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Meinung

Gastbeitrag zu Familiennachzug
Der Ständerat diskriminiert die Einheimischen

Parlamentarier debattieren waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 24. September 2024 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Dass Politikerinnen und Politiker eigenen Landsleuten dieselben Rechte zugestehen wie eingewanderten Personen, wäre eigentlich zu erwarten. Für eine Mehrheit des Ständerats ist dies aber kein Anliegen, geschweige denn eine Selbstverständlichkeit.

Am 10. September erteilte die Ratsmehrheit einer Gesetzesvorlage, mit der Schweizerinnen und Schweizer hinsichtlich ausländischer Familienangehöriger den EU-Bürgern gleichgestellt worden wären, eine deutliche Absage. Während schon dieses Verdikt für sich betrachtet irritiert, nimmt der Sachverständige die Ratsdebatte so ungläubig wie konsterniert zur Kenntnis.

Die Referentin der Kommissionsmehrheit teilte dem Ratsplenum mit, bei der Revisionsvorlage gehe es um den Nachzug aus Drittstaaten von Familienangehörigen von Schweizern in aufsteigender und absteigender Linie, also Eltern, Schwiegereltern oder Kinder. Während ein Votant ergänzte, bei den Kindern würde nur für solche im Alter von 18 bis 21 Jahren eine neue Regelung geschaffen, wies niemand darauf hin, dass nach geltendem Recht auch Ehegatten und Kinder unter 18 Jahren von Schweizerinnen gegenüber Personen aus der EU benachteiligt sind. Für diese Angehörigen von Schweizern gelten nämlich, anders als für EU-Bürgerinnen und deren Angehörige, strikte Nachzugsfristen. Konkret: Ehegatten müssen innert fünf Jahren nachgezogen werden, während Kinder bis zum 12. Altersjahr innert fünf und Kinder über 12 Jahren bis zum 18. Altersjahr innert eines Jahres nachgezogen werden müssen. 

Diffuse Beschwörungen

In der Praxis scheitern solche Familiennachzüge nicht selten an verpassten Nachzugsfristen. Dass dies offenbar keinem der Ratsmitglieder bewusst war, jedenfalls nicht zur Sprache gebracht wurde, offenbart eine schier unglaubliche gesetzgeberische Ignoranz. Damit nicht genug. Auch die Bundesverfassung scheint den Ständeräten nur fragmentarisch präsent. Von der Bundesverfassung fand nämlich nur Artikel 121a, wonach die Schweiz die Einwanderung eigenständig steuert, Erwähnung. Niemand wies in der Debatte darauf hin, dass das Parlament von Verfassung wegen verpflichtet ist, zur Verwirklichung der Grundrechte beizutragen. Kein Wort darüber, dass mit der Beseitigung der Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug sowohl dem Diskriminierungsverbot von Artikel 8 der Bundesverfassung als auch der Achtung des Familienlebens gemäss Artikel 13 der Bundesverfassung Nachachtung verschafft werden soll. 

Statt diese Kernanliegen der Gesetzesvorlage zu diskutieren, führte der Ständerat eine Einwanderungsdebatte. Grosszügig geschätzt, kämen bei einer jährlichen Bruttoeinwanderung von 160’000 bis 180’000 maximal 4000 Personen via Familiennachzug hinzu. Ungeachtet entsprechender Prognosen stützte sich die Ratsmehrheit aber auf diffuse Beschwörungen einer unerwünschten Einwanderung, um sich einer grund- und menschenrechtskonformen Gesetzgebung zu verweigern.

Marc Spescha führt ein Advokaturbüro in Zürich, Sven Kury arbeitet dort als Substitut.