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Ticker zu Medienkonferenz
Pekings Botschafter: Bundesrat versieht China mit «böswilligen Labels»

Das Wichtigste in Kürze

  • Am letzten Freitag hat der Bundesrat eine neue China-Strategie verabschiedet. Darin kritisiert er die Menschenrechtslage in China (lesen Sie hier mehr darüber).

  • Heute Morgen ging Chinas Botschafter in Bern in die Offensive: Wang Shihting hat mehrere Schweizer Journalisten zu einem Gespräch eingeladen. Die Medienkonferenz findet via Zoom statt.

  • Dass ein ausländischer Botschafter so rasch, direkt und öffentlich auf einen Bundesratsentscheid reagiert, ist aussergewöhnlich. Vergleichbare Medienauftritte gab es in Bern noch selten.

  • Lesen Sie in unserem Liveticker nach, wie Botschafter Wang auf die Vorwürfe aus Bern reagiert hat.

Lesen Sie das exklusive Interview!

Die Tamedia-Redaktion hat im Vorfeld dieser Medienkonferenz exklusiv ein ausführliches Interview mit Chinas Botschafter Wang Shihting geführt.

Bei dieser Gelegenheit waren - anders als bei dieser Medienkonferenz - auch kritische Nachfragen möglich. Sie lesen das Interview hier.

Darin äussert sich der Botschafter ausführlich - und dezidiert! - zur neuen China-Strategie des Bundesrats. Er wirft der Schweizer Landesregierung «Lügen», «Fake News» und «Verleumdungen» vor.

Pikant ist auch, was der Botschafter zur Verwicklung der Schweiz in die Crypto-Spionage-Affäre sagt.

Und fertig ist es: «Thank you very much!»

Eigentlich wären noch zwei weitere Schweizer Journalisten zur Medienkonferenz zugeschaltet. Mehrfach ruft der Pressesprecher sie auf, ihre Frage zu stellen. Doch entweder haben sie die Pressekonferenz bereits verlassen oder es gibt ein technisches Problem.

Damit ist alles vorbei - jedes Medium hat die eine Frage, die ihm zugestanden wurde, gestellt. Der Pressesprecher der Botschaft beendet die Medienkonferenz.

Und der Botschafter, der in den USA studiert hat, sagt jetzt doch noch einen Satz auf Englisch: «Thank you very much!»

Und was ist mit Hongkong?

Zur Unterdrückung der Demokratie-Bewegung in Hongkong sagt der Botschafter, dass dort Demokratie überhaupt erst unter chinesischer Herrschaft eingeführt worden sei. Früher, unter britischer Herrschaft, sei der Gouverneur von London eingesetzt worden.

Nun hätten einige «Separatisten» in Honkong «einen Deal» mit Anti-China-Aktivisten im Westen gemacht. Sie wollten damit Chaos stiften und Hongkong von China abspalten. Das könne China nicht akzeptieren. «Bei der Frage in Hongkong geht es nicht um die Demokratie, sondern um die nationale Sicherheit», sagt der Botschafter.

Demokratie in China - wirklich?

Wir fragen, wie der Botschafter behaupten kann, in China herrsche «volle Demokratie», wo es in China doch keine freien Wahlen gibt und Kritiker der Regierung - namentlich in Hongkong - eingesperrt werden.

Wang beantwortet die Frage nach der fehlenden Demokratie unter anderem mit dem Verweis darauf, dass China 800 Millionen Menschen «aus der Armut befreit» habe. Diese - zweifelsohne historische - Leistung ist eine Standardantwort von Chinas Regierung auf Kritik an der fehlenden politischen Freiheit im Land.

Dass es in China keine Meinungsäusserungsfreiheit gebe, sei falsch. «Wer sich ans Gesetz hält, geniesst volle Meinungsäusserungsfreiheit.» Zudem verweist Wang in diesem Kontext darauf, dass China eines der schnellsten Internets der Welt habe.

Spionage: Kritik an den USA

Der Bundesrat wirft China in seiner Strategie auch Spionage-Aktivitäten in der Schweiz vor. Das sei «Verleumdung», sagt der Botschafter. Er dreht den Spiess um und wirft namentlich den USA vor, die ganze Welt auszuspionieren.

«Schweizer Firmen profitieren mehr»

Ein NZZ-Journalist will wissen, wie es mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und China weiter gehe. Er erwähnt das bilaterale Freihandelsabkommen von 2014 und fragt, ob es weiter entwickelt werden könne, namentlich auch mit Liberalisierungen für den Finanzsektor.

Der Botschafter antwortet, das Freihandelsabkommen sei erfolgreich, beide Länder würden davon profitieren. Aber: Die Schweizer Unternehmen würden «mehr von diesem Freihandelsabkommen profitieren» - denn die Schweizer Firmen seien kompetitiv und teilweise noch weiter fortgeschritten als die chinesische Wirtschaft.

Zu einem möglichen Upgrade des Abkommens sagt der Botschafter: Seine Regierung stehe zwar auch von chinesischen Wirtschaftsverbänden unter Druck, nicht zu weitreichende Konzessionen bei Zöllen und Importhürden zu machen. Aber China sei «offen» bezüglich eines möglichen Upgrades - speziell auch im Finanzsektor.

Man stehe diesbezüglich mit den Schweizer Behörden in Kontakt.

Zum Thema: Die Tücken im Handel mit China

Freihandel mit dem Reich der Mitte ist kein Selbstläufer. Die Schweiz als Juniorpartnerin muss sich arrangieren. Insgesamt fährt sie aber besser als ohne Abkommen.

«Fake News»

Die westlichen Berichte und Augenzeugenberichte über das Vorgehen Chinas in Xinjiang weist der Botschafter als «Fake News» zurück (dieses englische Wort ist offenbar genehm). Er hoffe, dass die westlichen Medien künftig auf die Verbreitung solcher «Lügen» verzichten würden.

Nur vorbereitete Fragen

Der Botschafter hat für seinen sehr ungewöhnlichen Medienauftritt als Hintergrund eine Foto der chinesischen Mauer gewählt. Flankiert wird er von einer chinesischen Flagge.

Die Journalisten mussten ihre Fragen vorgängig einreichen, der Botschafter liest die vorbereiteten Antworten weitgehend ab.

EU verhängt Sanktionen gegen China

Noch während die Pressekonferenz im Gang ist, kommt aus Brüssel die Nachricht, dass die EU gegen China Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt. Die Aussenminister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen am Montag Strafmassnahmen gegen Verantwortliche für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang, wie die Deutsche Presse-Agentur aus EU-Kreisen erfuhr.

Uiguren: Alles Propaganda, sagt der Botschafter

Nun nimmt der Botschafter Stellung zur Situation der muslimischen Uiguren in der Provinz Xinjiang. Die westlichen Berichte über Internierungslager und Zwangslager weist er als Anti-China-Propaganda zurück. Das Vorgehen Chinas in Xinjiang sei allein durch den dortigen Terrorismus bedingt. Es habe nie Genozid oder Zwangsarbeit gegeben. Auch Internierungslager gebe es nicht. Die Menschen in Xinjiang lebten in Freiheit.

No English, please!

Der Botschafter hat zwar in den USA studiert und dort einen Master-Abschluss erzielt. Er möchte aber nicht englisch reden, sondern nur chinesisch.

Für die Fragen auf Deutsch und Französisch stehen Übersetzer bereit. Als ein Journalist die Frage auf Englisch stellen will, blockt der Pressesprecher ab.

Schweiz dürfe sich nicht einmischen

Ein Journalist der Genfer Zeitung «Le Temps» fragt, wie es mit dem Menschenrechtsdialog zwischen der Schweiz und China weiter gehe, an dem Aussenminister Cassis festhalten will.

Wang sagt, China sei offen für einen Dialog über Menschenrechte. Aber China wehre sich dagegen, dass die Schweiz sich in die «inneren Angelegenheiten Chinas» einmische.

Er wirft der Schweiz vor, dass die Schweiz sich in den letzten zwei Jahren im Rahmen des Menschenrechtsrats und der Uno mehrfach an China-kritischen Erklärungen beteiligt habe. Das sei dem Dialog nicht förderlich. Dialog sei nur möglich bei gegenseitigem Respekt.

Er hoffe, dass die Schweizer Regierung mit China eine Atmosphäre schaffen werde, die es ermögliche, den Dialog wieder aufzunehmen.

Schweiz müsse mehr für die Freundschaft tun

Der Sozialismus chinesischer Prägung sei das richtige System für China. Er wehrt sich gegen Kritik an China, die ideologisch sei. Er hoffe, dass die Schweiz die gute Entwicklung in China in Ehre halte und «mehr für die Förderung der Freundschaft tut», sagt Wang.

«Böswillige Labels» über China

Als erstes fragt eine chinesische Nachrichtenagentur nach seiner Reaktion auf die neue China-Strategie des Bundesrats. Wang sagt, die Schweiz sende mit dieser Strategie falsche Signale aus. Der Bundesrat erhebe falsche Anschuldigungen und versehe China mit «böswilligen Labels». Er sagt, das chinesische Volk geniesse «volle Demokratie und Freiheit».

Die Pressekonferenz beginnt

Botschafter Wang eröffnet die Pressekonferenz. Der Sprecher erklärt die Spielregeln. Jedes Medium darf nur eine Frage stellen. Es nehmen fünf Schweizer Journalisten teil - sowie Journalisten von chinesischen Medien in der Schweiz.

Um Punkt 10:30 Uhr tritt Chinas Botschafter Wang Shithing an der Zoom-Pressekonferenz auf.

Das ist Pekings Mann in Bern

Wang Shihting hat zur Medienkonferenz ab 10.30 Uhr geladen. Es ist der erste grössere Auftritt des neuen chinesischen Botschafters in der Schweiz. Der 53-jährige Karrierediplomat hat seine Posten in Bern erst im letzten August angetreten.

Seinen ersten Kontakt mit der Schweiz beschreibt Wang wie folgt: Vor ziemlich genau 40 Jahren, als Wang noch die Mittelschule besuchte, habe ihm ein Freund ein Schweizer Taschenmesser gezeigt. «Es funkelte, die Qualität war sehr gut, und es war schön», schwärmte Wang in einem Porträt der NZZ.

Seit letztem August Chinas Mann in Bern: Der 53-jährige Karrierediplomat Wang Shihting.

Damals, so Wang, habe er sich ein solches Messer aber nicht leisten können. So ist Wangs persönliche Geschichte mit dem Taschenmesser Ausdruck der beispiellosen wirtschaftlichen Entwicklung, die China in den letzten Jahrzehnten erlebt hat.

Ein Afrika-Spezialist

Vor seiner Versetzung in die Schweiz hat sich Wang als Diplomat aber vor allem mit Afrika beschäftigt. In Afrika hat China seine Investitionen und seinen politischen Einfluss in den letzten Jahren massiv ausgeweitet.

Zunächst war Wang in Südafrika stationiert, dann wurde er stellvertretender Direktor der Afrika-Abteilung des Aussenministeriums in Peking. Später ging er als Botschafter nach Malawi und dann nach Ghana. Nun also ist er Pekings neuer Mann in der Schweiz.

Studium in den USA

Wang ist in der Stadt Qufu in der ostchinesischen Provinz Shandong geboren, der Geburtsstadt des chinesischen Philosophs Konfuzius. Wang studierte in China Geschichte und Rechtswissenschaften - und machte an der George Washington Universität in den USA einen Master-Abschluss.

Klartext vom Vorgänger

Wangs Vorgänger in Bern war Botschafter Geng Wenbing. Dieser gab dieser Zeitung im Jahre 2019 ein Interview, in dem er ziemlich undiplomatischen Klartext redete. Man kann darum gespannt sein auf Wangs ersten Auftritt.

Darum geht es: die neue Schweizer China-Strategie

Am Freitag hat der Bundesrat eine neue Strategie zum Umgang mit China verabschiedet. In dem 37-seitigen Papier verschärft der Bundesrat die Rhetorik gegen die Volksrepublik. Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) sprach anschliessend vor den Medien von «zunehmend autoritären Tendenzen». Er prangerte die «Unterdrückung von Minderheiten» an. Und er konstatierte, die Menschenrechtslage habe sich generell «verschlechtert».

Lesen Sie hier unseren ausführlichen Bericht zur neuen China-Strategie.

Lesen Sie hier unseren Kommentar zur neuen China-Strategie.

Trotz seiner schärferen Töne agiert der Bundesrat viel zurückhaltender als andere westliche Staaten. Die USA bezeichnen Chinas Unterdrückung der Uiguren inzwischen als Völkermord. Die EU nennt Peking einen «Systemrivalen».

 Aussenminister Ignazio Cassis im Jahr 2018 in Peking.

Der Bundesrat jedoch sucht einen Mittelweg. Die Schweiz wolle im neuen Ost-West-Konflikt ein «Brückenbauer» sein, schreibt der Bundesrat in seinem Strategiepapier. Darum bemüht er sich auch, den Menschenrechtsdialog aufrecht zu erhalten, den Schweizer Diplomaten einmal pro Jahr mit Peking führen.

Doch 2019 und 2020 sagten die Chinesen die Treffen ab - als Reaktion auf kritische Äusserungen der Schweiz zur Uiguren-Frage. Trotzdem will Cassis an diesem Format festhalten: «Besser ein schwieriger Dialog als gar kein Dialog.»

Seit Freitag fragt man sich in Bundesbern, ob und wie die Chinesen auf die etwas kritischeren Töne der Schweizer Regierung reagieren werden. Nun kommt die Antwort rascher als erwartet an einer Online-Medienkonferenz des chinesischen Botschafters in Bern.

Lesen Sie hier: Die Fakten und Minenfelder in der Beziehung Schweiz-China.