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Militärdienst statt Haft
Ukraine schickt nun auch Mörder an die Front

CORRECTS LOCATION TO BAKHMUT IN PHOTO DETAILS - Ukrainian servicemen from Code 9.2 unit adjust an antenna at the frontline, few kilometres from Bakhmut, Donetsk region, Ukraine, Tuesday, April 23, 2024. (AP Photo/Alex Babenko)
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Die Ukraine braucht dringend neue Soldaten. Deswegen setzt ihre Armee nun auf eine Strategie, die in Russland schon längst angewendet wird. Neuerdings können sich ukrainische Gefängnisinsassen freiwillig für den Militärdienst melden – und damit vorzeitig aus der Haft entlassen werden.

Ein entsprechendes Gesetz wurde am 8. Mai vom ukrainischen Parlament verabschiedet. Häftlinge mit einer verbleibenden Reststrafe von maximal drei Jahren können einen entsprechenden Antrag stellen. Davon ausgeschlossen sind Personen, die besonders schwere Straftaten begangen haben – wie Vergewaltigung, Korruption oder Verbrechen gegen die nationale Sicherheit.

Eine Ausnahmeregelung gibt es allerdings für Häftlinge, die wegen Mordes einsitzen. Sie dürfen einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen, solange sie nicht wegen mehrfachen Mordes angeklagt sind. Auch Russland schickte verurteilte Mörder für die Wagner-Gruppe an die Front. Dies sorgte für Aufsehen, da zahlreiche Ex-Häftlinge wieder die gleichen Verbrechen begingen, nachdem sie von der Front zurückgekehrt waren.

Erste Häftlinge auf Bewährung entlassen

Am Dienstag wurde das neue Gesetz zum ersten Mal angewendet: Ein Gericht in Chmelnizki, einer Stadt im Westen des Landes, hat zwei Männer auf Bewährung entlassen. Die beiden Männer mit Jahrgang 2000 und 1981 waren beide wegen Diebstahls verurteilt worden, mit Haftstrafen von vier Jahren und neun Monaten beziehungsweise fünf Jahren und fünf Monaten. Sie haben sich nun freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet.

Das Gericht bestätigte, dass beide Männer die erforderlichen psychologischen und körperlichen Voraussetzungen für den Militärdienst erfüllten. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis stehen sie unter Aufsicht. Für Abwesenheiten vom Militärdienst brauchen sie die Genehmigung ihrer Vorgesetzten.

Über 3000 Verurteilte haben bisher eine vorzeitige Entlassung beantragt, um der Armee beizutreten, wie die stellvertretende Justizministerin Olena Wisotska im ukrainischen Staatsfernsehen erklärte. Die ukrainischen Behörden hoffen, dass sie mindestens 20’000 Häftlinge für die Armee rekrutieren können.

Wisotska betonte, dass dies ein «sehr theoretisches Potenzial» sei. Realistisch sei die Rekrutierung von 4000 bis 5000 Gefangenen. «Aber wir haben erkannt, dass selbst diese Anzahl motivierter Menschen den Streitkräften helfen wird.»

Überfüllte Gefängnisse, leere Rekrutierungs­zentren

Das neue Gesetz soll zudem helfen, überfüllte Gefängnisse zu entlasten, wie die unabhängige Zeitung «Kyiv Independent» berichtete. Haftanstalten stossen an ihre Kapazitätsgrenzen, da viele Insassen aus den Frontregionen in westlich gelegene Gebäude evakuiert wurden. Zudem liegen viele der Gefängnisse in den von Russland besetzten Gebieten im Süden und Osten des Landes.

«Die Zahl der Häftlinge pro Einrichtung ist seit Beginn der Invasion erheblich gestiegen», sagte Justizminister Denis Maljuska der BBC Ukraine. Es seien mehr Waffen in der Bevölkerung im Umlauf, was zu einem Anstieg der Zahl der Verbrechen mit Schusswaffen geführt habe. Ein weiterer Grund seien neue Kategorien von Kriegsverbrechen, wie etwa die Zusammenarbeit mit Russland.

Während in der Ukraine die Gefängnisse überfüllt sind, bleiben die Rekrutierungszentren leer: Der Armee mangelt es weiterhin massiv an Soldaten. «Der Feind ist uns zahlenmässig um das Sieben- bis Zehnfache überlegen», sagte der ukrainische General Juri Sodol im April.

Man sei müde an der Front, sagte ein Soldat, der von der Zeitung «Kyiv Post» zum neuen Gesetz befragt wurde. «Wir verstehen, dass wir vielleicht nicht mehr genügend junge, gesunde Rekruten bekommen.» Es sei deswegen besser, Ex-Häftlinge an die Front zu schicken als überhaupt niemanden.