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Strom aus dem Untergrund
Axpo-Tochter will tief in Luzerner Boden bohren

Vielversprechende Voraussetzungen in Inwil LU: Neben der A 14 zwischen Luzern und Zug soll ein Geothermiekraftwerk gebaut werden.
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Strom aus dem Untergrund gewinnen – ganzjährig, bei jedem Wetter, CO₂-frei: Tiefengeothermie als erneuerbare Energiequelle ist Teil der Energiestrategie des Bundes. Der Bund schätzt ihr Potenzial bis 2050 auf 2 Terawattstunden Strom pro Jahr; das entspricht etwa zwei Drittel des Stromverbrauchs der Stadt Zürich. Nur: Bis jetzt ist noch keine Kilowattstunde geflossen.

Die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) wollen dies ändern. Die Tochter des Stromkonzerns Axpo startet in der Luzerner Gemeinde Inwil Abklärungen für ein Geothermieprojekt, wie sie am Dienstagmorgen mitgeteilt hat. Eine Machbarkeitsstudie habe ergeben, dass diese Region «sehr gute» geologische Voraussetzungen biete. Rund 140 Grad heisses Wasser aus einer Tiefe von 4000 bis 4500 Metern soll künftig genutzt werden, um für circa 4000 Haushalte Strom zu produzieren.

Aber nicht nur: Das Projekt soll auch Wärme für etwa 6500 Haushalte liefern und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beim Heizen verringern. Letztes Jahr heizten noch immer zwei Drittel der Haushalte in der Schweiz mit Öl oder Gas. 

«Wir wollen in die Versorgungs­sicherheit investieren.»

Martin Schwab, Chef CKW

Die CKW warnen, dass die Schweiz ohne einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien auf eine grosse Winterstromlücke zusteuere. «Wir wollen deshalb in die Versorgungssicherheit investieren», sagte CKW-Chef Martin Schwab am Dienstagmorgen vor den Medien. Als sogenannte Bandenergie kann Geothermie laut CKW ein wichtiges Element der künftigen Energieversorgung sein – insbesondere im Winter, wenn die Schweiz auf Stromimporte angewiesen ist. 

Die CKW rechnen mit Investitionen von rund 70 Millionen Franken: Planung, Bewilligung und Bau würden schätzungsweise sechs Jahre dauern, die erste Probebohrung soll Ende 2024 oder 2025 erfolgen, das Kraftwerk soll 2028/2029 in Betrieb gehen.

«Wir freuen uns über das Interesse»

Der Bund unterstützt solche Projekte finanziell mit bis zu 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten. Das Bundesamt für Energie (BFE) bestätigt, erste Vorgespräche mit den CKW geführt zu haben. «Wir freuen uns über das Interesse», sagt Geschäftsleitungsmitglied Marianne Zünd. Sollten die CKW ein Gesuch um Subventionen einreichen, werde das BFE es gründlich evaluieren.

Gegenwärtig gibt es zwölf vom BFE geförderte Projekte, vier davon sind Projekte zur Stromerzeugung. Vier Gesuche werden derzeit geprüft. Der Schwerpunkt liegt in der Westschweiz. Das CKW-Projekt zeige aber, dass es auch in der Deutschschweiz ein wachsendes Interesse an der Geothermie gebe, so Zünd vom BFE.

Wo genau das Kraftwerk gebaut wird, steht noch nicht fest. Die CKW prüfen verschiedene Standorte entlang der A 14 auf Inwiler Gemeindegebiet, sie haben Gespräche mit den Grundeigentümern geführt, die Standorte seien gesichert. Und: Sie sind laut CKW allesamt ideal gelegen, weil sich in der Nähe die Kehricht­verbrennungs­anlage der Renergia befinde. Von hier aus verlaufen Fernwärmenetze, die bis nach Zug und Luzern reichen. Den produzierten Strom wiederum würden die CKW ins Mittelspannungsnetz einspeisen.

Droht ein zweites «Haute-Sorne»?

Ob das Projekt den erhofften Erfolg bringt, ist jedoch nicht sicher. Projekte in Basel (2006) und St. Gallen (2013) wurden abgebrochen, nachdem die Erde gebebt hatte. Bei anderen Vorhaben fanden die Fachleute nicht die erwartete geothermische Ressource, so etwa 2022 beim Projekt Agepp im Kanton Waadt.

Conférence de presse et visite du chantier du premier forage de géothermie à Satigny. Photo Lucien FORTUNATI

Im Fokus steht derzeit das Vorhaben in der jurassischen Gemeinde Haute-Sorne. Dort allerdings kämpft ein Teil der Bevölkerung mit rabiaten Mitteln gegen die geplante Anlage, unter anderem wegen der Angst vor Erdbeben. Die Verantwortlichen halten aber an ihrem Zeitplan fest: Der Bau des Bohrplatzes soll Ende Oktober starten, die erste Explorationsbohrung ist für den Frühsommer 2024 geplant.

Wird Inwil zum zweiten Haute-Sorne? CKW-Chef Schwab will «nicht gross spekulieren», inwieweit es Widerstand geben könnte, auch in Form von Rekursen. Sicher ist für ihn aber: «Wir müssen die Bevölkerung auf diese Reise mitnehmen.» Am 23. Oktober findet ein öffentlicher Informationsanlass in der Gemeinde statt. Die CKW versprechen, jeweils frühzeitig und transparent zu informieren. 

«Wir sind uns bewusst, dass Ängste und Zweifel vorhanden sind.»

Florian Meyerhans, Gemeinderat Inwil

Zumindest die Verantwortlichen der Gemeinde Inwil stehen hinter dem Projekt. «Wir sind positiv gestimmt», sagt der Inwiler Gemeinderat Florian Meyerhans (FDP). «Wir sind uns aber bewusst, dass Ängste und Zweifel in der Bevölkerung vorhanden sind.» Diese gelte es ernst zu nehmen. Meyerhans sagt aber auch, der Inwiler Gemeinderat vertraue auf das Urteil der Fachleute.

Die CKW versuchen derweil, etwaige Ängste präventiv zu zerstreuen. Erdwärme sei eine sichere und bereits an vielen Orten genutzte Energiequelle, so CKW-Chef Schwab. In Deutschland und Frankreich werde Geothermie bereits im grossen Stil genutzt. Es gebe zudem Unterschiede zu früheren Projekten.

Tatsächlich wurde in Basel und St. Gallen in Bruch- und Störzonen im Erdinnern gebohrt, da dort üblicherweise viel warmes Wasser zirkuliert und man sich davon eine wirtschaftliche Nutzung versprach. Bruch- und Störzonen sind jedoch oft unter Spannung stehende Gesteinszonen und bergen deshalb ein hohes seismisches Risiko. 

Risiko von Beben «klein, aber nicht null»

Der Kanton Luzern dagegen gilt laut CKW als Gebiet mit einem mehrheitlich tiefen seismischen Risiko, auch seien im Raum Inwil keine potenziell gefährlichen Bruch- oder Störzonen bekannt. Schliesslich hätten sich die Bohrtechnik sowie die Früherkennung von seismischen Aktivitäten seit den ersten Projekten in der Schweiz stark weiterentwickelt. «Dank diesen neuen, erprobten Technologien werden keine von Menschen spürbaren oder zu Schäden führenden Erdbewegungen ausgelöst», schreiben die CKW in ihrer Mitteilung.

Lehnen sich die CKW damit zu weit aus dem Fenster? Peter Meier ist Chef von Geo-Energie Suisse, jener Gesellschaft mehrerer Energieversorger, die das Projekt in Haute-Sorne verantwortet. Die geologische und technische Analyse der CKW hält er für richtig, aber: «Die Wahrscheinlichkeit, dass Erschütterungen gespürt werden oder es gar Schäden gibt, ist klein, aber nicht null.»