Nach Suspendierung der MilitärhilfeWie viel Geld floss von den USA in die Ukraine? Und was steuert Europa bei?
Washington unterstützte Kiew bisher nicht nur mit den höchsten Geldbeträgen, sondern auch mit exklusivem Kriegsmaterial. Die Sistierung ist für Präsident Selenski ein herber Verlust.

- Trump will sämtliche militärische Unterstützung für die Ukraine sofort einstellen.
- Es gibt Zweifel über die von Trump genannten Hilfssummen der USA.
- Europa hat insgesamt mehr finanzielle Unterstützung für die Ukraine geleistet.
- Der Stopp der US-Hilfen wird die ukrainische Luftabwehr erheblich schwächen.
Seit dem erneuten Amtsantritt von Donald Trump als amerikanischer Präsident Mitte Januar ist die US-Militärhilfe für die Ukraine zu einem Dauerthema geworden. Bereits während des Wahlkampfs hatte Trump die milliardenschweren Hilfspakete infrage gestellt.
Nach dem Wortgefecht mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski vom vergangenen Freitag im Weissen Haus will Trump seine Drohung nun umsetzen: In der Nacht auf Dienstag kündigte er an, sämtliche militärische Unterstützung für die Ukraine per sofort einzustellen.
Die entscheidenden Fragen sind nun: Wie viel Geld floss überhaupt von den USA in die Ukraine? Und in welchem Verhältnis stehen diese Beträge zu Hilfszahlungen anderer unterstützender Länder?
Trump widerspricht US-Verteidigungsministerium
Donald Trump hatte vergangene Woche gegenüber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron behauptet, die USA hätten die Ukraine seit Kriegsbeginn mit 300 bis 350 Milliarden Dollar (ungefähr 280 bis 330 Milliarden Euro) unterstützt. Ob sich die US-Hilfszahlungen aber tatsächlich in dieser Höhe bewegen, ist fragwürdig. Gemäss der Investigativabteilung der britischen BBC gibt es keine Beweise, welche diese Zahl stützen.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft etwa hat die US-Hilfszahlungen an die Ukraine berechnet und kam dabei auf eine wesentlich geringere Zahl: Zwischen Januar 2022 und Dezember 2024 haben die USA demnach umgerechnet 114,2 Milliarden Euro für die Ukraine aufgewendet – also weniger als halb so viel, wie Trump behauptet hatte.
Gemäss dem US-Verteidigungsministerium wiederum wurden bisher umgerechnet 174 Milliarden Dollar für die Ukraine bewilligt. Bei diesem Betrag sind jedoch auch das US-Militärtraining in Europa sowie das Auffüllen der amerikanischen Verteidigungsbestände berücksichtigt.
Eine Anfrage der BBC, weshalb sich Trumps Aussage derart von den offiziellen Angaben des eigenen Verteidigungsministeriums unterscheide, blieb unbeantwortet.
USA sind wichtigster Geldgeber für die Ukraine
Unabhängig davon, welche der aufgeführten Zahlen der Wahrheit am nächsten kommt: Tatsache ist, dass die USA bisher die mit Abstand grössten Einzelspenden an die Ukraine getätigt haben. Fakt ist aber auch: Werden alle aus Europa gesprochenen Beträge zusammengezählt, übersteigt dies gemäss dem Kieler Institut für Weltwirtschaft jenen Betrag, den die Vereinigten Staaten aufgewendet haben.
Die berechnete Zahl umfasst sowohl jene Hilfsgelder, die direkt von der Europäischen Union kommen, als auch Beiträge aus bilateralen Abkommen mit europäischen Ländern sowohl innerhalb als auch ausserhalb der EU. Die Unterstützung umfasst militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe.
So hat Europa gemäss Angaben des Forschungszentrums zwischen Januar 2022 und Dezember 2024 insgesamt 132 Milliarden Dollar für die Ukraine ausgegeben.
Nach dem Stopp der US-Unterstützung müssen die Europäische Union und die europäischen Länder nun abwägen, inwiefern sie den Ausfall ausgleichen können. Denn das würde eine signifikante Erhöhung ihrer Beiträge erfordern.
Gemäss der Einschätzung von Moritz Schularick, dem Präsidenten des Kieler Instituts, wird Europa die Ukraine aus eigener Kraft unterstützen können, wenn die USA ausfallen. Auch wird sich Europa aus eigener Kraft verteidigen und Russland abschrecken können.
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Seine Aussagen begründet er auf der Social-Media-Plattform Linkedin damit, dass «aus ökonomischer und finanzieller Sicht» eine zusätzliche Unterstützung aus Europa «ohne weiteres möglich» sein sollte. Die EU habe ein höheres Bruttoinlandprodukt, viel mehr Einwohnende und eine massiv grössere Industrieproduktion als Russland.
«Wenn Europa zusammensteht, ist es viel stärker», schreibt Schularick. Aber: «Es braucht politischen Willen.»
Welche Waffen der Ukraine nun bald fehlen
Der Stopp der US-Militärhilfen wird gemäss dem russischen Exilmedium «Meduza» insbesondere in der Luftabwehr erhebliche Konsequenzen für das Waffenarsenal der Ukraine haben. Im April 2023 erhielt die Ukraine ein erstes sogenanntes Patriot-System, weitere folgten bald.
Diese Mehrfachraketenwerfer, die in den USA produziert werden, spielen eine zentrale Rolle beim Abfangen russischer ballistischer und Hyperschallraketen. Ohne Nachschub könnte die ukrainische Armee bald gezwungen sein, strategische Entscheidungen zu treffen und bestimmte Flanken ungeschützt zu lassen.
Ähnliche Herausforderungen bestehen bei anderen Mehrfachraketenwerfern. Für die Typen Himars und MLRS, welche die Ukraine gegen Russland einsetzt, werden die Geschosse ausschliesslich in den USA hergestellt.

Seit Beginn des Krieges hatten die USA der Ukraine GMLRS-Raketen geliefert, die eine Reichweite von bis zu 90 Kilometern haben. Im Frühling 2024 lieferte die Biden-Regierung erstmals zusätzlich sogenannte Atacms-Raketen aus, die gar bis zu 300 Kilometer weit reichen und Ziele weit hinter den Fronten treffen können.
Die Frage bleibt deshalb offen, ob Kiew nach dem Stopp der US-Lieferungen noch in der Lage sein wird, russische Logistikzentren und Truppenstützpunkte tief im gegnerischen Territorium anzugreifen.
Nicht zuletzt hat die US-Regierung auch angekündigt, Erkenntnisse ihrer Geheimdienste nicht mehr mit der Ukraine zu teilen. Dies wäre ein massiver Verlust, da europäische Geheimdienste in vielen Bereichen deutlich hinter den USA zurückbleiben.
Abschaltung von Starlink wäre wohl verkraftbar
Wegen der angespannten Situation wäre es denkbar, dass Elon Musk seine Internet-Infrastruktur Starlink in der Ukraine einschränkt oder ganz sperrt. Diese Massnahme würde der Ukraine mutmasslich nicht nachhaltig schaden. Weil das System schon seit längerem immer wieder unzuverlässig funktioniert, wird in Kiew offenbar eine eigene Alternative erarbeitet.
Ein ukrainischer Spezialist für elektronische Kriegsführung sagte kürzlich, alle Militärs hätten «verstanden, dass es falsch war, sich auf die militärische Kommunikation zu verlassen, die auf der kommerziellen Infrastruktur eines anderen Landes aufbaut, die sich unserer Kontrolle entzieht».
Ausserdem könnte Europa aushelfen, falls Starlink abgeschaltet würde, bevor die ukrainische Alternative bereit ist. Das EU-weite Satelliten-Netzwerk Govsatcom ist voraussichtlich Ende 2025 betriebsbereit.
PD/chh
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