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Tesla-Fabrik bei Berlin
Das Volk sagt Elon Musk «Nein»

FILE - Model Y electric vehicles stand on a conveyor belt at the opening of the Tesla factory in Berlin Brandenburg in Gruenheide, Germany, Tuesday, March 22, 2022. Tesla production stands still because of The armed conflicts in the Red Sea and the associated shifts in transport routes between Europe and Asia. (Patrick Pleul/Pool via AP, File)
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Mit 70 Prozent beteiligten sich so viele Bürgerinnen und Bürger wie selten, und auch das Verdikt liess an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: 3499 stimmten gegen die geplante Erweiterung des Tesla-Werks in ihrer Gemeinde im Südosten von Berlin, nur 1882 waren dafür.

Der US-Elektroauto-Bauer wollte in Grünheide sein 300 Hektaren grosses Gelände um 170 Hektaren vergrössern. 100 Hektaren Wald hätten dazu zusätzlich gerodet werden müssen. Die Erweiterung hätte vor allem dem Ausbau der Infrastruktur gedient, ein Güterbahnhof, Lagerhallen und eine Kita für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten entstehen.

Die Gemeinde will sich an das Votum halten

Der Volksentscheid ist für die Gemeinde nicht bindend, hat also im Grunde nur den Charakter einer Umfrage oder Empfehlung. Dennoch will sich der parteilose Bürgermeister von Grünheide an das Votum halten. Der vorliegende Bebauungsplan, sagte Arne Christiani am Dienstagabend, werde so von der Gemeindeversammlung jedenfalls nicht mehr beschlossen werden.

Jörg Steinbach, Wirtschaftsminister des Bundeslandes Brandenburg, in dem Grünheide liegt, würdigte die hohe Stimmbeteiligung als ein «Zeichen gelebter Demokratie», bedauerte aber deren Ausgang. «Das Ergebnis sollte als Motivation für Tesla und die Gemeinde verstanden werden, die noch nicht gelösten Probleme und Sorgen mit überzeugenden Argumenten aufzulösen», sagte der Sozialdemokrat dem Berliner «Tagesspiegel».

Tesla: Hätten 1000 LKW-Fahrten einsparen können

Auch Tesla bedauerte den Entscheid. Man sei überzeugt, dass die Gemeinde von den Verbesserungen der Infrastruktur enorm profitiert hätte, teilte der Konzern mit. Durch die Verlagerung des Werksverkehrs auf die Schiene hätten 1000 Lastwagenfahrten am Tag eingespart werden können.

20.02.2024, Brandenburg, Grünheide: Mitarbeiterinnen der Gemeinde Grünheide beginnen mit der Auszählung der Briefwahl der Bürgerbefragung zur Tesla-Erweiterung. Das Ergebnis einer Bürgerbefragung in Grünheide bei Berlin über die Pläne des Autobauers Tesla zur Erweiterung des Fabrikgeländes soll an diesem Dienstag bekannt gegeben werden. Die Frist für die Stimmabgabe endete am vergangenen Freitag. Tesla will neben dem 300 Hektar großen Werksgelände auf zusätzlichen rund 170 Hektar einen Güterbahnhof, Lagerhallen und einen Betriebskindergarten errichten. Dafür sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Patrick Pleul)

Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide hingegen jubilierte: «Wenn man die Bürger nicht einbezieht, dann braucht man sich über ein solches Ergebnis nicht wundern.» Tatsächlich war es das erste Mal, dass die Bevölkerung vor Ort direkt ihre Meinung zu Tesla kundtun konnte.

Elon Musk hatte die erste Giga-Factory seines Konzerns in Europa, eine der grössten und modernsten Autofabriken Deutschlands, vor vier Jahren in Rekordzeit hochgezogen, nach Kräften unterstützt von der Gemeinde Grünheide, der brandenburgischen Regierung und Verwaltung.

Von Anfang an gab es Kritik an der Fabrik

Von Beginn an hatte es aber auch Kritik und Proteste von Anwohnerinnen und Anwohnern gegeben, die den hohen Wasserverbrauch der Fabrik beklagten sowie die Belastung für die Umwelt. Nachdem das Tesla-Werk im März 2022 in Betrieb ging, häuften sich Berichte über Arbeitsunfälle, umweltschädliche Havarien und Schikanen gegen gewerkschaftliche Mitbestimmung. Immer häufiger hatte selbst die brandenburgische Landesregierung von Tesla mehr Verantwortungsgefühl und Transparenz eingefordert.

Die Opposition in Grünheide sieht das Votum an der Urne denn auch als Wende: «Das Nein zeigt: Jetzt ist Schluss mit undemokratischen Ausnahmegenehmigungen und dem skandalösen Hinwegsehen über Umwelt- und Arbeitsverstösse», sagte die Aktivistin Lou Winters. «Jetzt heisst es, Tesla ganz den Hahn abzudrehen!»

Eine Verdopplung ist bereits so gut wie beschlossen

In Wahrheit ist die Erweiterung der Infrastruktur, über die gerade abgestimmt wurde, nur ein Nebenschauplatz. Auf der Hauptbühne, ungehindert von lästigen Volksbefragungen, lässt sich Tesla gerade die schnelle Verdopplung der Kapazität des Werks genehmigen: von 500’000 auf eine Million Autos im Jahr, von 12’500 auf 22’500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Opposition vor Ort hatte dagegen mehr als 1000 Einwände eingebracht, blieb der öffentlichen Anhörung im Oktober letzten Jahres aber demonstrativ fern. Die Verdopplung sei längst beschlossen, so ihre Kritik, die Mitwirkung blosses Theater. Das Votum an der Urne legt es nun offen: Trotz Tausenden von neuen Arbeitsplätzen und hohen Steuereinkünften für Gemeinde und Land nehmen die Leute vor Ort den US-Autobauer eher als Fluch denn als Segen wahr.