Zuversicht trotz der WeltlageWeshalb Millennials die Welt retten werden
Eine bahnbrechende Idee: Übersetzerinnen und Übersetzer erklären für uns das politische Geschehen.

Für viele Leser:innen bin ich ja das Fenster zum Millennial-Tum, die Verbindung zu cool und hip und zu einer Welt, die man nicht mehr komplett versteht. Bei mir erfährt man, wie unsere Generation beim Daten strugglet, man lernt, dass man ganz viele Wörter auf Englisch schreiben muss, und dank dieser Kolumne konnte man sogar den Therapiefortschritt einer Millennial live mitlesen, also hautnah dabei sein bei unserer Lieblingsdisziplin: irgendwie versuchen, bei Verstand zu bleiben in dieser abgefahrenen Weltlage.
Als 39-jährige Persona bin ich ja gezwungenermassen auch noch die Schnittmenge von Boomer und Gen-Z. Ich lebte und lebe in beiden Generationen und verstehe beide Lebensrealitäten. Ich weiss zum Beispiel noch, dass es eine Zeit gab, in der man seine Friends nur zu Hause telefonisch erreichen konnte, gleichzeitig kann ich heute problemlos Emojis dechiffrieren.
Ich kenne das zerreissende Ungeduldsgefühl, wenn man nach einem dramatischen Cliffhanger eine Woche warten muss, bis die Lieblingsserie weitergeht (ich leide heute noch unter dem Finale der fünften Staffel von «Buffy – Im Bann der Dämonen», als Buffy in der letzten Folge stirbt und man eine halbe Ewigkeit auf die Auflösung warten musste, Milan, I know you feel me). Weil wir allen immer gefallen wollen, sind wir auch übertrieben anpassungsfähig. Deshalb, und weil wir von Tschornobyl über Flugzeuge im World-Trade-Center, Fukushima oder einer Pandemie schon einiges gesehen haben.
Millennials sind eine sehr robuste Spezies, wie Rotfüchse. Wir können überall leben, Wald, Wüste, Berge, in schmutzigen Städten, in der Schuhschachtel einer Moulin-Rouge-Tänzerin, wir nehmen alles, was irgendwie bezahlbar ist. Wir passen sogar unsere Ernährung an die Gegebenheiten an, von Acai-Bowls, über Fast Food bis zu Essen aus Containern. Hauptsache, wir können vorher zwei Esslöffel Apfelessig mit warmem Wasser trinken.
Da ich also fliessend Boomerish spreche und parallel mit halbem Auge ständig Dinge google, weil Gen-Z-ler im 30-Sekunden-Takt neue Wörter erfinden, möchte ich hier eine Idee pitchen, die die Welt retten könnte. Oder zumindest helfen würde, dass man intelligenter mit Zollerhöhungen umgeht, weil man dann früher merkt, dass die Welt ja jetzt vernetzt ist und Zölle umgangen werden können, da man übers Internet die Endkonsument:innen direkt erreicht.
Wir müssen in der Politik Übersetzer:innen installieren! Jede Sitzung, jede Versammlung, ja sogar jedes E-Mail wird von einem Millennial übersetzt und auf seinen Cringe-Faktor überprüft. Wir haben unser Leben lang nach einem Purpose gesucht, sind von Yoga-Retreat zu Yoga-Retreat gehechtet, haben Breathwork erfunden und unser Erspartes für Pilze und Ayawaska ausgegeben, immer auf der quälenden Suche nach einem Sinn. Ich denke, ich habe ihn gefunden.
Menschen, die sich zwischen VHS und Tiktok genauso selbstverständlich bewegen wie zwischen Apfelessig und einer fremdverschuldeten Klimakrise, kriegen wirklich alles erklärt und übersetzt. Wir haben Buffys Tod verkraftet, aber vor allem gelernt, dass man nie die Hoffnung verlieren sollte – und dann kam sie wieder! Wenn sie das kann, dann kriegen wir das mit dem Weltfrieden vielleicht auch irgendwie hin.
Wir sind nämlich nicht nur wie Rotfüchse, als Millennial ist man ja eine Schnittmenge von vielen Dingen, wir sind auch halb Pinguin-Kolonie: laut, chaotisch, gleichzeitig liebevoll und effizient, und weil wir zusammenhalten, überstehen wir auch garstige Kälte und die vierjährige Amtszeit von diesem hässigen Bully. Flammen-Emoji.
Gülsha Adilji ist Moderatorin und Journalistin. Sie lebt in Berlin und Zürich.
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