«Bananengate» in BernKampfjet, Schnaps und Stripperinnen: Die grössten Schweizer Spesenaffären
Fürstlich bezahlte Regierungsräte rechnen ihren Znüni und andere Kleinausgaben als Spesen ab. Was jetzt im Kanton Bern bekannt wurde, kommt gar nicht so selten vor.
«Hier fehlt es einfach am Anstand, das muss man nicht mal gross psychologisch erklären.» Dies sagt Wirtschaftspsychologe Christian Fichter, wenn man ihn auf den «Kassensturz»-Bericht anspricht, wonach ein Berner Regierungsrat trotz hohem Lohn und Spesenpauschale sogar noch seine Pausenbanane auf Spesen genommen hat.
«Wahrscheinlich wird da alles vorschriftsgemäss abgerechnet», meint Fichter. «Aber richtig ist es trotzdem nicht.» Der Forschungsleiter an der Fachhochschule Kalaidos sieht neben einem Mangel an Anstand einen zweiten Faktor im Spiel: «Hier liegt auch ein Fehler im System vor.»
Entweder es gebe eine Pauschale oder nicht, aber nicht beides. «Hier müsste die entsprechende Regelung korrigiert werden», sagt Fichter. «Es ist wie so häufig: Mensch und Organisation spielen zusammen – hat die Organisation Lücken, so wird das von einigen Menschen ausgenutzt.»
Dass ausgerechnet namhafte Personen, die auch eine Vorbildfunktion haben, dieses System zum eigenen Vorteil ausnutzen, ist für Fichter besonders stossend. «Mir ist es aber immer noch lieber, es werden Bananen abgerechnet und nicht Besuche in Striplokalen.»
Psychologieprofessor Fichter spricht damit einen der grössten Schweizer Spesenskandale an: den Fall des ehemaligen Raiffeisen-Chefs Pierin Vincenz, der sich unter anderem wegen Spesenmissbrauch in Striplokalen vor Gericht verantworten musste und erstinstanzlich verurteilt wurde.
Zahlreiche weitere Fälle haben Schlagzeilen gemacht – und zum Sturz von Politikern und Beamten geführt. Eine Auswahl:
Versteckte Spesenkässeli: Berner Finanzaffäre
Die Berner Finanzaffäre in den 80er-Jahren war so etwas wie die Mutter aller neueren politischen Skandale in der Schweiz. Ein Revisor der Berner Finanzkontrolle hatte aufgedeckt, dass die Kantonsregierung mit undurchsichtigen Spesenkässeli Abstimmungen beeinflussen wollte. Hinzu kamen – unter anderem – der Missbrauch von Lotterie- und Fondsgeldern, die Privilegierung von Polizisten und die Manipulation der Staatsrechnung.
Zunächst ging die Regierung gegen den Revisor vor: Wegen angeblicher Verletzung des Amtsgeheimnisses durchsuchte die Polizei seine Wohnung. Er flüchtete zu einem Freund. Dann setzte das Kantonsparlament eine Untersuchungskommission ein, die den Revisor vollständig rehabilitierte.
Der Skandal führte unter anderem zu Staatsreformen, Rücktritten hochrangiger Personen und einer nachhaltigen Veränderung der politischen Kultur nicht nur im Kanton Bern.
Reisen auf Rechnung der AHV: Spesenaffäre in der Waadt
Die Chefs der AHV-Kasse des Kantons Waadt hatten Hunderttausende von Franken für Reisen, Hotelübernachtungen, Restaurantbesuche und teure Büromöbel ausgegeben. Die Kantonsregierung schaltete 2021 die Finanzkontrolle ein.
Deren Untersuchung ergab, dass die Spesenzahlungen in der Buchhaltung geschickt versteckt worden waren. Es habe sich um ein «gut organisiertes, umfangreiches und undurchsichtiges System» gehandelt, sagte die zuständige Regierungsrätin. Die Leiterin der Kasse wurde fristlos entlassen, fünf Mitglieder der Geschäftsleitung wurden suspendiert.
Vergnügungsflug im Kampfjet: Spesenskandal bei den Basler Verkehrs-Betrieben
2021 verurteilte ein Basler Strafgericht den ehemaligen Direktor und den Vizedirektor der Basler Verkehrs-Betriebe zu Geldstrafen. Die beiden hatten Gelder aus der Kasse der Verkehrsbetriebe für private Ausgaben ausgegeben: Essen, Ausflüge, Dienstwagen, eine Zweitwohnung für den Direktor und sogar einen Flug in einem Kampfjet.
Das Gericht stellte fest, dass in einigen Fällen eine vorsätzliche Bereicherungsabsicht vorlag, der Gesamtschaden jedoch gering war. Der stellvertretende Direktor zeigte Reue, während der Direktor dafür kritisiert wurde, dass er die schädliche Spesenkultur nicht unterbunden hatte.
53 Gläser Appenzeller: Spesenaffäre bei der Armee
Laut einem Bericht des Verteidigungsdepartements von 2018 haben hohe Militärangehörige und Kadermitarbeitende die Spesenregelung über Jahre eklatant umgangen. Zu den Verfehlungen gehörten die Überschreitung des Höchstbetrags für Verpflegung bei Geschäftsessen, wobei dem Wein und dem Schnaps erheblich zugesprochen wurde (unter anderem 53 Gläser Appenzeller für 28 Personen).
Die Ausgaben waren besonders problematisch, da sie oft in der Nähe des Arbeitsplatzes stattfanden, wo normalerweise kein Anspruch auf Verpflegungsspesen besteht. Der Bericht zeigte auch, dass einige Mitarbeitende Beamtenkreditkarten mit Limiten von bis zu 100’000 Franken besassen und damit erhebliche Ausgaben tätigen konnten.
Das Verteidigungsdepartement veranlasste daraufhin eine strengere Kontrolle und eine Herabsetzung der Kreditkartenlimiten. Zudem wird Alkohol seither generell von den Spesen ausgenommen.
17’000 Franken für Handygespräche: Spesenskandal in Genf
Ein Genfer Stadt- und Nationalrat geriet 2018 ins Kreuzfeuer, nachdem bekannt geworden war, dass er der Stadt Genf 2017 Spesen in der Höhe von 42’000 Franken in Rechnung gestellt hatte. Darunter waren Ausgaben für Champagner, nächtliche Cocktails in Karaokebars, über 100 Taxifahrten, meist zu privaten Treffen, und Handyrechnungen in Höhe von 17’000 Franken.
Der «Champagner-Minister» verfügte über eine jährliche Spesenpauschale von 13’200 Franken und eine Funktionszulage von 6500 Franken. Als Gemeinderat verdiente er monatlich 25’000 Franken, dazu kam die Entschädigung für sein Nationalratsmandat. Trotzdem stellte er die Luxusausgaben in Rechnung. Er gab an, die Kreditkarte der Stadt oft versehentlich mit seiner privaten Kreditkarte verwechselt zu haben, und erklärte sich bereit, 58’000 Franken zurückzuzahlen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.