Gastbeitrag zur humanitären KriseSudan braucht mehr als nur das Schweigen der Waffen
Es ist wichtig, über Frieden zu sprechen – doch die kriegsversehrte Bevölkerung benötigt Soforthilfe. Ein Gastbeitrag von Stephen Cornish von Ärzte ohne Grenzen.
Zurzeit finden in Genf Gespräche über den Krieg im Sudan statt. Diese sind im besten Fall ein weiterer Schritt, in einem langwierigen und schwierigen Prozess eine Grundlage für den Frieden in diesem vom Krieg zerrissenen Land zu schaffen.
Politischer Dialog ist zwar unerlässlich, aber um Millionen von Menschen ihre Würde, ihr Wohlergehen und ihre Gesundheitsversorgung wiederzugeben, braucht es weit mehr als das Schweigen der Waffen. Der Weg zum Frieden erfordert ein gemeinsames, langfristiges Engagement beider Kriegsparteien. Bereits jetzt müssen aber Gesundheitseinrichtungen respektiert werden, und die humanitäre und medizinische Hilfe muss alle Menschen in Not erreichen.
Die Krise im Sudan ist vielschichtig. Zehn Millionen Menschen – knapp ein Fünftel der Bevölkerung – sind bereits vertrieben worden. Es handelt sich um die grösste Vertreibungskrise weltweit. In mehreren Gebieten des Landes hat Mangelernährung katastrophale Ausmasse angenommen. Von Januar bis Juni haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen 20’000 mangelernährte Kinder behandelt. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. Nur noch ein Fünftel der Einrichtungen ist funktionsfähig, wodurch unzählige Menschen ohne medizinische Versorgung dastehen.
Nach 16 Monaten Krieg erschweren beide Kriegsparteien weiterhin den Zugang für humanitäre Hilfe und verhindern systematisch, dass Hilfsgüter in die von ihren Gegnern kontrollierten Gebiete gelangen. Zudem ist die Sicherheit der humanitären Mitarbeitenden nicht gewährleistet. Ärzte ohne Grenzen ist als eine der wenigen internationalen Hilfsorganisationen im Sudan tätig, aber unsere Kapazitäten sind erschöpft, und der Bedarf an Unterstützung ist immens.
Verödete Felder, leere Märkte
Zwei Millionen Menschen sind in benachbarte Länder wie den Tschad geflohen. Im vergangenen Dezember besuchte ich das Durchgangscamp in der Grenzstadt Adré. Die meisten Geflüchteten hatten Darfur aufgrund der Gewalt und der Tatsache, dass es dort so gut wie nichts zu essen gab, verlassen müssen. Der Krieg verunmöglicht es den Bauern, ihre Felder zu bestellen. Die Märkte bleiben daher leer, und wenn es Lebensmittel gibt, sind deren Preise so hoch, dass sich viele Menschen diese Lebensmittel nicht leisten können.
Damit sich die Situation nicht noch weiter verschlechtert, muss eine breite humanitäre Unterstützung zugelassen werden – unabhängig vom Ausgang der jetzigen Gespräche. Menschen müssen medizinische Einrichtungen erreichen können, wenn sie diese benötigen. Die Zivilbevölkerung und humanitäres Personal müssen geschützt werden.
Grenzüberschreitende Hilfe für alle Regionen des Landes ist lebenswichtig, vor allem während der momentanen Regenzeit, welche die üblichen Versorgungswege unpassierbar macht. Da die lokale Nahrungsmittelproduktion und die traditionellen Importmärkte stark eingeschränkt sind, wird es viel Zeit und Investitionen brauchen, um diese wieder aufzubauen; Zeit, die die sudanesische Bevölkerung nicht hat.
Friedensgespräche sind wichtig, um ein Umfeld für politische Fortschritte zu schaffen. Doch Diplomatie allein wird nicht ausreichen, um die akute humanitäre Krise und die enormen Bedürfnisse der Bevölkerung zu bewältigen. Die eigentliche Arbeit liegt noch vor uns.
Stephen Cornish ist Generaldirektor von Ärzte ohne Grenzen Schweiz.
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