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Meinung

Gastbeitrag zu Temu und Shein
Onlinehandel braucht mehr als Heimatschutz

Symbolbild: Eine Person shoppt mit ihrem iPad auf der Temu-APP, fotografiert am Freitag, 1. Maerz 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Bevor der Durchbruch des Onlinehandels nur halbwegs verdaut ist, steht durch chinesische Shop-Plattformen wie Shein und Temu der nächste, noch einschneidendere Strukturwandel an. Diesmal geht es nicht um einen anderen Vertriebskanal, sondern um völlig neue Geschäftsmodelle und Preiskämpfe im Extrembereich. So extrem, dass selbst die sonst regulierungsskeptischen Schweizer Händler um Marktanteile oder gar ihre Existenz fürchten und an die Politik appellieren.

Im Kern hat diese drei Optionen: Die schlechteste wäre die Fortsetzung des bisherigen Laisser-faire mit der unbegründeten Hoffnung, der Konsumgütermarkt regle das von allein. Auf diesem Kurs würden die Verkäufe kurzlebiger Ware weiter steigen und das Preisniveau und die Wertschöpfung noch schneller sinken. Diesem Trend dürften weitere etablierte Händler zum Opfer fallen.

Durch die Appelle steigt jedoch die Aussicht, dass auch die Schweizer Politik noch aufwacht und zumindest die stossendsten Wettbewerbsvorteile der asiatischen Onlinehändler beseitigt. Im Fokus steht hier die Schliessung von Lücken bei Zollkontrollen und Mehrwertsteuer.

Erfolg durch Ignorieren jeglicher Standards

Haupterfolgsfaktoren von Temu und Shein sind aber nicht diese Schlupflöcher, sondern ihre ultraeffiziente Vertriebs- und Produktionsweise sowie das Fehlen qualitativer, ökologischer und sozialer Mindeststandards. Solange staatliche Stellen hier nichts ändern, steigt der Anpassungsdruck. So baut Amazon bereits an einer Discount-Plattform mit Direktversand aus China. Und Marktführer Inditex hat die neue Billigmarke «Lefties» lanciert. Die Branche dreht in einer Negativspirale, der Preiskampf wird noch härter.

Um nicht bloss Schadensbegrenzung zu betreiben, muss die Politik über eine Lex Temu/Shein hinausgehen und die Mindestanforderungen für alle anheben. Dafür gibt es viele Ansätze. Naheliegend wäre zunächst die Stärkung des behördlichen Wettbewerbs- und Konsumentenschutzes, damit dieser auch auf eigene Initiative gegen manipulatives Marketing und unfaire Preissetzung vorgehen kann.

Transparenzpflichten für die Lieferketten, Produktionsbedingungen und Umweltimpacts würden ausbeuterische Zustände verringern und Konsumierenden jene Informationen liefern, die sie für bewusste Kaufentscheide brauchen. Mindestgarantiefristen, Ecodesign-Anforderungen oder eine Lenkungsabgabe auf neue Artikel zur Förderung von Reparatur und Wiederverwertung würden Ramschware aus dem Markt drängen.

So dramatisch die aktuellen Disruptionen auch sind: Sie bergen die Chance, die Weichen im Konsumgütermarkt endlich in Richtung Nachhaltigkeit zu stellen. Dazu gehört, nicht so zu tun, als beschränkten sich die Probleme in diesem Risikosektor auf die ausländischen Plattformen. Um den ökologisch wie sozial verheerenden Trend zum Billigsten, Schnellsten und Rücksichtslosesten aufzuhalten, müssen Parlament und Bundesrat nicht nur für gleiche Spiesse, sondern auch für faire Spielregeln sorgen.

David Hachfeld ist Textilexperte bei der NGO Public Eye.