Spesenmissbrauch aufgeflogenBankangestellter nutzt Geschäftskarte wiederholt für «Dating Services»
Das Zürcher Arbeitsgericht bestätigt die fristlose Entlassung eines Bankangestellten. Dieser bezahlte mit der Karte seines Arbeitgebers in einem Club – trotz Verwarnung.
- Ein Bankangestellter nutzte eine Geschäftskreditkarte für private Ausgaben.
- Die Bank reagierte nach wiederholten Verstössen mit einer fristlosen Kündigung.
- Das Arbeitsgericht Zürich hält die Kündigung für gerechtfertigt.
- Spesenmissbrauch kann schon bei kleinen Beträgen eine strafrechtliche Verfolgung und harte Sanktionen nach sich ziehen.
In der Nacht vom 1. auf den 2. November 2018 hat der Bankangestellte 3215 Franken ausgegeben. Rund drei Wochen später nochmals 1600 Franken. Dabei ging es offenbar um erotische Dienstleistungen – in einem kürzlich veröffentlichten Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich ist von «Dating Services» die Rede. Obwohl die Ausgaben unbestrittenermassen keinen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit haben, bezahlt der Bankangestellte mit der Kreditkarte, die für geschäftliche Spesen vorgesehen ist.
Die Bank reagiert nach dem zweiten Vorfall: Sie sprach einen Verweis an den fehlbaren Angestellten aus. Darin betonte sie, dass die Nutzung der Geschäftskarte für private Zwecke inakzeptabel sei und dass sie im Wiederholungsfall gezwungen wäre, ohne Vorwarnungen «drastischere Massnahmen» durchzusetzen.
Krankheit vorgetäuscht
Für die klare Tarifdurchsage gibt es einen zweiten pikanten Grund: Der Bankangestellte hat am erwähnten 2. November, um 7.48 Uhr, zum letzten Mal in dieser Nacht mit der Geschäftskarte in einem Club bezahlt. Um 7.49 Uhr teilt er der Arbeitgeberin mit, dass er eine «Magengrippe» habe. Und kurz nach neun Uhr meldet er sich wegen angeblicher Krankheit mit 40 Grad Fieber von der Arbeit ab. Da die Belastungen auf der Geschäftskarte keinen Zweifel an der durchzechten Nacht offenlassen, räumt der Bankangestellte schliesslich die Lüge mit der Erkrankung ein.
Trotz Verwarnung kommt es in der Nacht auf den 14. Februar 2019 zu einem weiteren Vorfall. Diesmal gibt der Bankangestellte mit der Geschäftskarte insgesamt 1725 Franken aus. Jetzt greift die Arbeitgeberin noch gleichentags rasch und hart durch: Der Mitarbeiter muss sofort gehen – er erhält eine fristlose Kündigung.
Das Zürcher Arbeitsgericht hat sich mit dem Fall beschäftigt, weil der Bankangestellte die fristlose Entlassung für nicht gerechtfertigt gehalten und dagegen geklagt hat. Die privaten Ausgaben hat er der Bank zum Zeitpunkt des Verfahrens bis auf 150 Franken zurückbezahlt.
In Dunkelheit versehentlich verwechselt?
Gegenüber dem Gericht argumentiert er, dass er aufgrund der «Dunkelheit in der Bar» die Kreditkarten versehentlich verwechselt habe. Doch daran zweifelt das Gericht. Bei vierzehn Versuchen, die Kreditkarte zu verwenden, könne nicht von einer Verwechslung ausgegangen werden. Elf Bezahlversuche scheiterten. Zweimal versuchte der Angestellte sogar vom Bancomaten Bargeld zu beziehen. Nach Einschätzung des Arbeitsgerichts sind Geldautomaten auch in der Nacht ausreichend beleuchtet. Der Versuch des Bargeldbezugs wiegt erschwerend, da dies laut internen Vorschriften ausdrücklich untersagt ist.
Ob der Bankangestellte die Karten tatsächlich verwechselt hat, ist für das Arbeitsgericht letztlich aber nicht entscheidend. Denn nach dem deutlichen Verweis hätte er besondere Vorsicht walten lassen müssen. Und von einem Angestellten mit einem Jahreslohn von 160’000 Franken und einer verantwortungsvollen Position im Unternehmen dürfe erwartet werden, dass er nach einer Verwarnung ein besonderes Mass an Sorgfalt an den Tag lege. Stattdessen habe er die Weisung der Bank und seine Treuepflicht als Arbeitnehmer «in krasser Weise verletzt».
Aus diesen Gründen kommt das Arbeitsgericht zum Schluss, dass die fristlose Entlassung gerechtfertigt ist. Die Bank muss ihrem ehemaligen Angestellten weder einen Schadenersatz für entgangenen Lohn noch eine Strafzahlung leisten.
Spesenbetrug ist ein Straftatbestand
Damit allein wäre der entlassene Bankangestellte noch gut bedient. Denn Spesenmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Straftatbestand. Denis G. Humbert, Fachanwalt Arbeitsrecht, spricht von «Spesenbetrug» und vergleicht dies mit einem Diebstahl. Nach seiner Einschätzung hätte die Bank ihrem Angestellten aufgrund der «massiven Treuepflichtverletzung und dem Vertrauensbruch» bereits nach den ersten Vorfällen ohne Vorwarnung fristlos kündigen können.
Zusätzlich wäre in solchen Fällen auch eine Strafanzeige möglich. Bei nachweislichem Spesenmissbrauch ist laut Humbert jedoch unabhängig von einem Strafverfahren eine fristlose Kündigung möglich.
Bereits bei kleinen Spesenbeträgen müssen Angestellte mit solchen Konsequenzen rechnen. Beispielsweise ein privates Mittagessen mit Angehörigen oder Freunden auf Geschäftskosten reicht. Ab welcher Höhe es um einen Bagatellbetrag ohne gravierende arbeitsrechtliche Folgen geht, ist im Gesetz nicht klar geregelt. Gerichte beurteilen hier den Einzelfall und haben Interpretationsspielraum. In folgenden Fällen haben Gerichte die fristlose Kündigung bestätigt: Eine Reinigungskraft stiehlt aus einem Schulzimmer ein Portemonnaie mit 40 Franken, eine leitende Pflegefachfrau nimmt einer Patientin 50 Franken weg, und eine Servicemitarbeiterin entwendet einen geräucherten Schweinehals im Wert von 60 Franken. Humbert empfiehlt, es bis zu einem Betrag von 20 Franken bei einer Verwarnung mit Androhung einer fristlosen Kündigung zu belassen.
Es gibt jedoch Unterschiede je nach Hierarchiestufe. Vorgesetzte haben eine Vorbildfunktion. Dementsprechend müssen sie sich bei Missbrauch auf härtere Sanktionen einstellen.
Arbeitgeberin muss sofort reagieren
Aus arbeitsrechtlicher Sicht kommt es schliesslich entscheidend darauf an, wie schnell ein Unternehmen reagiert, wenn ein Spesenmissbrauch auffliegt. «Eine fristlose Kündigung muss üblicherweise innerhalb von zwei bis drei Arbeitstagen ausgesprochen werden – bei einem grossen Unternehmen maximal innerhalb einer Woche», sagt Humbert. Wenn die Arbeitgeberin diese Frist verpasst, gilt die Kündigung selbst bei einem Diebstahl als ungerechtfertigt. In diesem Fall müsste das Unternehmen den Lohn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bezahlen. Eine Strafentschädigung wäre aber aufgrund des groben Verschuldens nicht geschuldet.
Arbeitsgericht Zürich, Urteil vom 11.5.2022, AN190053-L
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