US-Republikaner verzögern Ukraine-Hilfe«Das grösste Geschenk» für Putin
Dringliche Appelle von Joe Biden verhallen ungehört: Die Ukraine wird zum Spielball der amerikanischen Innenpolitik.
Mit Pathos geizte der US-Präsident nicht, als er sich am Mittwoch unvermittelt vor die Presse stellte. Die Republikaner müssten nun endlich einlenken und weiteren Hilfsgeldern für die Ukraine zustimmen, sagte Joe Biden: «An die Abstimmung von heute wird man sich lange erinnern, und die Geschichte wird jene hart bestrafen, die der Freiheit den Rücken gezeigt haben.» Ein Scheitern sei das grösste Geschenk an Wladimir Putin.
Ungerührt, ja genüsslich stimmten kurz darauf sämtliche Republikaner im Senat – und für einmal, der linke Senator aus Vermont, Bernie Sanders – gegen ein Finanzpaket, das über 60 Milliarden Dollar für die Ukraine, 14 Milliarden für Israel sowie 20 Milliarden für den Grenzschutz enthalten hätte. Ein Paket wohlgemerkt, das nicht wenige der republikanischen Senatoren im Grundsatz gutheissen. Die Ukraine ist definitiv zum Spielball des nahenden amerikanischen Wahlkampfs geworden.
Grenzschutz im Tauschgeschäft mit der Ukrainehilfe
Er wolle ja der Ukraine helfen, sagte Mitch McConnell. Aber für den Geschmack des Anführers der Republikaner haben die Demokraten noch zu wenig Zugeständnisse gemacht in der Grenzpolitik. So rechtfertigen zahlreiche Republikaner derzeit ihren Widerstand gegen die Finanzhilfen für die Ukraine. Ihre Wähler lehnten es zunehmend ab, zusätzliche Milliarden in den fernen Krieg zu stecken, sagen sie. Nur wenn sie gleichzeitig Erfolge, etwa mit einer abschreckenden Asylpolitik und mehr Grenzsicherheit, vorzuweisen hätten, könnten sie einem Handel zustimmen.
Die republikanischen Senatoren wissen sehr wohl, dass ein Ende der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine auch das amerikanische Abschreckungspotenzial gegenüber Russland und China empfindlich schmälern würde. Ein beträchtlicher Teil ihrer Wählerschaft sieht das hingegen ganz anders.
Im Senat warf der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer McConnell sogleich vor, die Ukraine im Stich zu lassen: Es bleibe keine Zeit, dem Land werde Ende Jahr das Geld ausgehen. In den Tagen davor waren wochenlange Verhandlungen von Senatoren der beiden Parteien geplatzt. Demonstrativ verliessen die Republikaner am Dienstag ein Geheimbriefing mit einer hochrangigen Abordnung aus dem Weissen Haus. Sie hätten über die Grenze reden wollen, sagte McConnell, die Demokraten hingegen nur darüber, wie dringend die Ukraine das Geld benötige – und wie sehr der Fall seines Ausbleibens dem russischen Aggressor Wladimir Putin in die Hände spielen würde.
Die Demokraten wollten auch den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski per Video zuschalten, der sich im letzten Moment aus ungenannten Gründen entschuldigen liess und sich damit die Demütigung ersparte, dem Spektakel persönlich beiwohnen zu müssen. Nach dem Eklat fühlten sich die Demokraten von den Republikanern hintergangen. Auch Biden beschuldigte sie, keine konstruktive Diskussion über die Grenzpolitik führen zu wollen. «Unsere Grenze ist kaputt, wir müssen sie flicken», sagte er.
Wie knapp ist die Zeit wirklich?
Unklar ist, wie rasch nun neue Verhandlungen aufgenommen werden darüber und wie schnell diese zu Resultaten führen können. Viele bezweifeln, dass der Kongress noch vor Ende Jahr weitere Gelder sprechen wird. Auch ist unklar, wie viel Zeit dafür wirklich noch zur Verfügung steht, bevor grössere Löcher bleiben. Bidens Haushaltsministerin Shalanda Young hat diese Woche in einem Brief an den Kongress eindringlich gemahnt, die bisherigen Kredite seien bald aufgebraucht; sein Sicherheitsberater Jake Sullivan warnte, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine sei davon abhängig.
Kurz nach der Abstimmung im Senat jedoch liess das Verteidigungsministerium, das Pentagon, via US-Medien verbreiten, es habe weiterhin Möglichkeiten, den ganzen Winter über Waffen aus Lagerbeständen und früheren Freigaben nach Osten zu schicken, zumindest in eingeschränktem Rahmen.
Die Republikaner haben jedenfalls es geschafft, den Zeitdruck noch einmal zu erhöhen, und vorerst ihre Verhandlungsposition verbessert. Das begründen sie mitunter damit, dass ihr Kompromiss danach auch im weitaus kritischeren Repräsentantenhaus eine Abstimmung überstehen müsse. Sprecher Mike Johnson hat dort bereits damit gedroht, ohne besonders harte Grenzschutzmassnahmen würden seine Leute ihre Zustimmung verweigern. Sie fordern unter anderem, dass Donald Trumps umstrittene Grenzmauer weitergebaut wird und die Zahl der Asylgewährungsgründe stark eingeschränkt wird.
Nun soll Biden persönlich verhandeln
Doch auch die Demokraten müssen auf ihre Parteiflügel Rücksicht nehmen. Biden betreibt ohnehin eine Asylpolitik, die den Progressiven viel zu restriktiv ist. Nun hat er von sich aus weitere Verschärfungen vorgeschlagen, etwa eine Erhöhung der Zahl der Grenzschützer und den Ausbau von Programmen gegen den Schmuggel von Fentanyl und anderen Drogen. Legale Einwanderungsmöglichkeiten verbessert Biden jedoch kaum, wie er das im Wahlkampf versprochen hatte. Kommen er und Schumer den Republikanern nun noch weiter entgegen, etwa indem sie die Asylkriterien eingrenzen, könnte ihr Lösungsvorschlag im Repräsentantenhaus die Zustimmung des linken Parteiflügels verlieren, bei dem die Militärhilfe an Israel ohnehin nicht besonders beliebt ist.
Nun haben mehrere Senatoren Biden aufgefordert, eine aktivere Rolle einzunehmen. Er solle nun so schnell wie möglich direkt mit McConnell eine Lösung aushandeln, sagte etwa der Demokrat Michael Bennet aus Colorado. «Jetzt ist ein grossartiger Moment für Präsident Biden und Minderheitsführer McConnell, eine Einigung zu finden in einem so wichtigen Punkt, und sie beide sind die Einzigen, die dazu in der Lage sind.»
Den Republikanern könnte es also gelingen, Joe Bidens Namen mit dem Verhandlungsergebnis zu verknüpfen, das den Demokraten zu einer restriktiven Asylpolitik zwingen wird. Diesen Erfolg können sie nicht nur bei ihrer Basis als Beleg für funktionierendes konservatives Powerplay verwenden. Das Resultat wird auch dazu geeignet sein, Bidens Wählerschaft zu spalten und gerade eine jüngere Wählerschaft noch mehr davon abzubringen, für ihn zu stimmen. Schon jetzt zeigen Umfragen, dass er vor allem die jüngsten Wahlberechtigten nicht für sich gewinnen kann, wegen seines Alters, zunehmend aber auch wegen seiner sehr israelfreundlichen Haltung im Gaza-Krieg.
All das spielt Donald Trump in die Hände, dem voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, den Mitch McConnell noch 2021 am Ende seiner politischen Karriere gewähnt hatte.
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