Eiszeit zwischen den USA und ChinaPeking warnt Biden vor «katastrophalen Folgen» seiner Politik
Chinas Präsident Xi richtet ungewohnt scharfe Worte gegen die USA. Dabei versuchen die Amerikaner gerade, die Eskalationsspirale etwas zu bremsen.
Direkte Kritik an den USA pflegt Xi Jinping an die unteren Chargen zu delegieren. Am Montag aber hat Chinas Präsident den Gegenspieler namentlich beschuldigt, seinem Land Schaden zuzufügen. «Westliche Länder, angeführt von den USA, haben China rundum abgeschottet, eingekreist und unterdrückt», sagte Xi vor dem wichtigsten politischen Beratergremium in Peking. Kurz zuvor hatte Aussenminister Qin Gang am Rand des Volkskongresses gewarnt, die China-Politik der Vereinigten Staaten werde «katastrophale Folgen» haben.
Die scharfen Worte des chinesischen Machthabers sind in den USA mit Erstaunen aufgenommen worden. Xi habe sich nationalistischer Rhetorik mit Begriffen aus der Zeit des Kalten Krieges bedient, hielt das «Wall Street Journal» fest. Er habe wohl versucht, von den schlechten Wirtschaftszahlen seines Landes und Fehlern im Umgang mit der Covid-Pandemie abzulenken.
«Ich werde China besteuern, um Amerika aufzubauen.»
Nationalistische Rhetorik ist den Amerikanern indessen nicht gerade fremd. Im Wochentakt jagt gerade das Empörungsbarometer gegen China hoch. Der US-Kongress setzte einen Sonderausschuss dazu ein, und ein US-General sagte einen Krieg auf 2025 an. Kurz darauf liess Joe Biden einen chinesischen Spionageballon vom Himmel schiessen, drei weitere «vorsichtshalber» losgeschickte Raketen trafen wohl harmlose Amateurballone. Das US-Energieministerium und die Bundespolizei FBI gelangten zum Schluss, Sars-CoV-2 sei vermutlich bei einem Laborunfall in China in die Welt gesetzt worden.
Und da sind Politiker wie Donald Trump, der China erneut zu einem zentralen Wahlkampfthema macht. China müsse Entschädigungen zahlen für die Covid-Pandemie, forderte Trump soeben in einem Beitrag im britischen Boulevardblatt «Daily Mail». Bei seiner jüngsten Rede versprach der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat der Republikaner, die Volkswirtschaften der USA und Chinas zu entkoppeln, mit Importzöllen, mit Investitionsverboten sowie mit der offiziellen Herabstufung Chinas vom Status als meistbegünstigter Handelspartner. «Ich werde China besteuern, um Amerika aufzubauen», sagte Trump.
Trump hat als Präsident seine vollmundigen Ankündigungen gegen China zwar nur teilweise umgesetzt. Aber er hat Strafzölle mehrheitsfähig gemacht, und er hat es geschafft, zuerst die amerikanische Öffentlichkeit und danach die Politik auf Konfrontationskurs gegenüber China zu trimmen. Im anstehenden Wahlkampf könnte sich dieses Szenario wiederholen.
Biden geht konsequent gegen China vor
Peking fühlt sich von Washington aber vor allem bedrängt, weil Präsident Joe Biden die Auseinandersetzung deutlich konsequenter weiterführt, als das Trump selbst je getan hatte. Biden hat China zum wichtigsten Konkurrenten erklärt und die nationale Verteidigungsstrategie darauf ausgerichtet. Er hat Schritte eingeleitet, um die Abhängigkeit von China zu verringern, etwa bei der Herstellung von Halbleiterchips.
Biden sagt stets, er wolle Wettbewerb, aber keinen Konflikt. Doch er sorgt auch für eine militärische Konfrontation vor. Dafür hat er die Allianzen der Vereinigten Staaten im Pazifik neu belebt, unter anderem rüstet Biden Australien mit Atom-U-Booten aus. Zudem versucht er, alte Feindschaften in der Region abzubauen, um regionale Bündnisse gegen China zu ermöglichen; erst gerade etwa haben sich Südkorea und Japan einander angenähert.
In der Taiwan-Frage hat Biden die Rhetorik verschärft. Die offizielle Position der USA war lange, dass sie Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs bewaffnen und unterstützen würden. Biden ist inzwischen schon viermal weiter gegangen, indem er sagte, die USA würden Taiwan verteidigen. Stets blieb unklar, was er konkret meinte, ob er sich dabei etwa nur verplapperte. Doch in Peking kam die Botschaft an, dass der Preis für eine Invasion sehr hoch wäre. Eine Botschaft, die Biden Russland derzeit in der Ukraine beibringt.
Ausgerechnet der Republikaner Kevin McCarthy leistet einen Beitrag, um die Eskalationsspirale etwas zu bremsen.
Xis verbale Angriffe kommen nun ausgerechnet in einem Moment, in dem die USA ihre eigene Rhetorik wieder etwas zurückfahren. Bange warnte jüngst Kommentator Fareed Zakaria, die Amerikaner drohten einem gefährlichen Gruppendenken zum Opfer zu fallen, indem die Kommunistische Partei Chinas einstimmig als grösste Bedrohung für die Sicherheit der USA beschrieben werde. Das berge die Gefahr neuer Jahrzehnte des Hochrüstens, der permanenten Krisen und vielleicht gar eines Krieges.
Bezeichnenderweise leistet nun ausgerechnet der Republikaner Kevin McCarthy einen Beitrag, um die Eskalationsspirale etwas zu bremsen. Der Sprecher des Repräsentantenhauses hatte für April eine Reise nach Taiwan vorbereitet. Auf solche Visiten reagiert Peking allergisch. Als McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi im vergangenen Sommer das Land besuchte, antwortete China mit einem grossen Militärmanöver vor der taiwanesischen Küste und feuerte sogar Raketen über die Insel.
Am Montag wurde nun publik, dass Kevin McCarthy auf seinen Besuch in Taiwan verzichtet. Stattdessen trifft er die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen in Kalifornien. Der «Financial Times» sagten taiwanesische Vertreter, sie hätten McCarthy von der Planänderung überzeugt. Offiziell bestätigt ist das bisher nicht, und McCarthy wird sich bestimmt hüten, den Eindruck zu erwecken, er sei ein Duckmäuser. Zumindest nicht gegenüber China.
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