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Shutdown in den USA abgewendet
Ein Hardliner entdeckt den Realitätssinn

epaselect epa10975472 Republican Speaker of the House Mike Johnson walks to the House floor to vote on his proposed two-tier continuing resolution (CR) to keep the US government from shutting down in the US Capitol in Washington, DC, USA, 14 November 2023. Speaker Johnson's proposed CR, now embraced by some Democrats, calls for extending some government funding until 19 January 2024, and the rest until 02 February 2024.  EPA/JIM LO SCALZO
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Am Pult im wohl wichtigsten Parlament der Welt steht ein Mann, den bis vor kurzem nur Experten kannten. Mike Johnson ist seit drei Wochen der Sprecher im US-Repräsentantenhaus und als solcher die Nummer drei im Staat nach Präsident Joe Biden und seiner Vize Kamala Harris. Nun darf sich der erzkonservative Republikaner mit jenem Streit befassen, der seinem Vorgänger den Job gekostet hatte: Am Dienstagabend in Washington brachte Johnson fürs Erste den Haushalt durch die zerstrittene Kammer und dürfte verhindert haben, dass ab dem Wochenende Amerikas Verwaltung stillsteht.

Kevin McCarthy wurde ein ähnliches Manöver Ende September zum Verhängnis. Mit gemässigten Parteifreunden und Demokraten hatte er sich damals ebenfalls darauf geeinigt, die Regierung Biden wenigstens vorläufig zu finanzieren und den USA einen Shutdown zu ersparen. Republikanische Hardliner nahmen den Kompromiss dann Anfang Oktober zum Anlass, McCarthy zu stürzen. Jetzt muss der Nachfolger schauen, wie er mit seinem Kampf gegen die nächsten Deadlines davonkommt.

Die Abgeordneten genehmigten einen zweistufigen Plan, der die staatlichen Stellen zumindest bis Anfang 2024 offen hält.

Das bisherige Übergangsbudget galt nur noch bis zu diesem Samstag. Hätte es bis dahin keine Einigung gegeben, würden Verwaltungsbeamte vorübergehend unbezahlt freigestellt, Nationalparks und andere öffentliche Einrichtungen geschlossen werden. Auch der zivile Flugverkehr wäre betroffen – sehr ungünstig vor Thanksgiving am Donnerstag kommender Woche, dem grossen Familienfest. Entsprechend eilig hatte es Johnson, und er fand zwischen den Lagern einen Weg. Bis auf Weiteres. Und zu welchem Preis?

Die Abgeordneten genehmigten einen zweistufigen Plan, der die staatlichen Stellen zumindest bis Anfang kommenden Jahres offen hält. Seit den US-Zwischenwahlen im vergangenen Jahr sind seine Republikaner im Repräsentantenhaus zwar anders als im Senat knapp in der Überzahl, aber um den Vorschlag durchzubringen, brauchte Johnson eine Zweidrittelmehrheit und mithin die Demokraten.

Es braucht Nachverhandlungen

Von denen stammten schliesslich viele der 336 Ja-Stimmen. 93 der 95 Nein-Stimmen dagegen kamen von den Republikanern, seiner Partei. «Wir haben das Fieber gesenkt», sprach Johnson nach der Entscheidung. «Das ist ein Geschenk an das amerikanische Volk.» Ob es auch ein Geschenk an ihn ist, den Speaker, wird sich zeigen. Denn solche überparteiliche Zusammenarbeit hatte McCarthy die Rebellion der Hardliner eingebracht.

Die Demokraten wollten Johnsons Entwurf nur deshalb unterstützen, weil dieser keine weiteren Forderungen nach grösseren Sparmassnahmen enthält. Möglichst bald will auch der von den Demokraten beherrschte Senat zustimmen. Dessen Mehrheitssprecher Chuck Schumer war wenig begeistert von dem Abkommen. Aber es erfülle zwei Dinge, auf welche die Demokraten gedrängt hätten: «Er wird einen Shutdown abwenden, und er wird dies tun, ohne irgendwelche schrecklichen Kürzungen vorzunehmen, die der rechte MAGA-Flügel fordert.» MAGA steht für Donald Trumps «Make America Great Again».

epa10925803 Republican Representative of Georgia Marjorie Taylor Greene (R) awaits another vote on the House floor for Republican Representative of Ohio Jim Jordan (not pictured) to be the next Speaker of the House in the US Capitol in Washington, DC, USA, 18 October 2023. Jordon lost 20 Republican votes in the first round of voting. The House of Representatives has gone more than two weeks without a speaker, after ousting former speaker Kevin McCarthy.  EPA/MICHAEL REYNOLDS

Die Mittel für Veteranen, Verkehr, Wohnungsbau, Stadtentwicklung, Landwirtschaft, Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde, Energie- und Wasserprogramme sowie für militärische Baumassnahmen werden bis zum 19. Januar verlängert, falls der Senat zustimmt und schliesslich Joe Biden unterschreibt. Alles andere liefe nach dieser Version am 2. Februar 2024 aus, bis zu diesen Stichtagen muss nachverhandelt werden.

Was mit den Militärhilfen für die Ukraine oder Taiwan passiert, ist weiterhin unklar.

Der Zwist würde auf diese Weise immer tiefer in den Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2024 geschoben werden, in die Monate vor dem mutmasslich zweiten Duell Biden gegen Trump. Unklar bleibt bis dahin, was mit wesentlichen Teilen jenes Hilfspakets geschieht, das Biden kürzlich beantragt hat. Da geht es um 105 Milliarden Dollar, mehr als 60 Milliarden Dollar davon für die Ukraine. Der Rest verteilt sich unter anderem auf Israel, Taiwan und die US-Südgrenze.

Die Republikaner hatten verlangt, die 14,3 Milliarden Dollar für Israel an Einschnitte bei der von ihnen verhassten Steuerbehörde IRS zu knüpfen. Die Unterstützung der Ukraine lehnen die Rechtsaussen ohnehin ab. Mike Johnson stand bis zu seinem Aufstieg an der Seite dieser Trump-Verehrer, anders wäre er niemals in dieses Amt geraten. Er gehörte zu jenen Republikanern, die vor wenigen Wochen lieber Teile der USA dichtgemacht hätten, als McCarthys Einigung mit den Demokraten durchzuwinken.

Das hat sich geändert, seit Mr. Johnson selbst den Holzhammer halten darf. Da sucht er notfalls Beistand auf der anderen Seite. Teile der republikanischen Radikalenfront lassen ihn gewähren, noch. Doch Scharfmacher wie Chip Roy, Matt Gaetz und Marjorie Taylor Greene lehnen kategorisch ab, was moderate Mandatsträger okay finden.

Sogar körperlicher Einsatz in der Debatte

Inzwischen wird die Auseinandersetzung offensichtlich sogar körperlich. Der Republikaner McCarthy soll dem Kollegen Tim Burchett den Ellbogen in den Rücken gerammt haben. Burchett war einer jener Aufständischen, die McCarthy abgesetzt hatten. Er votierte nun anders als McCarthy gegen Johnsons Vorstoss.

Der immer noch recht neue Speaker befindet sich bei seinem Balanceakt also ziemlich genau in jener Position, aus der McCarthy zu Beginn dieses bunten Herbstes abstürzte. Sein Vorteil bislang: Mike Johnson ist der Sprecher von Trumps Gnaden.

Es sieht nicht so aus, als wollten ihn Trumps Leute sofort wieder wegputschen. Die Suche nach einem Kandidaten ihres Geschmacks hatte lange genug gedauert. Sein Nachfolger sei für den Rest der Amtszeit sicher, glaubt McCarthy, den es zuletzt erwischt hatte: «Mit wem wollen Sie ihn denn ersetzen?» Zu Johnsons Verbündeten zählen die christlichen Fundamentalisten unter den Republikanern. Ihr Auserwählter ist ein evangelikaler Gegner von Abtreibungen und gleichgeschlechtlicher Ehe, der Politik mit der Bibel machen will.

In seiner ersten Rede als Speaker berichtete Johnson im Capitol, dass seine Frau leider nicht dabei sein könne: «Sie hat die letzten Wochen auf den Knien im Gebet zu Gott verbracht und ist ein wenig erschöpft.»