Schweizer Speed-TeamTrügt etwa das schöne Bild von Wengen?
Die einheimischen Skifahrer fluteten in Super-G und Abfahrt die Top 10 – das macht zuversichtlich für die Zeit nach Beat Feuz. Aber nicht nur.
Wenn nur dieser verflixte Norweger nicht wäre. Ein mancher auf dem Dorfplatz von Wengen dürfte das gedacht haben, als am Samstagabend wieder er die oberste Stufe des Podests bestieg und hinunterblickte auf das rot-weisse Fahnenmeer, das eigentlich für die Schweizer Skifahrer bestimmt war: Aleksander Kilde, Draufgänger und Abfahrtsdominator dieser Saison. Ein Mann, der alles mit einem Lächeln zu beantworten scheint – immerhin das, die Sympathien der Fans sind ihm so trotz allem gewiss.
Gleich zweimal stand der 30-Jährige den Einheimischen an diesem Rennwochenende im Berner Oberland vor der Sonne – auch wenn das Bild etwas hinkt, zeigte sich diese doch nur am Freitag beim Super-G. Kilde strahlte da mit ihr um die Wette, nachdem er sich im Zielraum beim Publikum dafür entschuldigt hatte, dass er Stefan Rogentin und Marco Odermatt auf die Ränge 2 und 3 verdrängt hatte. Am Samstag verhinderte er dann den ersten Abfahrtssieg des Schweizer Ski-Superstars.
Weil gleichzeitig auch noch Beat Feuz aus Wengen verabschiedet wurde, dieser Gefühlsfahrer aus dem Emmental, der so leichtfüssig und kompakt die Pisten hinunterraste wie wohl keiner vor ihm, könnte das Bild der Speedrennen von Wengen leicht getrübt sein. Doch es ist alles andere. Zwar fehlte ein Sieg in Super-G und Abfahrt, aber eben nur der Sieg.
Feuz mit dem Namensexzess
Die Dichte, mit der das Schweizer Speedteam Spitzenränge erreichte, verleitete manch einen Betreuer zu kleinen Jubelarien. Im Super-G stand hinter sechs der ersten elf Namen ein Schweizer Kreuz; in der Abfahrt waren es sechs von dreizehn. Es sind Ranglisten, die Feuz im Zielraum von Wengen schon fast exzessiv Namen hinunterrattern liessen.
Odermatt gehöre ja in jeder Abfahrt zu den «Topkandidaten», begann er seine Aufzählung, die über Niels Hintermann, Gilles Roulin, Stefan Rogentin bis zu Alexis Monney führte – «er hat Jahrgang 2000», dies wollte Feuz auch noch betont haben nach seinem 5. Abfahrtsrang. Als müsste er sein Gewissen beruhigen, bevor er am nächsten Samstag in Kitzbühel mit 35, nach über 16 Jahren im Weltcup und mit Medaillen und Kugeln überhäuft, die Skibühne verlässt. «Mit all diesen Fahrern werden wir noch viel Freude haben, da ist es egal, wenn der Feuz dann weg ist.»
Die Rennen von Wengen lassen tatsächlich auf eine rosige Zukunft der Schweizer Schnellfahrer schliessen – auch ohne ihren langjährigen Leader. Doch es bleibt ein kleines Aber: Das Lauberhorn war schon oft der Berg, an dem die einheimischen Athleten glänzten wie nirgends sonst – in der Heimat übertünchten sie oft allerlei Probleme.
2015 feierten die Schweizer letztmals überhaupt im Weltcup ein Teamergebnis, wie es das am Freitag und am Samstag gab. Der Österreicher Hannes Reichelt verhinderte damals einen Dreifacherfolg durch Beat Feuz, Carlo Janka und Patrick Küng – natürlich: in der Lauberhornabfahrt. Gar sieben Schweizer fanden sich da unter den ersten zwölf, Janka sprach von einem «magischen Ort», Küng sagte: «Jetzt gilt es für uns, das gute Mannschaftsergebnis nach Kitzbühel mitzunehmen.» Es ist genau das, was immer wieder zur Krux wurde für die Schweizer: das Ergebnis von Wengen zu bestätigen.
Nach dem Fest der grosse Kater
In jenem Winter 2014/15 war Feuz’ 2. Rang von Beaver Creek der einzige Podestplatz für die Speedfahrer gewesen vor den Fahrten im Berner Oberland. Und eine Woche nach dem gigantischen Skifest? Folgte auf der Streif von Kitzbühel der grosse Kater: Küng war als Siebter der Beste seines Teams, Feuz als 15. der Zweitbeste. Janka? 22. Der Rest: nicht in den Top 30.
Ende Winter klassierten sich Feuz und Küng im Abfahrtsranking auf den Plätzen 7 und 8, mit halb so vielen Punkten wie Sieger Kjetil Jansrud. Mit Küngs WM-Gold in Beaver Creek gab es immerhin einen Glanzpunkt. Und doch zeigte jene Saison im Extremen auf, was es im Kleinen oft gab: dass Wengen eine Ausnahme ist für die Schweizer.
So könnte der Blick zurück mahnend wirken für die jetzige Generation an Tempobolzern, die Beat Feuz beerbt – und sie gleichzeitig zuversichtlich stimmen, dass nun vieles stabiler wirkt im Schweizer Team. Das liegt natürlich vor allem an Odermatt, der bei den bisherigen sechs Abfahrten erst zweimal knapp das Podest verpasste, in den vier Super-G sogar nie, zwei davon gewann er. Mit Niels Hintermann folgt ein Athlet, der zu einer Konstanz gefunden hat, die ihn regelmässig in die Top 10 führt. Rogentin, der Mann der kleinen Schritte, ist angekommen in der Weltspitze, sein ruhiges Naturell dürfte dafür sorgen, dass das so bleibt. Roulin ist immer wieder Kandidat für die Top 10 – und Monney das grosse Talent.
Schon am Freitag können sie alle in der Abfahrt von Kitzbühel beweisen, dass sie das Lauberhorn nicht benötigten, um etwas zu beschönigen. Sondern dass das die Schweizer Speed-Realität ist.
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