Kolumne «Dorfgeflüster»So brutal kann die Natur sein
Im Tierreich wird oft mit harten Bandagen gekämpft. Unsere Autorin beobachtete dies letztens in den Seegärten in Stäfa.
Es war eigentlich ein eindrückliches Schauspiel: Letztens wurde ich Zeugin davon, wie zwei Schwäne in den Stäfner Seegärten kämpften. Während sich das unterlegene Tier unterwürfig gab, sprang der andere Schwan immer wieder auf seinen Widersacher, packte ihn brutal am langen Hals und stiess ihn gewaltsam unter den Zaun des Segelclubs. Ohne Gnade drückte er seinen Kontrahenten zu Boden. Einen Moment lang dachte ich sogar, dass er dem anderen Schwan das Genick gebrochen habe.
Von zahlreichen Badegästen, die in den Seegärten am Sonnen waren, liessen sich die Tiere nicht stören. Sie würdigten uns keines Blicks. Wir Menschen wiederum schwankten zwischen Faszination und Mitgefühl für den unterlegenen Schwan. Der Gedanke, ob man dem Tier nicht helfen müsse, schoss wahrscheinlich nicht nur mir durch den Kopf. Aber er machte sogleich der Einsicht Platz, dass dies eben die Natur ist und dass zu dieser auch der Konflikt zwischen konkurrierenden Wildtieren gehört. Der Kampf zwischen den beiden Schwänen zog sich denn auch über mehrere Minuten.
Irgendwann liess der dominante Schwan von seinem Gegner ab und begab sich ins Wasser. Dort wurde dann auch offensichtlich, was er verteidigt hatte: Im See schwamm nämlich eine Schwanenmama mit mehreren Küken im grauen, flauschigen Federkleid. Ob der andere Schwan dem Stäfner Schwanenpapa sein Weibchen beziehungsweise seine Familie abspenstig machen wollte? Die Imponierpose mit stolz gewölbten Flügeln, mit welcher der siegreiche Schwanenpapa seine Brut umkreiste, legt das nahe. Der angegriffene Schwan blieb noch eine Weile auf der Wiese sitzen, um sich vom Kampf zu erholen. Wahrscheinlich machte er sich danach auf, um sein Glück bei einem anderen Weibchen zu versuchen.
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