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Ukraine-Blog
Eroberung von Wuhledar könnte russischen Streit­kräften den Weg ebnen

Die Flaggen wurden gehisst: Russische Soldaten über den Dächern von Wuhledar (1. Oktober).
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In Kürze:
  • Russische Soldaten hissten Flaggen auf den Dächern von Wuhledar.
  • Das ukrainische Militär zog Truppen ab, was Selenski verteidigt.
  • Die Bergarbeiterstadt bietet strategische Vorteile durch ihre erhöhte Lage.
  • Die Einnahme könnte russische Angriffe weiter westlich erleichtern.

Zweieinhalb Jahre tobte in Wuhledar ein erbitterter Kampf: Die russischen Streitkräfte hatten es wiederholt auf die ostukrainische Bergarbeiterstadt abgesehen. Die Ukraine konnte die Attacken immer wieder abwehren – bis zuletzt. Am Mittwoch bestätigte das ukrainische Militär, dass es seine Truppen aus der Frontstadt abziehe, da die Gefahr einer Einkreisung bestehe. Man wolle «das Militärpersonal und die Ausrüstung schützen».

Videos vom 1. Oktober zeigen, wie russische Soldaten auf Gebäuden der Stadt die russische Flagge hiessen. Wuhledar liegt auf einem Hochplateau und besteht grösstenteils aus mehrstöckigen Betongebäuden. Die ukrainischen Streitkräfte hatten den Ort stark gesichert: Die zur Festung ausgebaute Stadt galt als Zeichen des ukrainischen Widerstands. Früher lebten 15’000 Menschen dort. Heute ist die Stadt Wuhledar beinahe komplett zerstört.

Was bedeutet das für die Front?

Der Rückzug ist einerseits ein herber Schlag für die Moral der ukrainischen Truppen. Der Verlust von Wuhledar wird sich aber auch auf weitere Frontabschnitte auswirken. Denn die Stadt ist aus verschiedenen Gründen ein kriegswichtiger Ort, auch aus geografischer Sicht: Sie liegt erhöht und bietet einen vorteilhaften Blick in die flache Umgebung. Von den hohen Gebäuden der ehemaligen Kohlebauwerke konnten ukrainische Streitkräfte das Gelände überblicken und auf der Anhöhe Waffen stationieren. Diesen Vorteil haben nun die russischen Streitkräfte. Ukrainische Gegenangriffe in den umliegenden Gebieten werden erschwert.

FILE - An aerial view of Vuhledar, the site of heavy battles with the Russian troops in the Donetsk region, Ukraine, Feb. 10, 2023. (AP Photo/Libkos, File)

Die Einnahme der Stadt könnte den russischen Streitkräften nun den Weg ebnen, um auf weitere Ortschaften im Westen vorzurücken. Der Druck steige an anderen Frontabschnitten im Donbass, sagte etwa der Militäranalyst Denis Popowitsch gegenüber ukrainischen Medien.

So sehen Beobachter die Stadt Pokrowsk gefährdet. Das Ziel der russischen Truppen mit der Einnahme Wuhledars sei es, ihren Vorstoss auf Pokrowsk abzusichern, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Denn nun müsse die russische Armee keine ukrainischen Angriffe aus der Richtung von Wuhledar mehr befürchten.

Auch die Stadt Kurachowe ist gefährdet. Sie steht ebenfalls schon lange unter russischem Beschuss und ist nur 20 Kilometer entfernt. Die deutsche «Tagesschau» berichtet, dass der Verlust von Wuhledar aufgrund der Nähe der beiden Städte eine zusätzliche Bedrohung für Kurachowe darstelle.

Front dürfte sich nicht grundlegend verändern

Dass die Front durch die Einnahme von Wuhledar nun komplett zusammenbricht, ist jedoch unwahrscheinlich. Das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) schreibt, dass die Einnahme von Wuhledar den Verlauf der Offensivoperationen im westlichen Gebiet Donezk wahrscheinlich «nicht grundlegend» verändern werde.

Dies, weil Wuhledar laut dem ISW kein besonders wichtiger Logistikknotenpunkt ist. Ausserdem haben die russischen Streitkräfte die meisten der Hauptstrassen, die nach Wuhledar führen, bereits vor dem 1. Oktober kontrolliert. Die russischen Streitkräfte seien also schon in der Lage gewesen, die ukrainische Logistik zu behindern.

Selenski verteidigt Rückzug der Ukraine

Nach der russischen Eroberung üben ukrainische Soldaten Kritik. Ihnen seien schlicht die Ressourcen ausgegangen, berichtete Arseni Prilipka, Pressesprecher der 72. Brigade, die seit August 2022 Wuhledar verteidigte, gegenüber AP. Den intensiven russischen Angriffen mithilfe elektronischer Kriegsführung, Artilleriegeschützen, Drohnen, Gleitbomben und zahlreicher Soldaten habe man nicht begegnen können. «Weil wir nicht so viel haben wie sie», sagte Prilipka. Das nährt neuerliche Kritik an zu zögerlichen und zu geringen westlichen Waffenlieferungen und der ausstehenden Erlaubnis, russische Waffen- und Kampfjetdepots weit im Hinterland angreifen zu dürfen.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski verteidigte am Donnerstag zum Antrittsbesuch des neuen Nato-Generalsekretärs Mark Rutte in Kiew den Rückzug aus Wuhledar: Die Entscheidung sei «absolut korrekt» gewesen. «Wir müssen die Leben von unseren Truppen schützen, denn sie sind wichtiger als jedes Gebäude», so Selenski. Er betonte zudem die Wichtigkeit westlicher Unterstützung. «Wir brauchen Waffen von ausreichender Quantität und Qualität, dazu gehören Waffen mit hoher Reichweite.»