Bundesrat gegen AKW-VerbotAtom-Ideologie schadet der Versorgungssicherheit
Für unsere Stromversorgung ist es fatal, wenn wir auf neue AKW setzen: Der Ausbau erneuerbarer Energien wird gebremst, und es drohen finanzielle Desaster.

Der Bundesrat plant, das Neubauverbot für Atomkraftwerke aufzuheben, und führt derzeit eine Vernehmlassung durch. Nach der Fukushima-Katastrophe vor 14 Jahren entschied die Schweiz, dass Atomkraftwerke im dicht besiedelten Mittelland zu riskant seien. Bei den dominierenden sogenannten Leichtwasserreaktoren gab es seither kaum technische Fortschritte. Neubauprojekte in Finnland, Grossbritannien und Frankreich machen mit Sicherheitsproblemen, Lieferengpässen und massiven Kostenüberschreitungen Schlagzeilen.
Der Bundesrat räumt ein, dass derzeit niemand ein neues AKW bauen wolle, verweist jedoch auf zukünftige Reaktorkonzepte. Nur: Eine Technologie zuzulassen, deren Risiken unbekannt sind und die noch nicht kommerziell ausgereift ist, ist befremdlich. Obwohl zum autonomen Fahren seit über 20 Jahren geforscht wird, gibt es erst seit kurzem begrenzte Zulassungen. mRNA-Impfstoffe wurden erst nach erfolgreicher Erprobung breit zugelassen, und bei der Gentechnik schlägt der Bundesrat selbst eine Verlängerung des Moratoriums vor. Die Erfahrung mit künstlicher Intelligenz zeigt, wie schwierig es ist, neue Technologien nachträglich zu regulieren.
Hinzu kommt: Bundesrat Rösti hat klargestellt, dass der Bund kein AKW finanzieren will. Doch das ist ein Versteckspiel: AKW-Neubauten kosten Milliarden, Kapital bleibt über Jahre gebunden, und Unfälle sind nicht versicherbar. Weltweit entstehen neue AKW nur mit voller Staatsgarantie. Zahlt der Bund nichts, müssen die Kantone und ihre Energieunternehmen für den Bau aufkommen. Der Bundesrat legt ihnen somit ein Kuckucksei ins Nest.
Wir brauchen Strom sofort, nicht in ferner Zukunft
Mit der Aufhebung des Neubauverbots will der Bundesrat Optionen für die Versorgungssicherheit schaffen. Für die mittelfristige Stromversorgung ist sein Vorschlag jedoch fatal: Investorinnen sind schon verunsichert, ob sich grössere Solaranlagen ohne Eigenverbrauch noch lohnen, wenn dereinst staatliche AKW ihren unflexiblen Strom in den Markt leiten. Und die nukleare Scheinalternative wird den ideologischen Widerstand gegen Wind- und Solarparks weiter verstärken. «Scheinalternative» deshalb, weil wir zusätzlichen Strom sofort und nicht erst in ferner Zukunft brauchen, wie die drohende Energiemangellage und die ungenügende EU-Marktintegration eindrücklich zeigten.
Selbst wenn wir heute mit der Planung eines neuen AKW beginnen, würde es frühestens in 20 Jahren Strom liefern. Vor dem Hintergrund einer möglichen Rezession verliert der Solarausbau aber bereits an Schwung. Wenn der Bundesrat nun zusätzliche Unsicherheiten schafft und Gegenargumente liefert, sabotiert er den Ausbau erneuerbarer Energien und gefährdet damit die Versorgungssicherheit der kommenden Jahre.
Diese Gesetzesänderung ist unausgereift und schädlich für den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie untergräbt die Versorgungssicherheit und behindert die Dekarbonisierung. Für die Kantone könnte sie zu einem finanziellen Desaster werden. Diese ideologische Zwängerei ist abzulehnen.
Nils Epprecht ist Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).
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