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Meinung

Die Ära der Podcast-Menschen
Was ist bitte schön so lustig?

Junge Frau in grüner Kleidung lacht, während sie mit Kopfhörern einen Podcast auf einer öffentlichen Bank hört.
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Es ist etwas passiert, seit der Mensch keinen Korb Wäsche mehr aufhängen kann, ohne eine Podcast-Folge abzuspielen, in der es zum Beispiel um die Frage geht, ob Sextoys feministisch sind.

Seither sind wir umgeben von Podcast-Menschen, die da sind, aber auch komplett weg. Sie hören konzentriert zu, sind aber kaum ansprechbar. Ab und zu lächeln sie geheimnisvoll vor sich hin. Der Podcast-Mensch braucht die Welt nicht, er hat ja seinen Podcast.

Seine Folgen hat er sich bislang in Innenräumen angehört, in letzter Zeit häufen sich allerdings die Fälle, in denen der Podcast-Mensch in die Öffentlichkeit tritt und unvermittelt auflacht.

Es kann zum Beispiel vorkommen, dass er im Supermarkt einen Stangensellerie auf die Waage legt und seine Mitmenschen mit lautstarker Heiterkeit erschreckt.

Was ist bitte schön so lustig? Der Sellerie wird es kaum sein, daran war noch nie etwas lustig. Ein Handygespräch scheint die Person auch nicht zu führen, obschon sie Kopfhörer trägt. Also wird sie wohl einen besonders komischen Podcast hören.

Ein fröhlicher Mann mit Schal und Mantel, Ohrstöpsel tragend, lächelt strahlend im Freien bei einer Glasstruktur an einem kalten Tag.

Nun kann man fremde Zeitgenossen maximal bitten, zu verraten, wo sie ihre Schuhe gekauft haben. Aber wer getraut sich, andere über ihre Podcast-Playlist auszufragen? Sie halten sie ja immer für besonders eigenwillig kuratiert, obwohl im Grunde der Algorithmus alles zusammengestellt hat.

Man möchte ja nur wissen, worüber sie lachen! Aber dazu müsste man sie in ihrer Podcast-Blase stören.

Öffentliches Lachen: Das Outing als Spasskonsument

«Die Ähnlichkeiten sind da: Traum und Witz sind geschlossene Welten», schreibt der Soziologe Peter L. Berger im Buch «Erlösendes Lachen».

Das ist insofern wahr, als der lachende Podcast-Mensch komplett in seiner Humortraumwelt versunken ist. Jeder Eingriff wäre ihm ein Übergriff. Geradezu harmlos dagegen der latent verliebt tippende Whatsapp-Mensch, der ja in der Regel noch mitkriegt, dass er gleich auf die befahrene Strasse treten wird.

Der Podcast-Mensch jedoch gibt ein gut hörbares Zeichen, dass er etwas für komisch befindet, teilt aber den Grund für die Heiterkeit mit niemandem.

Er scheint sich nicht einmal zu schämen, weil seine Humorzone keine Überschneidungen hat mit der Zone der Wirklichkeit. Abgetrennt von den anderen, darf er eruptionsartig vor sich hin lachen.

Klar gibt es Podcasts, die so lustig sind, dass man nicht mehr anders kann, als an der Tramhaltestelle loszuprusten. Aber ein wenig seltsam mutet es an, sich vor anderen als Spasskonsument zu outen. Eigentlich ist Humor doch eine gesellige Sache, und so irritiert der lachende Podcast-Mensch.

Die privatisierten Spasskonsumenten rufen nach der Gemeinschaft

Im Altertum galt die orgiastische Erfahrung der Komödie als gefährlich für die öffentliche Ordnung. Weil sie den heiligen Ernst ins Lächerliche zog, musste sie unter Kontrolle gebracht werden.

Heute ist der unkontrollierte Ausbruch des Podcast-Menschen längst Teil der sozialen Ordnung. Die privatisierten Spasskonsumenten haben es lustig in aller Öffentlichkeit, aber sie vergessen eines: Wir erkennen das menschliche Geräusch des Gelächters.

Da verrät sich der Podcast-Mensch eben doch. So klein und geschlossen seine Welt wirken mag: Der Ton, den er macht, ist ein Ruf nach Verbundenheit.