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Neuer Armeechef
In der Ukraine gilt der Mann als Genie – nun setzt Selenski ganz auf ihn

This handout photograph taken and released by Ukrainian presidential press service on February 8, 2024, shows Ukraine's President Volodymyr Zelensky (L) shaking hands with Commander-in-Chief of the Armed Forces of Ukraine, Valeriy Zaluzhnyi during their meeting in Kyiv. (Photo by Handout / UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Ukrainian Presidential Press Service" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
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Tagelang haben die Medien darüber spekuliert, am Donnerstag liess Wolodimir Selenski die Bombe platzen. Per sofort verliert Waleri Saluschni seinen Posten als ukrainischer Oberbefehlshaber. Neu übernimmt Olexander Sirski die Leitung der Armee. Er kommandierte zuvor die Landstreitkräfte.

Dass Selenski seinen Top-General absetzt, ist der Gipfel eines monatelangen Machtkampfs. In militärischen Fragen hatten die beiden oft eine andere Meinung, so wie bei der Schlacht von Bachmut. Saluschni plädierte für einen Rückzug, da die Ukrainer ab einem Punkt viele ihrer kampferprobtesten Soldaten verloren, während die Russen unerfahrene Wagner-Häftlinge ins Gefecht schickten. Selenski aber wollte die Stadt lange nicht aufgeben, wohl aus Angst vor der politischen Signalwirkung.

Auch infolge der ukrainischen Gegenoffensive gerieten die beiden aneinander. Selenski versuchte, minimale Geländegewinne als Erfolg zu verkaufen, während sein Armeechef im «Economist» faktisch das Scheitern der Offensive einräumte. Dass Saluschni die militärische Lage aus politischen Motiven nicht beschönigte, könnte letztlich zu seinem Verhängnis geworden sein. 

«Held der Ukraine» kam in Russland zur Welt

Nun wagt Selenski einen Neuanfang mit Olexander Sirski, der in der Ukraine als Genie gilt. Als Selenski noch das Risiko einer russischen Invasion herunterspielte, liess Sirski bereits zwei Verteidigungsringe um Kiew errichten. Nach dem Angriff der Russen sprengte der General einen Damm am Fluss Irpin und seine Pontonbrücken, was den russischen Vorstoss stoppte. Dafür erhielt Sirski im April 2022 den Titel «Held der Ukraine», die höchste Auszeichnung des Landes.

Auch soll Sirski die Idee entwickelt haben, die im Herbst 2022 zu einer überraschenden Offensive im Raum Charkiw führte. Vom Angriff überrumpelt, flüchteten die Russen chaotisch, wodurch die Ukrainer Hunderte Quadratkilometer zurückerobern konnten. Sirski, ein akribischer Planer, steht für schmerzhafte Niederlagen Russlands. 

This handout photograph taken on October 4, 2022 and released by Press service of Khortytsya Operational-Strategic Command, shows Ukraine's Commander of the ground forces Oleksandr Syrsky (R) meeting with Ukrainian soldiers at an undisclosed location in Ukraine. Ukrainian President Volodymyr Zelensky on February 8, 2024 appointed commander of the ground forces Oleksandr Syrsky as the country's new army chief, in a dramatic military shakeup nearly two years into Russia's invasion. (Photo by Handout / Press service of Operational-Strategic Command "Khortytsya" / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Press service of Khortytsya Operational-Strategic Command" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Doch ausgerechnet er, der neue Oberbefehlshaber der Ukraine, kam in Russland zur Welt. Dort studierte Sirski an der Militärhochschule in Moskau, bevor er sich nach dem Ende der Sowjetunion entschied, im ukrainischen Militär Karriere zu machen. Bis heute schimmert durch sein Ukrainisch ein russischer Akzent, doch sein militärischer Ansatz ist nicht ausschliesslich russisch geprägt. 

Während Putins Soldaten einer strengen Befehlskette unterliegen, hat Sirski die ukrainische Armee umgebaut. Kommandeure kleinerer Truppenverbände geniessen auf taktischer Ebene grosse Entscheidungsfreiheit. Dadurch können sie ihre Ressourcen schneller und effizienter einsetzen, was den Nato-Grundsätzen entspricht, die Sirski 2013 bei einem Aufenthalt in Brüssel lernte.

Sirski muss ein zweites Bachmut abwenden

Es steht ausser Frage, dass der neue Oberbefehlshaber die dafür nötigen Kompetenzen aufweist. Auch besitzt er viel Erfahrung, da er die Operationen im Donbass leitete, nachdem Russland 2014 die Krim annektiert hatte. Aber auch Sirski kann nicht zaubern. 

Die russische Armee hat inzwischen die Oberhand zurückerlangt, der Ukraine mangelt es an Munition und neuen Soldaten. Sirskis schwierigste Aufgabe wird es sein, die knappen Ressourcen optimal einzusetzen. Und das mit einem Präsidenten im Nacken, der dringend Erfolge vorweisen möchte.

Ob sich Sirski diesem Druck beugt und deshalb militärisch gesehen weniger sinnvolle Entscheide fällt, könnte sich demnächst in Awdijiwka zeigen. Die Russen sind in diese Stadt vorgedrungen, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis sie in russische Hände fällt. Zieht Sirski seine Soldaten ab einem gewissen Punkt nicht zurück, droht Awdiijwika zu einem zweiten Bachmut zu werden. 

Mit der Absetzung Saluschnis riskiert Selenski auch, die Truppenmoral zu schwächen. Denn kein General besitzt ein so hohes Ansehen wie Saluschni. Bei Umfragen schenkten ihm jeweils 80 bis 90 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Vertrauen. Selbst Präsident Selenski erreichte zuletzt nicht so hohe Zustimmungswerte, was ein weiterer Grund sein könnte, weshalb Saluschni in Ungnade geriet. Ihm wurden politische Ambitionen nachgesagt, auch wenn er das nie bestätigte.

Was Saluschni jetzt macht, bleibt vorerst offen. Noch vergangene Woche lehnte er es offenbar ab, auf einen anderen Posten versetzt zu werden. Selenski bot ihm an, «Teil des Teams» zu bleiben.