EU-Gipfel in BrüsselDie Ukraine muss nun in den Wartestand
Über die Hilfe von 50 Milliarden Euro für Kiew entscheiden die EU-Staaten an einem Sondergipfel im Januar. Falls Ungarn nicht mitmacht, gibt es einen Plan B.
Den einen historischen Moment hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban geschehen lassen, indem er kurz aus dem Saal ging und der Europäische Rat für einige Augenblicke nur 26 anwesende Mitglieder zählte. Ohne den Ungarn beschloss der Rat, Beitrittsgespräche mit der Ukraine zu beginnen und mit der Republik Moldau aufzunehmen, während er Bosnien-Herzegowina solche in Aussicht stellt und Georgien den Kandidatenstatus verleiht. Um halb sieben am Donnerstagabend meldete EU-Ratspräsident Charles Michel den Durchbruch.
Orban trug den Beschluss nicht mit, verhinderte ihn aber auch nicht. Diesen gesichtswahrenden Ausweg aus seiner Blockadehaltung hatte ihm der deutsche Kanzler Olaf Scholz geebnet, indem er Orban vorschlug, doch kurz zu verschwinden. Rein rechtlich gilt der Beschluss als einstimmige Entscheidung des Europäischen Rats, dessen Regeln zufolge eine solche Enthaltung nicht als Nein gewertet wird.
Ungarn verhindert Aufstockung des EU-Haushalts
Im Anschluss ging es wieder ums Geld im Kreise der 27 EU-Staats- und Regierungschefs, wobei die Kreativität für eine Lösung nicht mehr ausreichte. In der Nacht auf Freitag gingen die Ratsmitglieder auseinander, ohne neue Finanzhilfen für die Ukraine beschlossen zu haben, die das von Russland überfallene Land dringend braucht.
Im Ergebnis steht nur das Versprechen von 26 EU-Ländern an Kiew, 50 Milliarden Euro für die kommenden Jahre bereitzustellen. Die Entscheidung, ob das einstimmig im EU-Haushalt verankert wird oder ausserhalb dessen, wurde auf einen Sondergipfel im Januar vertagt.
Bis nach zwei Uhr morgens hatten sie verhandelt, um Orban davon zu überzeugen, dass er der Aufstockung des EU-Haushalts um 21 Milliarden Euro doch noch zustimmt. 17 Milliarden davon sind als direkte Zuschüsse für die Ukraine vorgesehen. Diesmal aber blieb Orban sitzen und votierte dagegen.
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«Zusammenfassung der Nachtschicht», verkündete Ungarns Premier auf der Plattform X: «Veto gegen das zusätzliche Geld für die Ukraine.» Zwei grosse Zugeständnisse an einem Tag, das war für den Ungarn zu viel. Er sei ganz zuversichtlich, sagte Scholz am Freitag, «dass wir tatsächlich im Januar dann eine Verständigung erzielen werden. Das ist gut vorbereitet.» Man habe unter den Mitgliedsstaaten «doch eine überraschend schnelle Verständigung erreicht».
Dabei steht es einstweilen 26 zu 1. Bis auf Ungarn unterstützten sämtliche Ratsmitglieder den Plan, der Ukraine vom kommenden Jahr an bis einschliesslich 2027 insgesamt 50 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, für die Staatsfinanzen und Investitionen. Zu den 17 Milliarden Euro an direkten Zuschüssen kommen 33 Milliarden Euro an Krediten, für die die EU-Mitgliedsstaaten aber nicht unmittelbar aufkommen müssen.
Ukraine-Finanzierung ausserhalb des EU-Haushalts
Als letzte Verhandlungsgrundlage hatte EU-Ratspräsident Charles Michel am Donnerstag ein Papier präsentiert, das 21 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln für den EU-Haushalt vorsieht. Dieses Paket werde «von 26 Staats- und Regierungschefs nachdrücklich unterstützt», schrieb Michel in einer Erklärung.
Die Finanzierung der Ukraine ausserhalb des EU-Haushalts zu organisieren – ein vorbereiteter Plan B –, bleibt als Option auf dem Tisch. Eine Verankerung im Haushalt ist allerdings die favorisierte Lösung, nicht zuletzt als politisches Signal der europäischen Geschlossenheit.
Neben den Ukraine-Hilfen sieht der Haushaltsentwurf vier Milliarden Euro an neuen Mitteln für andere Zwecke vor. Die EU-Kommission hatte dafür ursprünglich einen Bedarf von 49 Milliarden Euro errechnet, was Deutschland und andere Nettozahlerstaaten ablehnten. Unterhändler des Rats und der Kommission hatten den Betrag zuletzt immer weiter kleingerechnet, bis die verlangten Mehrausgaben den sparbewussteren Ländern akzeptabel schienen.
EU-Gelder für Ukraine reichen noch bis Frühjahr
Vor allem der Bedarf der Ukraine hatte die Überarbeitung nötig gemacht. Ohne ausländische Finanzhilfe droht Kiew der Staatsbankrott oder eine Hyperinflation durch Staatsfinanzierung. Während die EU ihre Entscheidung vertagt hat und in den USA 60 Milliarden Euro an Hilfen blockiert bleiben, ist die finanzielle Lage des Landes angespannt. Das Geld aus dem europäischen Ukraine-Topf reicht nach Angaben aus EU-Kreisen noch bis zum Frühjahr, was etwas den Druck von diesem Gipfel nahm.
Bis die Ukraine und Moldau der EU beitreten, wird es noch lange dauern. Im Frühjahr wird die EU-Kommission jeweils ein Verhandlungsmandat für die beiden Länder erarbeiten, über das der Europäische Rat abstimmen muss. Auf dem Weg dahin muss die Ukraine noch drei von insgesamt sieben Bedingungen erfüllen. Bis zum tatsächlichen Beitritt der Ukraine wird es noch einige Dutzend Gelegenheiten geben, den Beitrittsprozess im Rat zu blockieren.
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