Debatte um NeubauverbotNeue Kernkraftwerke sollte man wenigstens prüfen dürfen
Wir brauchen Offenheit für alle Technologien: warum die Kritiker der neuen bundesrätlichen Energiepolitik falschliegen.

In seinem Gastkommentar warnte Nils Epprecht von der Schweizerischen Energiestiftung (SES), dass es «fatal» wäre, wenn die Schweiz wieder auf Kernenergie setzen würde. Doch die vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetzesänderung hebt lediglich das pauschale Verbot auf, überhaupt neue Kernkraftwerke in Betracht ziehen zu dürfen. Es geht ausschliesslich darum, dem Souverän wieder das Recht zurückzugeben, im konkreten Einzelfall auf Basis aktueller Fakten und Bedürfnisse demokratisch entscheiden zu können.
Ein generelles Neubauverbot für Kernkraftwerke kennen nur sehr wenige Länder. Das Gegenteil ist der Fall: Angesichts steigender Anforderungen an Versorgungssicherheit und Klimaschutz investieren weltweit zahlreiche Staaten gezielt in neue nukleare Technologien. Dies geschieht nicht unbedingt aus ideologischer Begeisterung, sondern aus pragmatischer Einsicht. Denn der Strombedarf steigt rapide, angetrieben durch Elektromobilität, Wärmepumpen und energieintensive digitale Anwendungen wie künstliche Intelligenz. Wer in dieser Situation eine bewährte, CO₂-arme Option von vornherein ausschliesst, nimmt bewusst Versorgungslücken in Kauf.
Besonders bei der Sicherheit verbreitet die SES unnötige Ängste. Kernenergie ist nicht neu und zählt bereits heute nachweislich zu den sichersten Energieformen überhaupt. Sie wird weltweit seit Jahrzehnten zuverlässig betrieben, streng überwacht und kontinuierlich weiterentwickelt. Moderne Reaktorkonzepte setzen nochmals deutlich höhere Sicherheitsstandards: Ausgerechnet hier an einem pauschalen Verbot festzuhalten, ist nicht vorsichtig, sondern widersprüchlich und innovationsfeindlich.
Der Souverän soll entscheiden
Auch die Kostenfrage ist kein überzeugendes Argument für das Neubauverbot. Kernenergie wird in der Schweiz ohne staatliche Subventionen betrieben. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft hingegen profitieren von umfangreichen Fördergeldern. Trotzdem fordert niemand, diese Technologien aufgrund ihrer Förderkosten zu verbieten. Zudem bedeutet die Aufhebung des Neubauverbots nicht, dass neue Kernkraftwerke automatisch gebaut oder staatlich finanziert würden. Sie schafft lediglich die Möglichkeit, Projekte überhaupt prüfen und fair beurteilen zu können.
Demokratiepolitisch ist das aktuelle pauschale Technologieverbot besonders problematisch. Die geplante Gesetzesänderung würde dem Souverän endlich wieder das Recht einräumen, im konkreten Fall mitzureden und mitzuentscheiden. Technologieoffenheit ist kein Rückfall in alte Denkmuster, sondern ein klares Zeichen demokratischer Reife und einer zukunftsorientierten Energiepolitik.
Eine vorausschauende Energiepolitik wägt Chancen und Risiken sachlich ab. Die Aufhebung des Neubauverbots ist darum kein automatisches Bekenntnis zu neuen Kernkraftwerken – sondern ein notwendiger Schritt hin zu technologieoffener Entscheidungsfreiheit, Innovation und einer sicheren, klimafreundlichen Energieversorgung. Genau das braucht die Schweiz jetzt.
Lukas Aebi ist Geschäftsführer des Nuklearforums Schweiz.
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