Abstimmung vom 27. SeptemberSteuervorlage: Welcher Abzug den Frauen wirklich nützt
Steuern und Krippenkosten halten Mütter davon ab, ihr Arbeitspensum zu erhöhen. Die Steigerung der Abzüge für Familien soll die Erwerbsarbeit lohnender machen. Tut sie das auch?
Vor allem gut ausgebildeten Müttern mit einem mittleren oder hohen Lohn legt das geltende Steuerregime Hürden in den Weg, wenn sie das Erwerbspensum erhöhen wollen. Denn das zusätzliche Einkommen wird zu einem relativ hohen Tarif besteuert. Dies trifft bei verheirateten Paaren dann zu, wenn der Ehemann das Haupteinkommen erwirtschaftet und die Ehefrau ein geringeres Pensum hat. Diese Konstellation findet sich laut Bundesamt für Statistik bei fast 90 Prozent der Familien.
Unattraktiv ist ein höheres Arbeitspensum für Mütter aber auch, wenn für die zusätzliche Erwerbsarbeit zusätzliche Krippentage für die Kinder bezahlt werden müssen. «Rein finanziell gesehen lohnt sich eine Erhöhung des Pensums des zweitverdienenden Elternteils nur selten, jedenfalls nicht in der kurzen Frist», heisst es in einer Studie, die der Thinktank Avenir Suisse im Sommer publizierte.
Vor diesem Hintergrund hat das Parlament eine Steuervorlage gezimmert, über die wir am 27. September abstimmen. Steuerabzüge sollen die Schwächen des heutigen Steuersystems korrigieren. Die Studienautoren Valérie Müller und Marco Salvi untersuchten die Wirkung der geplanten Erhöhung des Betreuungskostenabzugs von 10’100 auf 25’000 Franken und des Kinderabzugs von 6500 auf 10’000 Franken. Die wichtigsten Erkenntnisse in drei Schritten:
Abzug für alle bringt wenig
Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs profitieren vor allem Familien, bei denen beide Eltern hohe Erwerbspensen haben und deshalb beträchtliche Betreuungskosten anfallen. Aber auch Familien, die ihre Kinder an zwei oder drei Tagen in einer Krippe betreuen lassen, werden entlastet, da die jährlichen Betreuungskosten schnell den heutigen Maximalabzug von 10’100 Franken überschreiten. Von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren hingegen alle Eltern, unabhängig davon, ob beide erwerbstätig sind oder nur ein Ehepartner. Die entscheidende Frage ist für die Studienautoren indessen, ob die beiden Abzüge den Anreiz der Frauen zur Erwerbstätigkeit erhöhen.
Die Antwort: Beide Abzüge verringern die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen, steuertechnisch gesprochen senken die Abzüge den sogenannten Grenzsteuersatz. Allerdings ist dieser Effekt durch den höheren Kinderabzug gering. Zudem senkt der höhere Kinderabzug auch die Einkommenssteuer von Einverdienerhaushalten. Fazit: Kaum eine Frau dürfte wegen des höheren Kinderabzuges eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder ihr Pensum erhöhen.
Kita-Kosten fallen stark ins Gewicht
Anders sieht es beim Betreuungskostenabzug aus. «Ein höherer Betreuungskostenabzug reduziert die Grenzsteuersätze für Familien mit hohen Betreuungskosten beträchtlich», heisst es in der Studie. Steuern sparen vor allem jene Eltern, die wegen der Höhe des Einkommens keinen subventionierten Kita-Platz bekommen. Für sie ist eine Erhöhung des Erwerbspensums mit erheblichen Zusatzkosten für die Kinderbetreuung und mit höheren Steuern verbunden. Wird diese steuerliche Mehrbelastung reduziert, lohnt sich die Pensumserhöhung vor allem für gut ausgebildete Mütter trotz der hohen Betreuungskosten eher als mit dem heutigen Abzug von maximal 10’100 Franken. Das bestehende Steuersystem setzt für verheiratete Frauen den Anreiz, nicht oder nur in tiefen Pensen zu arbeiten. Der höhere Betreuungskostenabzug mildert diesen Negativanreiz immerhin ein wenig.
Auf den Wohnort kommt es an
Noch höher wäre der Nutzen, wenn der Betreuungskostenabzug nicht nur bei der direkten Bundessteuer erhöht würde, sondern wenn auch alle Kantone künftig einen Abzug von bis zu 25’000 Franken pro Kind zulassen würden. Heute variieren die Abzüge unter den Kantonen beträchtlich. Der Kanton Uri kennt als einziger keine Obergrenze und gewährt einen Abzug in Höhe der effektiven Kosten. Grosszügig ist auch Neuenburg mit einem Abzug von 20’400 Franken pro Kind. Zürich orientiert sich zurzeit am aktuellen maximalen Bundessteuerabzug von 10’100, Basel-Stadt gewährt 10’000 und Bern maximal 8000 Franken.
Die Studienautoren sehen die Steuervorlage kritisch. Denn die Erhöhung des Kinderabzuges verursache allein beim Bund Steuerausfälle von jährlich 370 Millionen Franken. Diese Ausfälle würden den Spielraum für sinnvollere Reformen verkleinern, zu denen die Einführung der Individualbesteuerung gehöre, die die Negativanreize für die Erwerbstätigkeit von Müttern beseitigen würde.
Die Befürworter der Steuervorlage sehen hingegen nicht nur im höheren Betreuungskostenabzug eine Verbesserung, sondern auch im höheren Kinderabzug. Wer Kinder grossziehe, erbringe für die Gesellschaft eine besondere Leistung. Mit der Erhöhung des Kinderabzugs auf Bundesebene würden alle Familien – unabhängig vom Erziehungsmodell – entlastet. Zudem werde auch durch den Kinderabzug die Progressionsschwelle angehoben, und Frauen erhielten so einen Anreiz, nach der Schwangerschaft wieder einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Zur Individualbesteuerung gehen bei den Befürwortern die Meinungen auseinander. Die FDP ist dafür, CVP und SVP dagegen.
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