, von Malaga bis Teruel, waren Autobahnabschnitte überschwemmt. Mehr als 1000 Soldaten eines Notfallkommandos haben sich in das Unglücksgebiet begeben, teilte das Militär mit.
Die Regionalregierung hat eine Notfallnummer eingerichtet für Bürgerinnen und Bürger, die ihre Angehörigen nicht auffinden oder erreichen können. Man solle weiterhin keine Strassen benutzen, riet das Notfallzentrum der Regierung.
Auch wenn der Regen in manchen Zonen nachlasse, gebe es noch Stellen, wo sich bedrohliche Wassermassen ansammelten. Zudem wird auch in den kommenden Stunden noch Regen erwartet. Ebenfalls in den Nachbarregionen gilt teils noch Alarmstufe Orange. Ministerpräsident Pedro Sánchez wandte sich am späten Vormittag in einer Regierungsansprache an die Bevölkerung und mahnte zur Wachsamkeit.
Panik in Alzira
Dutzende Menschen hätten die Nacht auf Lastwagen, auf Dächern von Häusern und sogar auf Tankstellen verbringen müssen, berichtet die Zeitung «El País». «La Vanguardia» berichtet von einer Nacht der Panik im Ort Alzira, an den Ufern des Flusses Júcar. «Wir dachten, die gesamte Stadt würde untergehen», zitiert die Zeitung einen Bewohner.
Für ein Unwetter dieser Kategorie hat sich in Spanien der Begriff «Dana» eingebürgert. Es ist ein Akronym für «Depresión Aislada en Niveles Altos» («Isoliertes Tief in grosser Höhe»), eine Kaltluftzone in oberen Atmosphärenschichten, die sich von der generellen Zirkulation der Luftmassen abgekoppelt hat und wie ein ausser Kontrolle geratener Kreisel sein Unwesen treibt. Dana gilt als gefährlichstes Wetterphänomen auf der Iberischen Halbinsel.
An den Ufern des Mittelmeers hätten sich Danas zum «gefährlichsten Wetterphänomen» entwickelt, erklärte der Klimaexperte Jorge Olcina der spanischen Nachrichtenagentur EFE. Deren Effekte seien mittlerweile vergleichbar mit tropischen Wirbelstürmen. Zwar seien die Windgeschwindigkeiten geringer, dafür transportierten sie mitunter mehr Wasser als ein Hurrikan.
Das viele Wasser erklären Wissenschaftler mit den aktuell noch immer atypisch hohen Temperaturen des Meeres entlang der Küste. Bis zu 23 Grad hat das Mittelmeer dort noch, weit mehr, als um diese Jahreszeit normal wäre. Wasserdampf und Wärme steigen in die Atmosphäre, «das überträgt viel Energie in die Wolkensysteme», erklärte Olcina, und erzeuge beim Zusammentreffen mit einer Dana derart wuchtige Stürme, dass die Wassermassen schlagartig herabstürzten.
Schlimmstes Unwetter dieses Jahrhunderts
Wie viel Regen eine einzelne Dana hinterlässt, ist allerdings schwer vorhersagbar. Im vergangenen Herbst bekamen Millionen Menschen im Grossraum Madrid eine mit Alarmton begleitete Warnmeldung auf ihre Handys, was zunächst viel Schrecken und später, als es im Stadtgebiet nicht ganz so schlimm kam, viel Häme auslöste. Anfang Oktober geschah Ähnliches an der Algarve in Portugal: Es gab Warnungen, aber der Megaregen blieb aus.
Doch in Valencia und den benachbarten Regionen ist nun passiert, was Meteorologen immer für möglich gehalten haben. Das dort bislang schlimmste Unwetter dieses Jahrhunderts hat Dutzende Todesopfer und Millionenschäden hinterlassen. An einigen Stellen wurden Niederschlagsmengen von bis zu 240 Litern pro Quadratmeter gemessen – das Doppelte dessen, was im Mai im Saarland zur Katastrophe geführt hatte.
Noch immer seien einige Menschen an unzugänglichen Orten eingeschlossen, sagte der Chef der Regionalregierung, Carlos Mazón, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Die Opposition im Parlament von Valencia nutzte die Katastrophe bereits für Kritik. Sie betonte, dass der konservative Mazón nach seiner Amtsübernahme im vergangenen Jahr die von seinem Vorgänger eingerichtete regionale Notfalleinheit als «Strandkneipe» bezeichnet und abgeschafft habe.
Das Regengebiet soll heute nach Nordosten weiterziehen. Für Teile des Landes gilt weiter eine Unwetterwarnung. Von Donnerstag an werde sich die Lage in Spanien wieder entspannen, teilte der nationale Wetterdienst Aemet mit.
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