Kommentar zur Gastro-DebatteEine Abgabe aufs Trinkgeld ist realitätsfremd
In der Branche geht die Angst um, dass künftig auf die Trinkgelder der Angestellten Steuern bezahlt werden müssen. Ein unmögliches Unterfangen.
Weil Trinkgeld immer häufiger elektronisch bezahlt und so in der Buchhaltung sichtbar wird, hat in der Schweiz eine Debatte begonnen, ab welcher Höhe Trinkgeld eigentlich abgabepflichtig ist.
Denn Stand jetzt geht das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) davon aus, dass Trinkgelder keinen «wesentlichen Anteil» des Arbeitsentgelts bei Gastrobetrieben ausmachen, da der Service ja dort bereits im Preis inbegriffen ist. Abweichungen seien vorbehalten. Das ist schwammig und heisst wohl übersetzt: Das Luxushotel in Davos, dessen Kellnerinnen und Kellner stets einen grossen Batzen Trinkgeld einnehmen, müsste dafür vermutlich Sozialabgaben bezahlen, alle anderen nicht.
Müsste. Denn ein konkreter Betrag, ab wann Trinkgeld wesentlich ist, wird vom BSV nicht genannt. Einige Gastronomen haben nun trotzdem Klärungsbedarf, sie fürchten, dass sie nach einer Kontrolle plötzlich mit Nachforderungen fürs Trinkgeld konfrontiert werden.
Schwierige Kontrolle, diverse Schlupflöcher
Das BSV hat deshalb angekündigt, die geltende Praxis zu überprüfen, mit offenem Ausgang. Schon geht die Angst bei anderen Gastronomen vor einer Verschärfung um, verbunden mit der Sorge vor mehr Bürokratie und unattraktiveren Arbeitsplätzen. Verbandsvertreter machen in Bern deshalb Druck.
Mit Verschärfungen ist aber nicht zu rechnen, und die Gründe liegen auf der Hand: Die aktuelle Regelung ist zwar schwammig, wirklich konkretisieren lässt sie sich aber fast nicht. Denn wird ein konkreter Betrag oder ein Prozentsatz festgelegt, ab dem Trinkgeld abgabepflichtig ist, wird der Gastronom vermutlich dafür sorgen, dass bei ihm ab einem gewissen Betrag kein elektronisches Trinkgeld mehr angenommen wird. Zudem gibt es auch beim Trinkgeld saisonale Schwankungen, mal bekommt man mehr, mal weniger, einmal wären darauf also Abgaben fällig und einmal nicht – sehr anspruchsvoll, dies von ausserhalb zu durchschauen.
Dazu kommt die schwierige Kontrolle und Durchsetzung einer solchen Regelung. Dafür sind wohl auch den Sozialversicherungen die Ressourcen zu schade. Es wird also wohl der Status quo beibehalten, alles andere wäre eine Überraschung.
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