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Streit um Sozialabgaben
So wollen Politiker Abgaben aufs Trinkgeld verhindern

Gastro Geschichte über Trinkgeld.
Gäste bezahlen im Nooch Asian Kitchen und Roter Delfin.
Trinkgeld-Umfrage: Wie das bargeldlose Zahlen zuerst das Trinkgeld schrumpfen und nun wieder steigen liess
Über Kontaktloses-Bezahlen und die neue Trinkgeld-Funktion.
22.12.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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In Kürze:
  • Trinkgelder werden zunehmend digital bezahlt, was steuerrechtliche Fragen aufwirft.
  • Eine Motion fordert, dass auf Trinkgeld keine Abgaben fällig werden.
  • Das Bundesamt für Sozialversicherungen prüft die geltenden Regelungen.
  • Ein Arbeitsrechtler warnt vor einer Sonderregelung in der Gastronomie.

Es ist derzeit eines der wichtigsten Gesprächsthemen in den Gastrostuben des Landes: Werden Trinkgelder bald abgabepflichtig oder nicht?

Und das Thema hat nun eine politische Dimension bekommen. In einer Motion fordern der Genfer Mitte-Nationalrat Vincent Maitre und mehrere seiner Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Parteien den Bundesrat dazu auf, die Gesetze so anzupassen, dass auf Trinkgelder in der Gastronomie zukünftig weder Abgaben noch Einkommenssteuern fällig werden. Konkret schwebt ihnen eine Änderung des AHV-Gesetzes und des Gesetzes über die direkte Bundessteuer vor.

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Bisher ging das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) davon aus, dass das Trinkgeld in der Gastronomie kein wesentlicher Lohnbestandteil sei, da der Service im Preis inbegriffen ist. Entsprechend wurde das Trinkgeld auch nicht kontrolliert. Das Problem: Seit dieses vermehrt digital bezahlt wird, zeigt sich im einen oder anderen Restaurant, dass das Trinkgeld eine ordentliche Höhe erreichen kann – zehn Prozent des Lohnes oder mehr.

Gastroverbände warnen vor Abgaben

Weil einige Gastronomen nun befürchteten, gegen geltendes Recht zu verstossen, kündigte das BSV an, die aktuelle Regelung bis im Herbst zu überprüfen. Dabei geht es um die Frage, ob es sinnvoll wäre, eine konkrete Prozentzahl, beispielsweise zehn Prozent, zu definieren, ab der Trinkgeld abgabepflichtig ist.

Die Gastroverbände warnen, Abgaben auf Trinkgeld würden die Branche unattraktiv machen und zu mehr Bürokratie führen. Verfechter einer klaren Regelung, wie das Gastrounternehmen Familie Wiesner Gastronomie, argumentieren hingegen, dass die Abzüge auch zu einer besseren Altersvorsorge der Gastro-Angestellten führen würden.

Manch einer aus der Branche wünschte sich deshalb, dass das BSV einfach zum Schluss komme, dass der Status quo vorzuziehen und keine weitere Regulierung nötig sei.

Maitre und Co. verlangen mit ihrer Motion nun aber so etwas wie eine ultimative Klärung des Sachverhalts. «In einer Zeit des Fachkräftemangels ist es nicht gut, die Branche durch abschreckende Massnahmen wie diese noch weiter zu bestrafen», erklärt der Motionär auf Anfrage.

Wenn ein Kunde ein Trinkgeld gebe, sei dies vielmehr eine Form der Spende, so Maitre. In einer Branche, in der die Einkommen eher niedrig seien, sorge es für eine Verbesserung der Situation. Geht es nach den Motionären, soll also zukünftig das Servicepersonal weder Einkommenssteuer aufs Trinkgeld bezahlen noch der Wirt Sozialabgaben. Auch das BSV äussert sich nun vorerst nicht zum Thema und wartet die Stellungnahme des Bundesrats ab, wie das Bundesamt auf Nachfrage mitteilt.

Arbeitsrechtler warnt vor Gesetzesanpassung

Für den emeritierten Arbeitsrechtler Thomas Geiser würde mit einer Gesetzesanpassung die Büchse der Pandora geöffnet werden. «Ob Verwaltungsrat oder Sexarbeiterin: Das Einkommen in der Schweiz ist AHV-pflichtig.» Bisher habe man einfach bei der Gastronomie ein Auge zugedrückt, weil man theoretisch davon ausging, die Einnahmen durchs Trinkgeld seien so klein, dass der Aufwand für den Einzug der Abgabe in keinem Verhältnis zum Aufwand stünde, sagt Geiser. «Doch die Gastronomie ist eben nicht die Autogarage, wo der Garagist vielleicht von jedem zehnten Kunden für den Pneuwechsel Trinkgeld bekommt.»

In der Gastronomie sei das Trinkgeld für die Angestellten oft lohnrelevant, zeigt sich Geiser überzeugt. Es sei sehr heikel, dass man nun plötzlich für einen Teil des Einkommens in einer einzelnen Branche eine gesetzliche Spezialregelung suche. «Und andere Branchen würden vielleicht bald ähnliche Forderungen stellen. Möglicherweise würde sich der Anwalt dann zukünftig auch gerne einen Teil seines Lohns als Trinkgeld ausbezahlen lassen», bemerkt der Jurist Geiser spitz.