Hintergründe zur PanzerschlachtWie die Russen bei Wuhledar in ukrainischen Hinterhalt gerieten
In der Nähe von Donezk tobte eine Panzerschlacht. Ein ukrainischer Leutnant erzählt nun, wie die Russen in die Falle tappten und wie westliche Artillerie und Drohnen dabei halfen.
Das Bild ging Mitte Februar um die Welt: Mehrere russische Panzer liegen beschädigt oder zerstört auf einem Feld ausserhalb von Wuhledar. Es war ein Sinnbild für den gescheiterten Angriff auf die strategisch wichtige Kohlestadt in der Nähe von Donezk. Nun erklärt ein ukrainischer Leutnant in der «New York Times», wie es dazu kam und wie seine Einheiten die Russen während einer dreiwöchigen Panzerschlacht aufhalten konnten.
Aus ukrainischer Sicht erlebte der Angreifer Russland bei Wuhledar dabei einen schmerzhaften Rückschlag und wiederholte altbekannte Fehler der Kriegsführung. Moskau holte für den Angriff demnach Reserven aus dem Kalten Krieg an die Front und zog mit Panzerkolonnen in die Schlacht. Das Vorrücken in Gruppen wurde Russland dabei aber zum Verhängnis. Die Ukraine wartete im Hinterhalt auf die Panzerkolonnen, bereitete mit Minen regelrechte Fallen vor und griff sie dann mit Artillerie an, bevor die Angreifer überhaupt Kontakt herstellen konnten.
Gemäss dem ukrainischen Leutnant verlor Russland mindestens 130 russische Panzer oder Panzerfahrzeuge bei Wuhledar. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen, doch auch russische Militärblogger bestätigen hohe Verluste der eigenen Truppen in dieser Schlacht. Und bemängeln die «taktisch mangelhafte» Vorgehensweise der Angreifer in sehr scharfen Worten. Der Kreml möchte die kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen gerade in Anbetracht der Niederlagen um Wuhledar verstummen lassen, wie das Institute for the Study of War berichtet.
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Ukrainer warten auf die Panzerkolonne
Offenbar rückten die Russen stets in grösseren Gruppen vor, eine bekannte Vorgehensweise, auf die sich die Verteidiger vorbereiteten. Der ukrainische Leutnant berichtet, wie sie zuerst die Umgebung ausspähten und alle möglichen Strassen und Wege registrierten, welche die Angreifer benutzen könnten. Dann verschanzten sie sich: Sie verminten das Gelände, versteckten eigene Panzer und Truppen im Wald und warteten.
An einem Tag sah der Leutnant dann aus seinem Bunker auf Drohnenbildern, wie eine Kolonne von 15 gepanzerten Fahrzeugen vorrückte. Er liess sie auf der minenfreien Strasse bis zur «Kill Zone» vorrücken und ordnete dann den Angriff an. Anti-Panzer-Einheiten eröffneten daraufhin aus angrenzenden Wäldern das Feuer auf die russische Kolonne. Bewaffnet mit tragbaren Javelin-Antiarmor-Raketen der USA oder eigenen Boden-Lenkwaffen sorgten sie für einen ersten Feuerhagel auf die Russen, die nun in der Falle sassen.
Die Fahrzeuge, die in der entstehenden Panik ausbrechen oder umkehren wollten, fuhren in die Minenfelder am Rand der Strasse, wurden beschädigt und sorgten dafür, dass die restlichen Panzer noch mehr feststeckten.
Gleichzeitig begann die ukrainische Artillerie mit ihrem Beschuss auf die Koordinaten der «Kill Zone», zum Einsatz kamen dabei auch Haubitzen wie die M777 der USA oder der französische Caesar-Lastwagen. Teilweise wurde auch mit dem Mehrfachraketenwerfer Himars geschossen, der normalerweise eher für nicht bewegliche Ziele verwendet wird. Da die ukrainische Taktik die russischen Panzerkolonnen aber so gut blockierte, konnte Himars sogar hier eingesetzt werden.
Unerfahrene Soldaten im Einsatz
Der ukrainische Leutnant berichtet, dass die Angreifer trotz der Fehlschläge immer wieder neue Kolonnen losschickten. Sie hätten wohl keine anderen Optionen gesehen, sagt er der «New York Times».
Zudem seien die Russen wohl zu unerfahren. Die Elitetruppen wurden bereits in früheren Kämpfen aufgerieben, nachgerückt seien Soldaten, die nicht genug trainiert wurden und die ukrainische Taktik des Hinterhalts nicht kennen. So habe man beispielsweise einen russischen Sanitätssoldaten gefangen, dem die Steuerung eines Panzers übertragen wurde. Auch Experte Carlo Masala sagte jüngst in dieser Zeitung, dass die russischen Soldaten nicht gut ausgebildet sind (lesen Sie dazu: «In ein paar Monaten sind die russischen Reserven verbraucht» – Militärexperten über den Ukraine-Krieg).
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Das Problem besteht aber auch auf der ukrainischen Seite. Während einige Soldaten derzeit in der EU oder Grossbritannien an westlichen Panzern ausgebildet werden, kommen andere ohne viel Training in den Einsatz, weil sie für gefallene Kameraden nachrücken müssen.
Russen greifen nun mit Infanterie an
Im Bericht der «New York Times» kommt auch ein ukrainischer Panzerfahrer zu Wort. Der 20-jährige Soldat hatte vor dem Krieg kein Panzertraining, wurde aber in der Hektik der ersten Kriegstage zu einer solchen Einheit zugeteilt. Seither hat er in Panzern gekämpft, Erfahrungen gesammelt und einige Tricks gelernt, wie er sagt.
Er wisse genau, wie er seinen Panzer verstecken müsse und wie er bereit sein könne, ohne die Russen vorzuwarnen. Ein Kaltstart würde zu lange dauern, im Standbetrieb wäre der Panzer aber zu laut. Deshalb halten die Soldaten den Motor mit einer Kerosinheizung warm, die daneben aufgestellt wird.
«Wir verstecken uns und warten auf die Russen», erzählt der 20-Jährige. «Wir haben immer Angst, aber wir müssen die Angreifer zerstören.» Beim letzten Einsatz hatten sie Glück, sie waren zwar involviert, aber aus der Ferne. Ein Drohnenpilot habe ihnen die Koordinaten der russischen Panzerkolonne per Funk durchgegeben, sie schossen, ohne den Feind zu sehen. Dieser sass wieder fest, eingekesselt von Minen, und habe keine Chance gehabt, sagt der Soldat. «Wir haben viele russische Fahrzeuge zerstört», sagt er. «Ihr Fehler war, dass sie überhaupt in die Ukraine kamen.»
Mittlerweile, sagt der Leutnant, sei die grosse Panzerschlacht um Wuhledar vorbei. Die Russen hätten eingesehen, dass sie mit den Panzerkolonnen nicht weiterkommen, und die Taktik geändert. Sie greifen seit Ende Februar nur noch mit Infanterieeinheiten an. Wie in Bachmut droht damit ein langer Grabenkampf um die grösstenteils zerstörte Stadt Wuhledar.
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