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Brisantes Meeting 
Taiwans Präsidentin trifft US-Speaker McCarthy – China reagiert wütend

Formal befand sich Tsai Ing-wen nur auf der Durchreise – als offizieller Besuch wurde das Treffen mit Kevin McCarthy nicht deklariert.
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Die Nervosität war gross vor ihrem Treffen mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen liess sich nach ihrer Ankunft in Los Angeles noch mal von ihren Mitarbeitern die Sicherheitslage in ihrer Heimatregion erläutern, wie ihr Büro berichtete. Kein Wunder, hatte China doch auf das letzte Treffen von Tsai mit McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi vergangenen August mit heftigen Militärmanövern reagiert und unter anderem Raketen über die Insel gefeuert.

Um eine erneute Eskalation zu verhindern, hatte die taiwanische Präsidentin diesmal Berichten zufolge darauf bestanden, McCarthy nicht in Taipeh, sondern in dessen Heimatland zu treffen. Die Zusammenkunft mit der protokollarischen Nummer drei der USA und weiteren Abgeordneten von Republikanern und Demokraten fand dann am Mittwoch in der Ronald-Reagan-Präsidentenbibliothek in der Stadt Simi Valley nordwestlich von Los Angeles statt. Sie war nicht als offizieller Besuch deklariert worden, sondern formal befand sich Tsai nur auf der Durchreise von einem Besuch bei Verbündeten in Zentralamerika zurück nach Taiwan. (Lesen Sie weiter: Peking warnt Biden vor «katastrophalen Folgen seiner Politik)

Wie die meisten Länder der Welt erkennen auch die USA die demokratisch regierte Insel nicht offiziell als souveränen Staat an. Und die Regierung in Peking achtet eifersüchtig darauf, dass nur sie als legitime Vertretung Chinas angesehen wird. Immer wieder droht sie damit, die von ihr als abtrünnige Provinz angesehene Insel mit Gewalt einzunehmen. Doch so wie sich Peking und Washington zunehmend entfremden, so werden die Beziehungen zwischen Taiwan und dem Westen wieder enger.

«Ich glaube, dass unsere Bindung jetzt stärker ist als zu irgendeinem Zeitpunkt in meinem Leben.»

Kevin McCarthy, Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses

Vor dem Hintergrund von Reagens Präsidentenflugzeug bedankte sich Tsai für die fortwährende Unterstützung der USA für ihr Land. Dies zeige, «dass wir nicht isoliert sind und dass wir nicht alleine sind», sagte sie. «Wir befinden uns wieder einmal in einer Welt, in der die Demokratie bedroht ist», fügte sie mit Blick auf die Spannungen mit China an. Insbesondere dankte sie den Abgeordneten dafür, dass die USA Taiwans Fähigkeiten zur Selbstverteidigung stärken. Die USA sind Taiwans wichtigster Lieferant von Rüstungsgütern.

Der 58-jährige McCarthy sagte nach dem Treffen: «Ich glaube, dass unsere Bindung jetzt stärker ist als zu irgendeinem Zeitpunkt in meinem Leben.» Er erklärte, die USA müssten die Waffenverkäufe an Taiwan fortsetzen und gleichzeitig die wirtschaftliche Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Handel und Technologie, verstärken. Auf die Frage, ob er im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan ein militärisches Vorgehen der USA unterstützen würde, wich er aus: «Das ist eine hypothetische Frage, zu der wir niemals kommen wollen.»

Chinas Reaktionen weniger deutlich

Das chinesische Aussenministerium verurteilte das Treffen als «geheime Absprachen» und kündigte an, es werde «als Reaktion auf die schwerwiegenden Fehler» entschlossene Massnahmen zum Schutz der nationalen Souveränität und territorialen Integrität ergreifen, berichtete am Donnerstag die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. McCarthy habe mit seinem Vorgehen «mit der von den USA gegenüber China eingegangenen Verpflichtung in der Taiwan-Frage ernsthaft gebrochen».

Bislang blieb die Reaktion Pekings deutlich hinter vergangenem Sommer zurück, als Streitkräfte eine Blockade der Insel simulierten. Dem Verteidigungsministerium in Taipeh zufolge befand sich am Mittwoch ein chinesischer Verband um den Flugzeugträger Shandong vor der Südostküste der Insel. Ausserdem befuhr chinesischen Staatsmedien zufolge ein Verband unter Führung des grossen Patrouillen- und Rettungsschiffs Haixun 06 den nördlichen Teil der Taiwanstrasse, die die Insel vom Festland trennt.

Chinesische Behörden kündigten «Vor-Ort-Inspektionen» von Fracht- und Bauschiffen auf beiden Seiten der Taiwanstrasse an, «um die Sicherheit der Schifffahrt zu gewährleisten und den sicheren und ordnungsgemässen Betrieb von Schlüsselprojekten auf dem Wasser sicherzustellen». Das taiwanische Verkehrsministerium legte umgehend Protest gegen die Kontrollen ein.

Seit den 1990ern sind alle taiwanischen Präsidenten durch die USA gereist.

US-Aussenminister Antony Blinken hatte China vor dem Treffen aufgefordert, «dass Peking den Transit nicht als Vorwand für Massnahmen zur Verschärfung der Spannungen nutzen sollte». Durchreisen von hochrangigen taiwanischen Politikerinnen und Politikern seien nichts Neues. «Sie sind privat, sie sind inoffiziell.» Das gelte auch für entsprechende Treffen. Tatsächlich sind seit den 1990ern alle taiwanischen Präsidenten durch die USA gereist.

Der Termin in Kalifornien war der Höhepunkt von Tsais zehntägiger Reise, die sie unter anderem nach Belize und Guatemala geführt hatte. Die beiden Länder gehören zu den letzten 13 Staaten, die Taiwan noch offiziell anerkennen. Die meisten davon liegen in Lateinamerika und dem Pazifik. Erst Ende März hatte Honduras die Seiten gewechselt und diplomatische Beziehungen zu Peking aufgenommen. Damit haben seit Tsais Amtsantritt 2016 neun Staaten Taiwan die Anerkennung entzogen. Oft spielen dabei wirtschaftliche Motive eine Rolle, Peking lockt mit Investitionen und Handelsvorteilen.

Taiwan vor Präsidentschaftswahl 

Offenbar unabhängig von Tsai bereiste ihr Vorgänger Ma Ying-jeou das chinesische Festland. Es ist die erste derartige Reise eines früheren taiwanischen Präsidenten ins kommunistische China. Formaler Anlass für die in seiner Heimat umstrittene Reise ist das Qingming-Fest, bei dem durch das Fegen der Gräber und Verbrennen von Totengeld der Ahnen gedacht wird. Zusammen mit Studenten besuchte Ma zahlreiche Städte wie Nanjing, Wuhan und Shanghai. Er traf den Leiter des für die Taiwan-Beziehungen zuständigen Regierungsbüros. Daneben besuchte er Gedenkstätten für den Krieg gegen die Japaner sowie den Gründer der Kuomintang, Sun Yat-sen, dessen Partei Ma später anführte.

Die Kuomintang hatten wie die Kommunisten einst gegen die japanischen Besatzer gekämpft, im nachfolgenden Bürgerkrieg jedoch verloren und sich daraufhin nach Taiwan zurückgezogen. Heute gelten sie im Vergleich zu Tsais Demokratischer Fortschrittspartei (DPP) als vergleichsweise Peking-freundlich. Wegen eines Handelsabkommens mit der Volksrepublik kam es 2014 in Taiwan zu Massenprotesten gegen Ma.

Kommenden Januar wählen die Taiwaner einen neuen Präsidenten, wobei Tsai nicht mehr antreten darf. Tsais Wiederwahl 2020 war massgeblich durch das harte Durchgreifen Pekings gegen die Proteste in Hongkong beeinflusst worden. Eine neuerliche militärische Eskalation in der Taiwanstrasse könnte der DPP weitere Unterstützung bringen.