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Interview zum Unterschriften-Bschiss
«Dass es Tausende unentdeckte Fälschungen gibt, ist reine Spekulation»

Wiedlisbach, le 5 août 2024. Portrait et interview de Franziska Herren, la citoyenne hors parti qui a déposé les initiatives sur l’alimentation et sur l’eau potable.    Photo Yvain Genevay / Le Matin Dimanche
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Die Initiative für eine sichere Ernährung ist doppelt betroffen von der Affäre um gefälschte und ungültige Unterschriften: Die Initiantin Franziska Herren mit ihrem Verein «Sauberes Wasser für alle» setzte stark auf den umstrittenen Unterschriftensammler Incop im Welschland. Zudem liegen die Unterschriftenbögen der Initiative gerade jetzt bei der Bundeskanzlei zur regulären Prüfung.

Frau Herren, wie viele Fälschungen werden die Beamten bei der Überprüfung finden?

Die Gemeinden haben die Unterschriften bereits geprüft und ungültige herausgefiltert. Während der Sammlung wurde bei unserer Initiative eine einzelne Unterschrift von einer Gemeinde mit dem Verdacht auf Fälschung bei der Bundesanwaltschaft gemeldet. Die Bundesanwaltschaft hat mich dann kontaktiert und gefragt, wer diese Unterschrift gesammelt hat. Ich konnte ihr die Organisation angeben, da wir deren Kürzel auf den Bogen vermerkt hatten.

Gemeinden prüfen aber nur Namen, Adresse und Geburtsdatum der Unterzeichnenden und nicht, ob die Unterschriften echt sind.

Die Gemeinden sind sehr erfahren im Prüfen von Unterschriftsbögen. Sie erkennen durchaus Unregelmässigkeiten. Die gefälschte Unterschrift in unserem Fall wurde ja auch von einer Gemeinde entdeckt und an die Bundesbehörden gemeldet.

Sie haben auch Unterschriften von der umstrittenen Institution Incop sammeln lassen, die von Franck Tessemo geleitet wird. Wie viele waren das?

Wir haben von Incop rund 32’000 beglaubigte Unterschriften.

Incop lieferte bei der Stopp-Blackout-Initiative einen riesigen Anteil ungültiger Unterschriften. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Zunächst möchte ich betonen: Meine Erfahrungen mit Herrn Tessemo waren insgesamt positiv. Aus meiner Sicht ist die Unschuldsvermutung in seinem Fall auf gravierende Weise verletzt worden. Das bedaure ich sehr.

Franck Tessemo, Chef des Lausanner Vereins Incop, in einem Interview mit SRF.

https://www.srf.ch/news/schweiz/handel-mit-unterschriften-geschaeft-mit-initiativen-7-50-franken-fuer-eine-unterschrift

Aber gemäss dem Komitee der Stopp-Blackout-Initiative waren 41 Prozent der von Incop gesammelten Unterschriften ungültig. Zudem laufen Strafverfahren wegen Fälschungen.

Sie vermischen hier, wie viele Medien in letzter Zeit, zwei verschiedene Dinge. Es war schon immer so, dass ein gewisser Prozentsatz der Unterschriften aus verschiedenen Gründen ungültig war, auch in der Deutschschweiz – sei es, weil die Handschrift unleserlich war, weil doppelt unterschrieben wurde oder der Wohnort nicht mit der auf dem Bogen vermerkten Gemeinde übereinstimmte. Bei uns sind etwa 20 Prozent der total gesammelten Unterschriften aus solchen und ähnlichen Gründen von den Gemeinden für ungültig erklärt worden.

Aber worin besteht dann die von ihnen kritisierte Vermischung?

Ungültige Unterschriften dürfen nicht einfach mit gefälschten Unterschriften gleichgesetzt werden. Der von den Medien aufgebrachte Verdacht, dass es unter den beglaubigten Unterschriften Tausende unentdeckter Fälschungen gibt, ist reine Spekulation. Es liegen bisher keine Beweise dafür vor. Fakt ist: Es laufen einige Strafverfahren wegen Unterschriftenfälschungen. Wie viele das sind, ist nicht bekannt.

Aber nochmals: Incop lieferte bei der Stopp-Blackout-Initiative 41 Prozent ungültige Unterschriften. Das allein ist doch unseriös.

Die Quote ist hoch. Bei uns lag sie deutlich niedriger. Das liegt vermutlich daran, dass wir vertraglich mit Incop eine maximale Fehlerquote von 10 Prozent vereinbart hatten. Wurde die Quote überschritten, mussten die Unterschriften nachgesammelt werden. Das haben Incop wie auch andere Organisationen und Sammlerinnen und Sammler stets getan. Wir haben die Unterschriftensammler immer sehr eng begleitet und so aktiv darauf hingearbeitet, Fehler zu vermeiden und damit die Ungültigkeitsquote niedrig zu halten. Denn eine hohe Fehlerquote gibt zusätzlich viel Arbeit und ist finanziell nicht tragbar. Die eine Unterschrift, die bei uns unter Fälschungsverdacht steht, wurde übrigens nicht von Incop gesammelt.

Trotzdem: Auch bei Incop sollen Unterschriften gefälscht worden sein, wenn auch nicht bei Ihrer Initiative.

Wie gesagt, wir hatten die Klausel im Vertrag, dass wir eine maximale Fehlerquote von 10 Prozent akzeptieren. Das Zählen der Unterschriften, das Sortieren nach Kantonen und Gemeinden und das Versenden an die Gemeinden zur Beglaubigung haben wir zusammen mit vielen Freiwilligen jede Woche selber gemacht. Die Gemeinden beglaubigen in der Regel sehr schnell, so wussten wir rasch, wie hoch die Fehlerquote ist, und konnten Rücksprache und Anpassungen mit den Sammlern vornehmen.

Kritiker befürchten, dass Initiativen in der Vergangenheit gar nicht zustande gekommen wären, wenn man die unentdeckten gefälschten Unterschriften abzieht. Ist das auch bei Ihrer Initiative zu befürchten?

Nein. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass bei unserer Initiative systematisch Unterschriften gefälscht wurden. Wir haben im August bei der Bundeskanzlei 113’103 von den Gemeinden beglaubigte Unterschriften eingereicht. Die Bundeskanzlei wird sie auch noch einmal prüfen. Erfahrungsgemäss werden dabei einige weitere Unterschriften für ungültig erklärt. Das ist normal. Bei der Trinkwasserinitiative, unserem letzten Projekt, waren es ungefähr 300.

Hätten Sie etwas dagegen, wenn die Bundeskanzlei an Ihrer Initiative ein Exempel statuiert und jede einzelne Unterschrift genau auf Fälschungen prüft?

Ich hätte absolut nichts dagegen. Ich bin ja daran interessiert, dass das System glaubwürdig bleibt und Fehler behoben werden können.

Wie viel haben Sie pro Unterschrift bezahlt? Die Initianten der Stopp-Blackout-Initiative gaben bis zu 7.50 Franken pro Signatur aus.

Wir verhandelten Preise zwischen 2.50 und 3 Franken. Mehr konnten wir nicht bezahlen, wir hatten ein beschränktes Budget dafür. Wir konnten trotzdem Unterschriftensammlerinnen und -sammler für unsere Initiative gewinnen, da unsere Anliegen von der Bevölkerung begrüsst wurden.

Woher haben Sie das Geld?

Von kleineren und grösseren Spendern, denen es wichtig war, dass wir uns bei der Unterschriftensammlung unterstützen lassen konnten. Zudem bekamen wir enorm viel Freiwilligenarbeit, und Pro Natura, Greenpeace und Swissveg unterstützten die Unterschriftensammlung, indem sie die Unterschriftenbögen ihren Magazinen beilegten.

Es gibt Stimmen aus der Politik, die jetzt verlangen, dass gewerbliches Unterschriftensammeln verboten wird. Was halten Sie davon?

Ich bin froh, dass ein Verbot des kommerziellen Sammelns nicht vorgesehen ist. Ich bin überzeugt, dass wir die Herausforderung anders lösen können. Wenn bei einer Bank eine Unterschrift nicht korrekt ist, wird auch nicht gleich die ganze Bank geschlossen. Aus meiner Sicht würde ein Verbot die direkte Demokratie schwächen, die auf dieser Welt einzigartig ist und die ich als sehr wertvoll erachte.

Inwiefern?

Der Bauernverband kann innerhalb von drei Monaten 100’000 Unterschriften sammeln, weil er auf eine bestehende Organisation zurückgreifen kann. Für Bürgerinnen und Bürger, die eine Volksinitiative auf die Beine stellen wollen, um Defizite in der Politik zu ändern, aber nicht auf solche Strukturen zurückgreifen können, ist es viel schwieriger. Das Einreichen von Initiativen darf nicht zum Privileg der grossen Parteien und Verbände werden.

Sie sehen keinen Handlungsbedarf?

Doch. Wir müssen nach Wegen suchen, um Fälschungen noch besser zu entdecken. Ich begrüsse es deshalb sehr, dass Bundeskanzler Rossi Initianten und professionelle Sammler an einen Tisch bringen will. Da können alle nur lernen.

Warum haben Sie eigentlich Ihre Ernährungsinitiative eingereicht?

Trotz der Verankerung der Ernährungssicherheit in der Verfassung vor sieben Jahren ist die Lebensmittelversorgung der Schweizer Bevölkerung nach wie vor zu mehr als 50 Prozent vom Ausland abhängig und so, wenn Importe ausfallen, nicht sichergestellt. Zurückzuführen ist dies auf die hohe Produktion von tierischen Lebensmitteln, die fünfmal mehr mit Subventionen gefördert wird als die Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln. Wir fordern, dass der Bund einen Netto-Selbstversorgungsgrad von mindestens 70 Prozent anstreben soll. Dafür braucht es die Förderung von mehr pflanzlichen Lebensmitteln. Auch braucht die Schweiz eine eidgenössische Strategie und Planung für die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Die fehlt heute. Die Schweiz steuert ihre Wasserversorgung im Blindflug.