Krieg in der UkraineMacron und Meloni kämpfen um Donald Trumps Gehör
Wer reist zuerst in die USA? Zwischen dem französischen Präsidenten und der italienischen Premierministerin läuft ein Rennen um die Mittlerrolle zwischen Europa und Donald Trump.

Lässt sich Donald Trump bei seinem dramatischen Seitenwechsel zur Ukraine noch bremsen, bekehren gar? Und welchem Europäer soll das eher gelingen: Emmanuel Macron oder Giorgia Meloni? Frankreichs Präsident und die italienische Ministerpräsidentin liefern sich gerade ein Rennen ums Ohr des Präsidenten der USA – ohne Garantie auf einen Sieger.
Macron, so bestätigte Trump, wird Anfang kommender Woche in Washington erwartet – «am Montag, vielleicht», fügte er noch an. Der britische Premier Keir Starmer, Vertreter der anderen Nuklearmacht Europas, wäre wohl auch dabei, was dem Franzosen aber offenbar missfällt.
Macron wäre ein Tête-à-Tête viel lieber
Denn Macron wäre ein Tête-à-Tête mit Trump viel lieber, hat die Zeitung «Le Monde» aus dem Élysée erfahren, alles prominent inszeniert. Macron strebt gerade mit aller Macht die Rolle des Brückenkopfs an, des Mittlers zwischen den Welten, des Veranstalters von Gipfeln in schneller Folge. Im Gegensatz zum deutschen Kanzler Olaf Scholz verzichtete er dann auch auf eine klare Verurteilung von Trumps Vorwürfen gegen Wolodimir Selenski, er schwieg sie tot. Wie Starmer, wie Meloni. Mit Trump verscherzt man es sich schnell.
Macron wäre der erste europäische Anführer, der im Weissen Haus vorbeischauen würde, seit Trump wieder im Amt ist. Macron ist ja auch einer von wenigen Staats- oder Regierungschefs in Europa, die schon Trump 1 erlebt hatten, aktiv: Zwischen den zwei Präsidenten wuchs eine nicht immer einfache Bromance mit virilem Gebaren, beidseits.
Im vergangenen Dezember, als Trump noch «President elect» war, lud er ihn nach Paris ein zur Wiedereröffnung von Notre-Dame. Macron rechnet sich wohl aus, dass Trump ihn wegen seiner Anciennität, seiner Machtfülle und der geopolitischen Bedeutung Frankreichs als gewichtigsten Gesprächspartner in Europa akzeptieren würde – aber auch das ist alles andere als sicher.

Für Meloni war die Nachricht von Macrons und Starmers Vorstoss eine böse Überraschung, so berichten es Insider. Sie will sich jetzt nicht überholen lassen, nachdem man sie schon in der Poleposition in diesem Rennen um die Rolle als Brückenkopf zwischen Europa und den USA gewähnt hat. Trump hatte sie einmal so beschrieben: «eine fantastische Frau, die Europa wirklich im Sturm erobert hat».
Meloni sucht aber noch nach einer passenden Position zwischen Brüssel und Washington, erkennbar vorsichtig. Das passt zu ihrem abwägenden Regierungsstil, der sich so fundamental von ihrer Rolle als aggressive Oppositionspolitikerin unterscheidet: Allzu laute Ergebenheitsadressen an Trump hat sie bisher vermieden. Insofern tritt sie ganz anders auf als ihr Vizeregierungschef Matteo Salvini. Der Führer der rechtspopulistischen Lega lässt keine Gelegenheit aus, Trump zu bejubeln und zum Vorbild für Europa zu erklären.
Meloni steckt im Dilemma
Mehrfach schon hat Meloni in den letzten Tagen mit Salvini und dem anderen Koalitionspartner und Vize, Aussenminister Antonio Tajani von der Berlusconi-Partei Forza Italia, zusammengesessen und die Optionen erwogen. Beim jüngsten Treffen soll Salvini seiner Chefin Zurückhaltung versprochen haben. Was bei ihm so aussieht, dass er anschliessend ins erste Mikrofon sagte, wie viel Respekt er vor Trump habe, der in wenigen Wochen mehr erreicht habe als Biden in vier Jahren, sein Tun sei im Interesse Europas und Italiens: So wird Meloni sich das nicht vorgestellt haben.

Auch sie steht Trump politisch nahe, mit dessen Vertrautem Elon Musk ist sie eng befreundet. Sie war seit Jahresbeginn schon zweimal in den USA, einmal in Mar-a-Lago, dem Anwesen Trumps, dann bei der Amtseinführung des neuen Präsidenten. Aber sie weiss, wie sehr Italien auf Europa angewiesen ist: Sie steckt also in einem Dilemma.
Das Schicksal der Ukraine, an deren Seite Meloni im Gegensatz zu Salvini bisher fest steht, der drohende Zollkrieg, das Verhältnis USA - Europa: «Wir wissen nicht, wie das Ganze ausgeht», sagt Meloni und spielt auf Zeit. Sie hält engen Kontakt zur EU-Kommission und will in Europa erklärtermassen «nicht aus der Reihe tanzen». Daraus wurde die Idee geboren, per Videoschaltung am Parteitag der Republikaner teilzuhaben – und das idealerweise am Samstagmittag, wenn auch Trump anwesend sein würde.
Sie kam zu spät zu seinem Gipfel – «im Maserati»
Dann aber kam die Nachricht, Macron und Starmer würden kommende Woche nach Washington reisen, zu Trump ins Weisse Haus, live und in Person. Sofort entwickelte Meloni einen neuen Plan: Soll sie nicht alle mit einem Blitztrip in die USA überraschen, wie schon im Januar, und Trump am Parteitag treffen und mit ihm sprechen? Meloni wird bewusst sein, dass es riskant wäre, sich derart zu exponieren, deshalb würde sie die Reise eng mit Brüssel abstimmen. Trump müsste ja auch noch zustimmen, und das ist trotz aller Schwärmerei nicht sicher. Wer weiss schon, was ihn gerade umtreibt.
Einen Vorsprung würde sie Macron aber lieber nicht geben. Die zwei können sich nur leidlich leiden. Am vergangenen Montag, als der Franzose eine Auswahl von europäischen Regierungschefs und die Spitzen von EU und Nato nach Paris zum Gipfel lud, zögerte Meloni zunächst, ob sie überhaupt hinfahren solle.
Sie fuhr dann doch hin, kam aber als Einzige fast eine Stunde zu spät. Die Republikanische Garde vor dem Palais de l’Élysée war schon abgezogen. Dann fuhr sie vor – «im Maserati», wie das französische Fernsehen süffisant notierte. Alles ist ein Rennen zwischen Macron und Meloni.
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