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Plötzlich Sommer!
Wenn doch nur die Birkenstocks nicht wären

BERLIN, GERMANY - AUGUST 18: Lea Naumann wearing white Cecilie Bahnsen long dress and white Birkenstock sandals on August 18, 2021 in Berlin, Germany. (Photo by Jeremy Moeller/Getty Images)
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Das Comeback der schrecklichsten Schuhe überhaupt

Sie lauern in der kalten Jahreszeit bedrohlich wie kleine Tiere als Finken in vielen Treppenhäusern, und jedes Mal wendet man beim Vorbeigehen beschämt den Blick ab, weil die ausgelatschten Sohlen vom Schweiss ganz dunkel sind. Das ist unappetitlich und überhaupt zu intim, man will nicht über das Transpirationsausmass fremder Füsse informiert werden. Jetzt aber frohlocken die Birkenstock-Fans und tragen ihre Latschen wieder draussen. Wer nun einwendet, die seien halt bequem: Mit Verlaub, das sind ganz viele andere Modelle auch, sehen aber trotzdem einigermassen präsentabel aus. Der Sex-Appeal von Birkenstocks befindet sich im Unternullbereich, in der allertödlichsten Todeszone sozusagen, und wenn man genauer darüber nachdenkt, muss es einen Zusammenhang geben zwischen der sinkenden Geburtenrate und der steigenden Popularität dieses Finkens.

Männer, die auf Grillgut starren

Kaum wird es warm, überkommt den Menschen das Bedürfnis, Fleischstücke auf ein Feuer zu werfen. Vorab die Männer hantieren dann mit Zange und Wurstwaren, archaisch mit Kohle oder vorbildlich emissionsarm mit Gas – um dann minutenlang ergriffen auf ihr Grillgut zu starren. Der süssliche Geruch wabert derweil durch die Gärten, klettert die Balkone hoch in andere Wohnungen und schwebt weiter über die Dächer, Saharastaub gleich, bis er sich über der ganzen Schweiz ausgebreitet hat und dem Sommer sein unverkennbares Parfum verleiht.

Paare in Gartencentern

Am ersten Samstag mit warmen Temperaturen werden die Gartencenter gestürmt, hauptsächlich von Paaren. Er stösst den Wagen, schicksalsergeben, wie die meisten Männer beim samstäglichen Wochenendeinkauf, sie hat einen genauen Plan im Kopf. Während sie also entschlossen vorangeht, stapft er hinterher und schielt heimlich zu den Rasenmähern mit Motor. Manchmal gelingt es ihm, sich unbemerkt in den Gang mit den Grillgeräten abzusetzen, denn er ahnt dunkel, dass er das Modell zu Hause entgegen seinen Beteuerungen am Ende des letzten Sommers nicht geputzt hat, da wäre doch eventuell ein neuer … Aber weiter kommt er nicht, denn sie hat ihn bereits ausfindig gemacht und kräht vom Kräutergestell herüber: «Scha-haaatz, willst du lieber den marokkanischen oder den italienischen Basilikum?» Der Schatz möchte, man sieht es, sehr viel lieber ein Bier. 

Die Pflästerli an den Füssen der Frauen

Ein ehernes Gesetz: Beim ersten Tragen neuer Sandalen gibt es Blasen.

Die umsichtige, modisch interessierte Frau hat sich selbstverständlich spätestens Anfang März ein Paar Sandalen gekauft. Deshalb muss sie, aufgeschreckt von Thomas Buchelis froher Sommerbotschaft, nicht schnurstracks in den nächstbesten Laden rennen, sondern ist gerüstet und kann nun ihre neue Errungenschaft ausführen. Das Problem: Die Schuhe drücken, scheuern oder schneiden ein. Immer, das ist ein ehernes Gesetz. Der Fuss, monatelang verpackt in schützende Socken, reagiert sehr ungehalten auf die plötzliche Veränderung, nämlich mit Blasen. Die Folge: Mit Pflaster versehene Füsse allenthalben und Frauen, die zwar hinreissende Sandalen tragen, aber hinkend an einem männlichen Arm hängen. Selbstverständlich wollen wir aber konstruktiv sein und haben deshalb an dieser Stelle eine Lösung parat: Man kann der Misere präventiv begegnen, indem man die Sandalen nach dem Kauf zu Hause mit dicken Socken einträgt. Das hilft genauso wie das Eincremen der Füsse vor dem Tragen, denn das macht sie geschmeidiger. Geschmeidig ist im Zusammenhang mit Füssen sowieso gut. Siehe nächster Punkt. 

Füsse, die von den klimatischen Verhältnissen überrascht werden

Der Fuss ist ein problematisches Körperteil, jahreszeitenmässig gesehen. Er wird von Oktober bis April grundsätzlich vernachlässigt, er geht ganz einfach vergessen dort unten, und seine Bedürfnisse werden ignoriert. Dass man sich liebevoll um ihn kümmert, darauf kann er nur in den seltensten Fällen hoffen. All diese Vernachlässigungen treten beim warmen Wetter unerbittlich an den Tag, und es sind schreckliche Bilder, die sich einem da bieten. Bleiche Füsse mit Haaren auf den Zehen, Nägel, für die es keine Beschreibung gibt, ausser jener, dass man ihre Nähe meidet, weil das, was man sieht, nur hochansteckend und unheilbar sein kann. Ganz zu schweigen von dieser unfassbaren Haut an den Fersen. Füsse tragen einen ein Leben lang, man sollte sie wirklich umsorgen. Sie danken es einem. Und die Umgebung auch. 

Die Verkniffenen

Alle freuen sich, am Grün, an der Sonne, an der Wärme, schlecken Glaces und verbringen den ganzen Tag im Freien. Nur eine kleine Gruppe nicht: Die Verkniffenen, die den Mitmenschen lächerlich finden, der sich «beim ersten warmen Tag sämtliche Kleider vom Körper reisst und sofort an die Sonne knallt». Diese kleine Gruppe freut sich nicht, sondern rümpft die Nase und erklärt indigniert und gern ungefragt, die allgemeine Hysterie wegen «dieser paar Sonnenstrahlen» nicht nachvollziehen zu können. Überhaupt ist es ihnen schon wieder zu heiss. Obschon es ihnen davor monatelang zu kalt und zu dunkel war.

Junge Männer in ihren getunten Autos

Car, Men, Road Trip, Singing, Driving

Wo sie den Winter hindurch waren, weiss man nicht, aber beim ersten Sonnenschein sind sie plötzlich da, und zwar in Massen: Die jungen Männer mit ihren tiefergelegten Autos. Darin sitzen sie oft zu zweit, zu dritt oder zu viert und rasen mit hämmernden Bässen und aufheulendem Motor dort entlang, wo es viele Strassencafés hat. Sie absolvieren eine eigentliche Tour de Strassencafé und fahren stundenlang im Kreis. Besonders gern treten sie aufs Gas in der Gegenwart von jungen Frauen, zum Beispiel, wenn diese am Lichtsignal neben ihnen auf dem Velo warten müssen. Jetzt scheint da ein wirklich grosser Irrtum seitens der jungen Boliden-Männer vorzuliegen: Es mag Frauen geben, die sich von einem Gefährt mit grossem Auspuff beeindrucken lassen. Aber über den Daumen gepeilt ist die Velofahrerin genuin wohl eher weniger Motor-affin. Und sich mit einem grossen, schnellen, teuren Auto wichtig zu machen, wirkt ja nun doch ein wenig, nun, aus der Zeit gefallen. 

Die leeren Sonnencreme-Regale in den Grossverteilern

Auf einen Schlag herrscht dort gähnende Leere, wo ein Tag zuvor, als noch Frühlingsanfang war und nicht Hochsommer, die Gestelle randvoll waren. Aber die unermüdlichen Warnungen der Dermatologen (rasante Hautalterung! Krebs! Pigmentflecken! ganz allgemeine Entwicklung in Richtung Lederkonsistenz!) haben gewirkt, der Mensch kauft beim ersten T-Shirt-Wetter artig eine neue Sonnencreme. Wobei das noch nichts heisst, siehe Punkt 10. 

Sonnenbebrillte Kinder

Minigangster-Attitude: Knirps, rundum sonnengeschützt.

Auf den Skipisten gibt es sie schon länger, aber neuerdings sind sie ein eindeutiges Sommerphänomen: Knirpse mit Sonnenbrillen. Dazu bekommen sie Sonnenhüte und Sonnenschutzkleidung verpasst und jene Stellen, die noch nicht komplett von den UVA- und UVB-Abwehrmassnahmen erreicht werden, mit Schutzfaktor 50 Extra Plus eingerieben – mit diesen energischen Eltern-Streich-Bewegungen, die der Nachwuchs beeindruckend stoisch über sich ergehen lässt. Natürlich ist das alles verantwortungsvoll von den Erziehungsberechtigten. Trotzdem: Sonnenbrillen verleihen Kindern dieselbe Minigangster-Attitüde wie Lederjacken. 

Die leuchtend roten Körperstellen am Montag

Alle guten Vorsätze halfen nichts, und so leuchten am Montag nach dem ersten Sommerwochenende trotz leerer Sonnencreme-Regale unzählige Mitmenschen von weitem rot. Es ist quasi die Trophäe eines erlebnisreichen Sommer-Wochenendes. Bei Frauen sind es gern BH-Träger, die schneeweiss unter blutroten Schultern hervorlugen, bei Männern die Geheimratsecken und der Nacken. Am Fernsehen werden Dermatologen befragt, die mit düster umwölkter Stirn von schwerwiegenden Langzeitfolgen sprechen, aber natürlich heimlich frohlocken, weil die mangelnde Disziplin schliesslich künftige Kundschaft bedeutet.