Geld und MilitärhilfeWas Selenski in Washington erreicht hat – und was nicht
Vor einem Jahr wurde Wolodimir Selenski als Held in der Hauptstadt empfangen und beschenkt. Diesmal wird er als lästiger Bittsteller gesehen. Vor allem im Trump-Lager.
Wie anders doch Washington Wolodimir Selenski noch vor einem Jahr empfing. Der Vereinigte Kongress hörte ihn an, einen Kämpfer wider die Tyrannei, wie der britische Premierminister Winston Churchill am selben Tag 81 Jahre davor.
So lange wie nötig würden die Vereinigten Staaten die Ukraine unterstützen, erklärte salbungsvoll deren Präsident Joe Biden und gab Selenski Patriot-Luftabwehrraketen im Wert von 1,8 Milliarden Dollar mit, ein bisschen mehr Sicherheit für die Kriegsgeplagten, ein winziges Zeichen der Hoffnung für die Weihnachtstage. Im Kongress versprachen sie Selenski begeistert ein Hilfspaket von 40 Milliarden Dollar für die nächsten Monate, für die Frühlingsoffensive, für die Wende im Krieg.
Nun, ein Jahr später, ist die Begeisterung für den Krieg gegen Russland und damit auch für Wolodimir Selenski merklich abgekühlt. Er trifft eine Delegation von Senatoren, den Sprecher des Repräsentantenhauses und schliesslich US-Präsident Joe Biden. Der Gastgeber kratzt mit Mühe 200 Millionen Dollar zusammen, um für den Gast eine Sonderlieferung an Waffen anzukündigen. Es wirkt wie eine Geste der Hilfslosigkeit angesichts der immer dringlicheren Warnungen, der Ukraine gehe demnächst das Geld aus.
Dahinter steckt – Donald Trump
Eine baldige Freigabe der nächsten amerikanischen Hilfstranche von 61,4 Milliarden Dollar durch den Kongress ist nicht in Sicht. Es kündigen sich die nächsten Wahlen an in den USA, und die Milliardenbeträge für die Ukraine sind zu einem der heissesten Wahlkampfthemen geworden. An der Parteibasis steigt die Ablehnung der Hilfslieferungen, und Donald Trump, der Favorit der Republikaner, facht sie nach Kräften an.
Wolodimir Selenski, der heldenhafte Anführer vom Jahr zuvor, wird darum in Washington vor allem noch als Bittsteller wahrgenommen, die Unterstützung seines Landes im Krieg gegen den russischen Autokraten als eine Verpflichtung, eine wichtige zwar, aber irgendwie eben auch eine lästige. Oder zumindest eine, die als politische Manövriermasse herhalten muss, wie ihm Lindsey Graham bei dem Treffen mit Senatoren erklärte. «Ich stehe voll und ganz hinter der Ukraine», sagte der Republikaner aus South Carolina. «Aber ich tue nichts für die Ukraine, Israel oder Taiwan, bevor wir unsere Grenze gesichert haben.»
Das waren keine guten Nachrichten für Selenski, denn was ihm Graham da beschied, ist die Position der Republikaner seit mehreren Wochen: Ihre Zustimmung zu einem Paket von Geldern für die Ukraine, Israel und Taiwan, Umfang 118 Milliarden Dollar, gibt es nur dann, wenn die Demokraten Hand bieten zu einer Verschärfung des Asylrechts.
Bis Ende Jahr wird es wohl nichts
Selenskis Lobbyingreise vermag an der Position der Republikaner nichts zu ändern. Das gab ihm auch Mike Johnson zu verstehen, der Sprecher des Repräsentantenhauses. Nach ihrer Unterhaltung sagte Johnson, die Republikaner stellten zwei Bedingungen: eine bessere Aufsicht über die Gelder an die Ukraine sowie eine Wende in der Grenzpolitik. «Bisher ist keine davon erfüllt», hielt Johnson knapp fest.
Joe Biden versprach, weiter einen Kompromiss zu suchen, kritisierte aber die Republikaner dafür, die Ukraine-Gelder «als Geisel» zu nehmen und auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen. Von ihrem Verhalten profitiere einzig und allein Putin. «Wenn ihr von russischen Propagandisten gefeiert werdet, solltet ihr vielleicht eure Haltung überdenken», sagte Biden.
«So lange wie nötig» wird zu «solange wir können»
Von einer baldigen Einigung ist nicht auszugehen. Selbst Mitch McConnell, Minderheitsführer im Senat und überzeugter Freund der Ukraine, glaubt nicht an eine Einigung vor Ende Jahr. Biden gab den vorsichtigen Optimisten. «Ich mache keine Versprechen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen», sagte er. Das sei nicht die beinharte Zusage, die sich Selenski von seiner Reise nach Washington erhofft habe, kommentierte die Plattform «Politico». Doch ein Jahr nachdem der ukrainische Präsident in der amerikanischen Hauptstadt als Freiheitskämpfer gefeiert worden ist, muss er sich ohnehin mit weniger überschwänglicher Rhetorik begnügen.
Hatte der US-Präsident anfänglich jeweils die Führungsrolle der Vereinigten Staaten herausgestrichen, äussert er sich inzwischen merklich vorsichtiger. Wohl hätten die USA bereits 112 Milliarden Dollar für die Ukraine zur Verfügung gestellt, sie seien damit der wichtigste einzelne Beitragszahler. Doch der grösste Teil dieser Gelder würden in den USA selbst ausgegeben, etwa für den Kauf von Waffen, sagte Biden. Mit anderen Worten: Der Krieg in der Ukraine finanziere amerikanische Arbeitsplätze.
Auch wies Biden darauf hin, dass andere Länder schon mehr als das Doppelte der amerikanischen Hilfe geleistet hätten. Er versucht damit, die Kritik zu entkräften, die in den USA immer wieder zu hören ist: Die Europäer sollten die Verteidigung der Ukraine selbst finanzieren. Auch in der Europäischen Union ist die Finanzierung der Ukraine-Hilfe alles andere als gesichert. Der ungarische Premierminister Viktor Orban hat gedroht, am Gipfeltreffen in dieser Woche die Eröffnung von Beitrittsgesprächen und die Beschlüsse für weitere Hilfsgelder zu blockieren. Aus den USA kommt Wolodimir Selenski nicht eben gestärkt zurück für diese weiteren Verhandlungen.
Zu Beginn des Kriegs hatte Joe Biden die Alliierten der Nato auf einen Slogan eingeschworen, für den er bald kritisiert werden sollte: «So lange wie nötig» würden die Verbündeten die Ukraine unterstützen. Am Dienstag bediente sich der US-Präsident einer vorsichtigeren Formulierung: Die USA würden der Ukraine weiterhin Waffen liefern, «solange wir können».
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