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Nach schweren Niederlagen
Kiew versucht die Armeereform

Ukrainische Soldaten der 3. Separaten Panzerbrigade operieren einen Panzer nahe der Frontlinie in der Region Charkiw, Ukraine, 10. Februar 2025.
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In Kürze:
  • Neue Korps sollen die ukrainische Armee effizienter und schlagkräftiger machen.
  • Mangelhafte Befehlsketten führten oft zur Aufgabe strategischer Orte wie Wuhledar.
  • Soldaten beklagten «Friendly Fire» durch fehlerhafte militärische Führung im Gefecht.

Die Probleme der ukrainischen Armee sind vielfältig. Da ist der Personalmangel und die ausbleibende grosse Mobilisierung, da ist die fehlende Ausrüstung und die Knappheit an Waffen und Abwehrsystemen. Nicht immer kann die Ukraine selbst Verbesserungen erreichen, etwa wenn Waffenlieferungen der Verbündeten viel später kommen oder kleiner sind als vereinbart. Eines der hausgemachten Probleme aber wird nun angegangen: die veraltete Befehlsstruktur.

Die stammt teils noch aus der Sowjetzeit und führt immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten im Gefechtsgebiet mit verheerenden Folgen: Weil Vorgesetzte den Soldaten Befehle nicht klar mitteilen oder Truppen nicht zusammengeführt werden können, erhalten kämpfende Einheiten beispielweise nicht die notwendige Hilfe unterstützender Einheiten. Die Folge: Die Kämpfer müssen sich zurückziehen, im schlimmsten Fall unter hohen Verlusten. So war es 2023, als Soledar in der Ostukraine an die Russen fiel, und so war es auch 2024, als die Ukrainer Wuhledar weiter im Süden aufgeben mussten, wie die Berliner Militärexperten András Rácz und Christian Mölling in einer Analyse schreiben.

Nun bekommen die Soldaten und Soldatinnen eine neue Befehlsebene, was viele von ihnen schon lange fordern. «Korps» ist das Schlüsselwort, diese Ebene wird direkt über den Brigaden eingerichtet. Brigaden sind die wichtigsten Formationen in der ukrainischen Armee und haben je etwa 5000 Soldatinnen und Soldaten, von ihnen soll es etwa 100 geben. Bislang steht direkt über den Brigaden das – überlastete – sogenannte operative Kommando. Mit der Zwischenebene des Korps erhofft man sich, die Brigaden besser steuern zu können und schlagfertiger zu machen. Auch will man sich vom Sowjeterbe lösen und die Armee Nato-Standards anpassen.

«Friendly Fire» sei ein grosses Problem, schildert Soldat Jaroslaw

Der Soldat Jaroslaw, der erst Infanterist war und inzwischen in der Artillerie im Donbass kämpft, fordert seit langem unter anderem die Schaffung von Korps. Per Messenger schrieb er dieser Redaktion im November von der Front: «Damit kämpfen alle führenden Armeen der Welt, auch Russland.» Er beklagt selbstverschuldete, gefährliche Situationen wegen fehlerhafter Kommandostrukturen. «Friendly Fire» etwa, Beschuss durch eigene Truppen. Manchmal wüssten er und seine Leute nicht, wo sich die feindlichen Truppen befänden – und wo die eigenen, weil sie keine Auskünfte erhielten. Einige Soldaten desertierten deshalb.

Nach der neuen Struktur bestehe ein Korps künftig aus fünf bis sechs Brigaden, schreiben Rácz und Mölling. Derzeit würden auf operativer Ebene teils 15 Brigaden befehligt – viel zu viele. (Lesen Sie hier ein Interview mit András Rácz zur Situation der ukrainischen Armee und der Donbass-Stadt Pokrowsk.) In den neuen Korps sollen ausserdem Panzer-, Artillerie-, Logistik- und andere Unterstützungskomponenten zusammengefasst sein. Ganz neu sind die Korps nicht: Sechs gibt es bereits in der ukrainischen Armee, mit der Reform werden es deutlich mehr. Laut dem ukrainischen Online-Medium «Censor» plant das Militär insgesamt 20.

Selenski spricht von den «besten Offizieren»

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wirbt für die Reform mit dem Versprechen, dass «die am besten ausgebildeten, vielversprechendsten Offiziere mit Kampferfahrung und modernem Denken» in die Befehlskette rückten. Denn auch das ist ein weitverbreitetes Problem in der ukrainischen Armee: Viele noch in der Sowjetunion ausgebildete Offiziere führen Truppen an. Sie wurden nach dem russischen Überfall im Februar 2022 eilig aus dem Ruhestand geholt. Der Krieg, den die Ukraine aber seither führt, ist ein moderner, geprägt vom Einsatz ausgefeilter Technologie, auch die Art zu befehligen hat sich weiterentwickelt. Würden jetzt keine jüngeren Offiziere, die diese Kriegführung seit 2022 kennen, befördert, könne die Armee ihre gewünschte Effizienz nicht steigern, warnen Rácz und Mölling.

Mit der Reform geht eine weitere Hoffnung einher: dass sie das Image der Armee aufwertet und sich Unwillige doch zur Armee melden. Viele schrecken davor zurück, weil sie fürchten, in einer unprofessionell geführten Armee «verheizt» zu werden.