Sweet Home: Stadtspaziergang durch BaselSchokolade zum Frühstück und ein Sonnenuntergang fast im Ausland
In der zweiten Folge der neuen Serie führt uns der Basler Weinhändler Yves Willimann auf eine kulinarische Tour durch Basel und verrät einige seiner Lieblinge.
Kennen Sie dieses ganz besondere Strahlen, das sich bei jemandem zeigt, der von etwas spricht, das er über alles liebt? Auf einmal leuchtet es, die Augen funkeln und ein Lächeln blitzt auf, als hätte man einen Lichtschalter angeknipst. Das geschieht mit meinem Weinhändler Yves Willimann, wenn er von seinen Lieblingsrestaurants erzählt und vom Essen und dem Wein schwärmt.
Yves Willimanns kleinen, feinen Weinladen «Musik und Wein» an der Zürcher Zürichbergstrasse entdeckte ich vor einigen Jahren, als ich in die Nähe zog. Zurück von einer Reise aus Frankreich, wollte ich unbedingt auch daheim französischen Wein kaufen und das in einem solch charmanten Weingeschäft, wie es sie in Frankreich überall gibt. Das kleine Geschäft, das sich direkt neben der Metzgerei befindet, in der ich immer einkaufe, schien mir ein solches zu sein. Doch scheute ich mich erst, denn über Wein zu reden war und ist immer noch nicht so richtig mein Ding. Ich möchte ihn lieber trinken und eine schöne Etikette muss er auch haben. Erst als das Schaufenster voller Champagner war, ging ich rein. Und auf einmal gehörte der Besuch im Weinladen zu meiner samstäglichen Einkaufstour. Es sind immer andere Kunden da und gesprochen wird vor allem über das Essen. Yves Willimann kommt aus Basel, wo auch sein Hauptgeschäft ist und viele der Restaurants, von denen er so strahlend und genussvoll schwärmt. So überredete ich ihn kürzlich, mir doch einmal einige davon bei einem Stadtspaziergang durch Basel zu zeigen. Wir suchten uns einen sonnigen Tag aus und ich reiste mit dem Zug nach Basel.
Yves holt mich am Bahnhof ab und meint, dass wir zuerst in die Produktionsstätte der traditionellen Basler Confiserie Brändli gehen. «Die Champagnertruffes werden nämlich mit meinem Champagner gemacht», erzählt der Weinprofi. So steigen wir ins «Drämli» und fahren in eine ruhige Villengegend. Mitten im schönen, beschaulichen Strassenbild steht ein vanillegelbes Haus, das wirkt wie aus einem Gartenlaubenroman. Meine Frage «Sind wir am richtigen Ort?» wird bald mit einem feinen, dezenten Schokoladenduft beantwortet.
Drinnen in der Vanille-Villa Brändli falten einige Bäcker und Konditoren gerade einen Teig für Croissants, der aus vielen buttrigen Schichten gemacht wird. Es ist das erste Mal, dass ich und auch Yves so direkt sehen, wie das gemacht wird: sehr aufwendig und mit viel Geschick.
Doch es gibt keine Croissants, sondern haufenweise herrliche Schokolade und frisch gemachtes Mangosorbet zum Frühstück. Besser kann meiner Meinung nach ein kulinarischer Tag nicht beginnen. Alles wird frisch produziert, von Hand und mithilfe von Maschinen, die ebenfalls von Hand bedient werden. Es stehen gar noch die ursprünglichen ersten Backöfen da, die immer noch für bestimmte Produkte zum Einsatz kommen. Viele Confiseure sprechen im Elsässer Dialekt und erzählen, dass sie ihr Handwerk in Frankreich lernten. Yves Frau Annett Willimann, Geschäftsführerin der Confiserie Brändli meint: «In Basel sind die kulinarischen Ansprüche sehr hoch.»
Die Confiserie Brändli gibt es schon seit 1935 und aus dieser Zeit sind noch einige ikonische Verpackungen. Ich habe die wunderschönen Brändli Pralinenschachteln immer aufgehoben und als Stylingsprops auf Fotos eingesetzt. Die allerschönste ist die leuchtend rote Kartonbox mit plüschiger Oberfläche und einem goldgeprägten Schriftzug. Aber natürlich sind es die inneren Werte der Pralinenschachteln, um die es geht. Die Pralinen sind fantastisch und ich darf naschen, so viel ich will. Da wir aber bald zum Lunch gehen, muss ich mich trotz der grossen Verführung ein bisschen zurückhalten.
Nach dem süssen Frühstück spazieren wir am Rhein entlang zu einem der Lieblingsrestaurants von Yves. Ich gehe sehr gerne nach Basel und wenn ich jeweils dort bin, erkunde ich immer wieder neue Orte. Für mich hat Basel irgendwie mehr Chic als Zürich und ist definitiv eine ganz andere Art von Stadt. Der Spaziergang mit Yves entlang des Rheins führt mich aber an Orte, die ich noch nie gesehen habe. Der Tag ist perfekt: Die Sonne scheint, der knallblaue Himmel zeigt flockig weisse Schäfchenwölkchen und auf dem Rhein fahren allerlei Boote und Schiffe. Das Putzige und Adrette fliesst zusammen mit eindrücklicher Urbanität und die Stadt bekommt mit dem mächtigen Fluss eine einzigartige Grösse und Weite.
Unser Ziel ist eine traditionelle Badeanstalt aus Holz, die gerade eben wieder zu ihrer alten Grösse und Ursprünglichkeit zurückgebaut wurde. In der Mitte ist das Restaurant «Le Rhin Bleu», das beidseitig zwei Flügel zum Baden und Sonnenbaden hat. Wir sitzen dicht am Wasser, aber sehr hoch darüber. Yves bestellt einen Rosé Prosecco und ich finde, dass Rosé perfekt zu Rheinblau passt.
In einem hellen Rheinblau sind die Sonnenliegen auf dem Holzdeck gestrichen, dazwischen stehen Metalltischchen im selben Farbton. Ans Elsass erinnern mich die hübschen, mit vielen verschiedenen Blumen bepflanzten Kistchen, die an einigen Geländern hängen. Ich glaube nicht, dass ich in Zürich irgendwo Blumenkistchen dieser Art gesehen habe. Man findet sie bei uns wahrscheinlich nicht cool genug. Sie tragen aber zu diesem bestimmten Charme und Chic bei, den ich an Basel so liebe.
Zur Vorspeise bestellen wir einen griechischen Salat, zur Hauptspeise eine kleine Portion frittierte Calamaretti mit einem pikanten Tomatendip: köstlich, knusprig und Ferienstimmung pur! Zwischendurch treiben immer mal wieder Schwimmer auf dem Rhein vorbei. Die fantastische Aussicht, das fliessende, azurblaue Wasser und der wirklich sehr gute Lunch mit dem frischen Prosecco haben diesen Ort auch für mich zu einem Lieblingsort gemacht.
Nach dem entspannten, sommerlichen Lunch geht es dem Rhein entlang zurück Richtung Innenstadt. Manchmal fühle ich mich wie auf dem Land, manchmal wie in einem anderen Land. Wir treffen Katzen, wenige Menschen, ich bewundere die Fischerhäuschen und immer wieder den grossen, weiten Fluss.
Langsam kommen wir wieder in die Stadt, spazieren eine kleine Höhe hinauf und sind bald an der schönen, eleganten St. Alban Vorstadt, an der sich Yves Willimanns Weinladen befindet. Ursprünglich hat Yves eine Kellnerlehre gemacht und war danach im Gastrobereich tätig. Er erzählt mir, dass sein Bruder Koch lernte und dass sie beide schon ganz jung mit Freunden ein «Dinner-Clübli» betrieben: «Jeder zahlte zwanzig Franken, wir kochten und assen zusammen und lernten viel voneinander.»
Yves begann sich immer mehr für die Welt des Weines zu interessieren, lernte viel von den Sommeliers, mit denen er arbeitete, und machte einige Weiterbildungen. Bei seiner Suche nach einer Möglichkeit, im Weinbereich zu arbeiten lernte er Martin Sutter kennen und stieg vor etwa zwanzig Jahren bei «Musik und Wein» ein, wo er mittlerweile als Geschäftsführer arbeitet. «Der Weinhandel heisst so, weil Martin eine Weile ein Tonstudio betrieb und daneben mit Musikerzubehör, Hi-Fi-Anlagen und Wein handelte. Mittlerweile ist die Musik vor allem im Gaumen ein Thema, aber der Name bleibt, denn Musik und Wein sind ein wunderbares Paar.» An derselben Strasse hat es übrigens viele Goldschmiede-Ateliers, Galerien und Antiquitätenläden, wie dieses charmante Geschäft namens Margie.
In Basel muss man sich ein wenig Zeit nehmen und genauer hinschauen. So habe ich gleich neben dem Weinshop diesen Durchgang entdeckt, in dem sich unter anderem eine Galerie mit afrikanischen Kultobjekten befindet. Sie führt zu einem kleinen Hinterhof mit alten Häusern, welche wunderschöne Balkonbalustraden zeigen, die üppig mit Grün umrankt sind.
Als wir weiter spazieren, zeigt mir Yves einen der vielen grossen Brunnen Basels. «Leider ist da gerade eine Baustelle, aber sonst ist dieser Brunnen ein Apérotreff. Nicht selten steht man mit seinem Drink gleich im Brunnen.» Das alles in einer sehr eleganten Umgebung. Auch bewundere ich die fantastischen Häuser in Basel, die so ganz anders sind, als die in Zürich und oft aus rotem Stein.
Da man an einem Tag nicht mehrmals zu Mittag und zu Abend essen kann, können wir natürlich nicht in allen Lieblingsrestaurants von Yves Willimann speisen. Aber die «Brasserie Au Violon» will er mir unbedingt zeigen und wir beschliessen, hier einmal im Herbst oder Winter essen zu gehen. Auch wenn zur Brasserie ein wunderschöner Garten mit vielen Bäumen gehört, ist es das schöne, alte Lokal, das Yves so sehr liebt. Schon leuchtet sein Gesicht wieder auf diese bestimmte Art und er schwärmt von der fantastischen französischen Küche: «Hier gibt es Austern, Schnecken, Entrecôtes, Chèvre chaud oder Ile flottante und man ist und isst mitten in Frankreich.» Ich kann es mir genau vorstellen, denn schon im leeren Saal, mitten in der Sommerhitze, fühle ich mich wie in einem Roman von Simenon, bei dem Maigret in einer Ecke sitzt und genüsslich Hausspezialitäten bestellt.
Zum «Au Violon» gehört auch ein Hotel, und zwar eines, das mal ein Gefängnis war. Die freundliche Dame an der Rezeption gibt uns einen Schlüssel von einem Zimmer, damit wir uns ansehen können, wie aus den ehemaligen Gefängniszellen gemütliche Hotelzimmer wurden. Die Sommersonne lässt die mit roten Teppichen belegten Gänge in süssem Rosa strahlen und man denkt nicht daran, dass hier bis 1995 das Gefängnis Lohnhof war.
Noch früher aber war das Gebäude ein Kloster, das sich allerdings durch die Reformation und den darauffolgenden Protestantismus auflöste. 1821 zog die Polizei ein und 1835 wurde das alte Mönchskloster in ein Gefängnis umgebaut. Das Hotel Brasserie Au Violon eröffnete 1999.
Im hübschen, in warmen Farben eingerichteten Zimmer denke ich lieber an das Kloster, als an das Gefängnis. Es ist auf jeden Fall eine Inspiration, die zeigt, wie man Freundlichkeit und Wohnlichkeit auch in kleine und spartanische Räume zaubern kann.
Kein Baselbesuch ohne das Münster! Das versteht auch Yves, der es ebenfalls liebt. Zudem führt der Weg vom «Au Violon» zu Yves Lieblingsfähre über das Münster. Die Grossartigkeit der Kirche, die Gärten, der riesige Münsterplatz und die betörende Aussicht lassen innehalten und entführen in ein Zeitloch, in dem man auf wunderschönste Weise abschaltet und dem Alltag entflieht.
Zwischen dem Münster und dem Rhein gibt es eine lauschige Terrasse, auf der im Sommer ein Café ist. Am liebsten möchte man hier verweilen, nur mit einem Buch, dem Vogelgezwitscher und viel Zeit.
Mit der Münsterfähre geht es rüber nach Kleinbasel. Gar die Fähre ist mit Blumenkistchen geschmückt. Wir sind an diesem Tag, mitten in der Woche die einzigen Fahrgäste, was sich sehr chic anfühlt.
In Kleinbasel stehen im Sommer am Rheinufer viele Buvetten. Auch von diesen erzählte mit Yves jeweils viel. Yves Liebling, «The Horse Box Bar», ist eine portugiesische, unabhängig betriebene Buvette, in der iberische Weine, frisch geschnittener Jamon Serrano, grosse grüne Oliven, Chorizo, Käse, belegte Brote, Sangria, Cocktails und Mocktails serviert werden. Yves bestellt ein Bier, ich einen alkoholfreien Mojito und dazu geniessen wir Jamon, Oliven und Brot. Wir sitzen auf kleinen, farbigen Klappstühlchen an Klapptischchen und schauen dem doch ziemlich wild fliessenden Rhein und den Badenden zu. Yves erzählt mir, dass er diese Buvette entdeckte, als er mit seinem Sohn hier schwimmen ging und dieser von einer Biene gestochen wurde. «Sie haben ihm in der Horse Box sehr lieb geholfen.» Er erklärt mir auch, dass es am Wochenende hier fertig sei mit der Beschaulichkeit und dass das Ufer, sowie der Rhein, gerammelt voll sind. «Aber auch schön, lebendig, mediterran oder besser, entspannt baslerisch», meint Yves Williman, stolz und liebevoll von seiner Stadt.
Der Nachmittag neigt sich langsam dem Abend zu und wir beginnen einen langen Spaziergang dem Rhein entlang Richtung Hafen. «Schau, das ist Frankreich, da ist die Novartis, und da kommt ein grosses Schiff.» Yves ist ein wenig aufgeregt, denn wir nähern uns dem Höhepunkt dieses Stadtspazierganges und Yves’ Favorit, ein Restaurant am Hafen, das für ihn ein geliebtes, kulinarisches Zuhause ist. Doch es dauert noch ein Weilchen, denn der Weg ist das Ziel und am Weg befinden sich allerlei interessante Orte.
Einer davon ist «Fisk & Øl», wo es, wie Yves mir bereits in Zürich versicherte, «die besten Fischbrötchen jenseits der Ostsee gibt». Sie sind wirklich sehr delikat, auch wenn wir uns bloss eines teilen, denn das grosse Abendessen naht. Was die Sache noch fantastischer macht: Im «Fisk & Øl» kommen die Fische nicht aus der Ostsee, sondern aus der Schweiz. Es gibt unter anderem Schweizer Forellen Matjes, kaltgeräucherten Schweizer Lachs oder heissgeräucherte Schweizer Lachsforelllen. Das Angebot wechselt regelmässig und auch Vegetarier kommen mit Gerichten wie «Iiii Fisch», einer «Vegi Bowl mit allerlei» oder «Vegi Smoked Rüben-Lax» genussvoll ans Meer. Die Atmosphäre vom Fischbrötchen-Paradies ist wie diejenige in einem Seebad an der Ostsee. Man sieht auch hier grosse Schiffe vorbeifahren.
Und plötzlich bin ich in Wismar! Die grossen Backsteingebäude, die uns zeigen, dass wir nun am Hafen angekommen sind, lassen mich an meine Reise an die Ostsee vor etwa zwei Jahren zurückdenken. Ich weiss nicht, wer von uns in diesem Moment aufgeregter war: Ich, die es zum allerersten Mal an den Rheinhafen geschafft hat, oder Yves, der es kaum erwarten konnte, mir seinen Liebling aller Lieblingsrestaurants in Basel zu zeigen.
Da sind wir nun: im Restaurant «Rostiger Anker». Der Ort erscheint mir als die perfekte Sommerlocation. Doch es war mitten im Winter, als mir Yves das erste Mal von diesem fabulösen Restaurant erzählte. An einem kalten Samstag im Januar kaufte ich in Yves Zürcher Laden Wein für ein Essen, das ich selber kochen musste, und er erzählte mir von der perfekten Bouillabaisse, die er am Rheinhafen im «Roschtigge Angger» ass. Es ist nämlich so, dass in den Wintermonaten der Koch das Restaurant übernimmt. Es heisst dann «La Bonne Bouffe» und es gibt vor allem Meeresfrüchte und Fische.
Im Sommer aber ist man weit weg. Die wasserblauen Tische tanzen mit den verschiedenfarbigen Sonnenschirmen Tango und das immer goldener werdende Abendlicht krönt alles mit Magie. Yves rätselte während des ganzen Spaziergangs, ob wohl nun ein Rheinschiff da ist oder die Sicht frei ist auf den Rhein. Auch wenn ich ihm versicherte, dass für mich, die am Zürichsee aufgewachsen ist und lebt, solch grosse Schiffe, die bis ans Meer fahren, eine Faszination ausüben, wünschte er sich die freie Sicht. Als wir Platz nehmen, ist da ein Schiff, aber nicht direkt am Ufer. Für mich ist es ein Gruss aus der Welt, ein Sinnbild des Fernwehs und eine perfekte Kulisse für ein herrliches Mahl, das mit unglaublicher Frische verwöhnt.
Ich bestelle eine grüne Gazpacho und Yves ein Auberginen-Tartare mit Büffelmozzarella. Danach entscheidet sich Yves für ein Rinds-Entrecôte mit Balsamico-Rotwein-Chili-Butter und mariniertem Gemüse. Ich wähle das vegetarische Gericht mit einer Feta-Zigarre, Bulgursalat, Humus, Tzatziki und mit mariniertem Blumenkohl, Tomaten und Wassermelone. Ein perfektes Hochsommer-Abendessen nach einem ausgefüllten Tag in einer Schweizer Stadt, die sich gerade sehr weit weg anfühlt. Dazu trinken wir einen trockenen Grauburgunder vom Schlossgut Ebringen.
Der grossartige Fernblick offenbart sich nach dem Essen mit einem Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch, ruhigem Wasser, das in allen Farben schimmert, und einer Sicht in die zwei Länder Deutschland und Frankreich, die in Basel an die Schweiz grenzen. Ich weiss dabei nur eins: Da komme ich wieder hin, immer wieder, ich zeige dieses Basel, das ich erlebt habe, meinem Mann und Daisy und entfliehe auch mal alleine hierhin – denn Basel öffnet die Welt, ist chic und man isst einfach richtig gut.
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