Kommentar zu Saudiarabiens SportstrategieUnd jetzt: Winterspiele in der Wüste
Nein, das ist kein Witz. Die asiatischen Winterspiele sollen 2029 in einer noch zu bauenden Megacity stattfinden. Das wirkt erst mal nur bizarr, doch es ist Teil eines grösseren Konzepts der saudi-arabischen Despoten.
Der internationalen Sportwelt hat es an bizarren Events noch nie gemangelt, aber das neueste Projekt ragt durchaus heraus. In einem noch nicht existierenden Skigebiet mitten in der saudi-arabischen Wüste sollen 2029 die asiatischen Winterspiele stattfinden, entschied nun das kontinentale Olympia-Komitee. Ein paar Hundert Milliarden wollen die Machthaber in Riad in den nächsten Jahren investieren, um aus dem Nichts eine 170 Kilometer lange Megacity für fast zehn Millionen Menschen hochzuziehen. Und dazu soll auch ein angeschlossenes Bergcluster namens Trojena gehören, wo es zwar quasi nie schneit, wo man aber laut Kronprinz Mohammed bin Salman den «Bergtourismus für die Welt neu definieren» werde.
Dieser Ort also ist für Alpin- und sonstige winterliche Wettbewerbe auserkoren, das wirkt absurd genug. Aber für die internationale Sportwelt bedeutsam ist das vor allem, weil es sich erkennbar in eine Gesamtstrategie von Saudiarabien einbettet. So wie in den vergangenen Jahren die Willkür-Regime in Russland, China oder Katar, so hat im Rahmen der «Vision 2030», die der Kronprinz Salman seinem Land verordnet, auch die saudische Diktatur den politischen Wert des Sports für sich entdeckt.
Der Sport soll einem der übelsten Systeme auf dem Globus zu einem besseren Image verhelfen; und der Sport soll auch ein Kampfplatz sein in den ewigen Rivalitäten mit den Nachbarn am Golf. Und dabei ist Saudiarabien dank seiner Rohstoff-Reichtümer schon so weit gekommen, dass es im globalen Sportwashing-Wettkampf einen der ersten Plätze belegt.
Das saudische Geld sprengt das System
In der Premier League hat Newcastle United neuerdings saudische Besitzer und prompt Unsummen investiert. Der spanische Fussball trug in den vergangenen Jahren seinen Supercup in Saudiarabien aus, ebenso der italienische. Seit dem Vorjahr gehört ein Rennen in Djidda zum Formel-1-Kalender, die Rallye Dakar war auch schon da. Und im Golfsport sprengt das saudische Geld der LIV Tour gerade das komplette etablierte System.
Wenn so konzentriert so viel investiert wird, wird selbstredend auch auf die grössten Events geschielt, die der Sport bereithält. Als da wären die Olympischen Spiele (für die ein Winter-Territorium ja bald fertig wäre) und vor allem: die Fussballweltmeisterschaft. Längst werden Pläne für eine Bewerbung herumgereicht, bis hin zu so kuriosen Varianten, die Saudi-Arabien als Teil eines suprakontinentalen Gastgeber-Trios mit Ägypten und Griechenland vorsehen.
Nicht zuletzt die Drähte des aktuellen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino nach Riad sind gut. Im Vorjahr rühmte dieser sogar in einem Videoclip die «grossen Fortschritte» in der Despotie. Eine WM 2030, würde das nicht bestens passen zu Salmans Vision 2030?
Die grausige Menschenrechtslage oder die Rolle des Landes im Jemen-Krieg, die zahlreichen Hinrichtungen oder der Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi, das alles ignorieren weite Teile der Sportwelt mal wieder geflissentlich.
Die Lobbyisten des organisierten Sports versuchen sich dieser Tage an der Erzählung, dass nach einer Dekade voll umstrittener Veranstaltungen mit der Katar-WM als Höhepunkt doch bald eine andere Zeit anstünde. Olympia 2024 steigt in Paris, die Fussball-WM 2026 in Nordamerika, die Sommerspiele 2028 in Los Angeles. Aber die Nähe zu Saudiarabien dokumentiert trefflich, auf welch befremdlichen Pfaden der organisierte Sport noch immer wandelt.
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