Regulierung der Megabank UBSKeller-Sutter will den Bankern an den Kragen – von denen zittert keiner
Ein Strauss an Massnahmen soll die einzelnen Manager zur Verantwortung zwingen. «Nicht mehr als ein Papiertiger», schimpft der Experte.
In den letzten zehn Jahren ihres Bestehens hat die Credit Suisse 32 Milliarden Franken an Boni ausgezahlt, während sie einen Verlust von über drei Milliarden geschrieben hat. Weil sich das aus Sicht des Bundesrates nie wiederholen darf, will er die Gier jetzt mit Gesetzesparagrafen einhegen.
«Unverantwortliche Risiken einzugehen, darf sich für Manager nicht lohnen», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch, als sie den 339-seitigen «Bericht des Bundesrats zur Bankenstabilität» präsentierte. Neben der Stärkung der Aufsicht, neuen Eigenmittelanforderungen und staatlichen Liquiditätshilfen ist es ein Hauptziel der Regierung, die einzelnen Banker stärker in die Verantwortung zu nehmen. (Lesen Sie hier unsere Übersicht über alle Vorschläge.)
So will sie der Finanzmarktaufsicht neue Instrumente zuteilen oder gewisse Vorgaben betreffend finanzielle Anreize machen. Allerdings hegen Fachpersonen Zweifel daran, ob die vorgeschlagenen Änderungen etwas bewirken könnten, falls die UBS in Zukunft ein risikoreicheres Geschäftsmodell verfolgt. Bisher hat der Bundesrat sie nur sehr vage formuliert. Diese Instrumente stehen im Fokus:
Geld zurück im Schadensfall
Nachdem die Credit Suisse wegen des Kollapses des US-Hedgefonds Archegos über fünf Milliarden Dollar verloren hatte, holte sie sich von den Hauptverantwortlichen 70 Millionen Dollar zurück. Sie hatte sich in deren Arbeitsverträgen bereits die Möglichkeit für sogenannte Clawbacks – also Rückforderungen – vorbehalten. Diese können greifen, wenn Angestellte sich nicht an Verhaltensrichtlinien halten oder wenn ihretwegen im Nachhinein Finanzzahlen angepasst werden müssen.
Der Bundesrat wünscht sich, dass die Möglichkeit für Clawbacks bald im Gesetz steht. Der Mechanismus soll Angestellte zu verantwortungsvollem Handeln motivieren. Auch wird so ein Teil der Schadenssumme ersetzt, wenn etwas schiefläuft.
Allerdings kennen nur wenige andere Länder derart weitreichende gesetzliche Regelungen. Der Grund dafür ist, dass die Umsetzung kompliziert ist. Bankenprofessor Peter V. Kunz erklärt: «Wenn die Bombe hochgeht und ein Verlust entsteht, arbeiten viele der Verantwortlichen oft schon nicht mehr bei der Bank. Stattdessen arbeiten sie irgendwo sonst auf der Welt und haben ihr Geld dort parkiert.» In anderen Ländern auf Basis von Schweizer Gesetzen Geld von diesen Personen zurückzufordern, wäre juristisch schwierig.
Ein Clawback bezieht sich normalerweise auf Boni. Allerdings lässt der Bundesrat in seinem Bericht offen, ob er die Möglichkeit auch für Fixgehälter zulassen möchte. Hätte es während der Amtszeit von Credit-Suisse-Langzeitpräsident Urs Rohner bereits eine solche Regelung gegeben, wäre sie diesen womöglich teuer zu stehen gekommen: Rohner verdiente in zehn Jahren 52 Millionen Franken Fixgehalt, aber keine Boni und gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Niedergang der Bank.
Werden Clawbacks gesetzlich verankert, könnte das den Banken helfen, sie umzusetzen, falls sich Angestellte dagegen wehren. Denkbar wäre auch, dass die Finanzmarktaufsicht (Finma) die Möglichkeit hätte, Clawbacks anzuordnen. Möglicherweise hätte die Raiffeisen-Bank Geld von ihrem Ex-Chef Pierin Vincenz eingefordert.
Die wichtigste Frage ist aber, ob das Instrument etwas nützt. Die wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Clawbacks eine positive Wirkung auf das Risikoverhalten von Bankern haben, ist dünn. Der Archegos-Unfall der Credit Suisse ist ein besonders teures Anschauungsbeispiel dafür.
Boni stärker an Unternehmenserfolg koppeln
Schon heute werden Boni zu weiten Teilen in Form von Aktien ausbezahlt, die der oder die Angestellte erst nach einer Sperrfrist erhält. Bei der Credit Suisse dauerte diese drei Jahre.
Der Bundesrat will, dass eine solche Regelung im Gesetz festgeschrieben wird. Dort könnte stehen, wie hoch der Anteil Aktien an den Boni und wie lange die Frist sein muss. Zumindest betreffend die Sperrfrist bewegt sich die UBS allerdings heute schon an der oberen Grenze: Sie beträgt dort fünf Jahre.
Anders als aus verschiedenen Parteien gefordert, will der Bundesrat dagegen keine Beschränkungen, was die Höhe von Boni angeht.
Klare Verantwortlichkeiten
Bei der Credit Suisse sei teilweise unklar gewesen, wer für welche Aufgaben die Verantwortung getragen habe, lautet der Konsens vieler Beobachter in der Rückschau. Solche Verhältnisse will der Bundesrat mit einer neuen Regulierung, in der Fachsprache Senior Managers Regime genannt, künftig verhindern.
Die zuständigen Chefs und Chefinnen müssen dabei nachweisen, dass sie alle nötigen Schritte unternehmen, um den jeweiligen Geschäftsgang zu kontrollieren. Nach einem Schadensfall könnte die Aufsicht leichter Verantwortliche ausfindig machen und allenfalls sanktionieren.
«All das wäre heute schon möglich», kritisiert Bankenprofessor Kunz. Tatsächlich hat die Finanzmarktaufsicht bereits die Möglichkeit, zum Beispiel Berufsverbote auszusprechen. Die Hoffnung scheint zu sein, so interpretiert es unter anderem die Bankiervereinigung, dass eine stärkere gesetzliche Grundlage der Aufsicht auf die Sprünge hilft.
An den Pranger stellen
Die Finanzmarktaufsicht sah dem Sturzflug der Credit Suisse nicht nur zu, sie versuchte auch zu korrigieren: Allerdings stiess sie bei ihren Eingriffen oft auf taube Ohren. Gern hätte sie die Öffentlichkeit über ihre Aktivitäten informiert, um ihren eigenen Ruf zu schützen und der Credit Suisse einen zusätzlichen Anreiz zur Kooperation zu liefern. Das ist jedoch in der Schweiz rechtlich kaum möglich.
Der Bundesrat will das ändern. Die Aufsicht dürfte dabei aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes darauf verzichten, einzelne Personen zu nennen. Ausnahmen sind allerdings für die höchsten Hierarchiestufen denkbar. Die Bankiervereinigung blickt skeptisch auf dieses Vorhaben. Oliver Buschan, verantwortlich für Finanzmarkt und Regulierung, sagt: «Es besteht die Gefahr, dass so Personen vorverurteilt werden.»
Grundsätzlich hält Buschan die Vorhaben des Bundesrats, einzelne Entscheidungsträger stärker in die Pflicht zu nehmen, allerdings für vertretbar. «Wir können damit leben und gehen davon aus, dass das Parlament die neue Regulierung mit Augenmass umsetzt.»
Die Banker zittern also nicht. Bankenprofessor Kunz kritisiert: «Der Bericht des Bundesrats ist nicht mehr als ein Papiertiger. Die meisten seiner Vorhaben betreffend die Verantwortung von Einzelpersonen könnten schon mit heutigem Recht umgesetzt werden, wenn die handelnden Personen nur wollten.»
Eine harte Umsetzung der Pläne des Bundesrats ist zudem nicht zu erwarten. Viele Parlamentarier, die sich noch vor einem Jahr für eine harte Regulierung der neuen UBS ausgesprochen haben, sind seither von ihren Forderungen abgerückt.
Bis sie ihre ersten Entscheidungen dazu treffen werden, wird noch viel mehr Zeit vergehen. Weil er noch die Erkenntnisse der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Ende der Credit Suisse abwarten will, wird der Bundesrat die Vorlagen erst kommendes Jahr ins Parlament schicken.
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