Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Kolumne «Dorfgeflüster»
Die internationalste Treppe am Zürichsee

Morgen kurz vor halb acht Uhr: Die letzten Nachzügler des Pendlerstroms quälen sich den Klevnerweg hoch.

Jeden Morgen ist in den Reben der Üriker Sternenhalde eine Art Völkerwanderung zu beobachten. Eine Menschentraube bewegt sich langsam die steile Treppe den Rebberg hinauf, als hätte sich gerade eine Seniorengruppe zu einem Wanderausflug aufgemacht. Mit dem Unterschied, dass die Ausflügler alle im Erwerbsalter sind und nicht nur Rucksäcke tragen, sondern auch Akten- und Laptoptaschen.

Interessanterweise nehmen diese Menschenansammlungen zu bestimmten Zeiten zu und dann wieder ab, ähnlich wie die Gezeiten im Meer. Schnell merkt man, dass dies davon abhängt, wann ein Zug im nahe gelegenen Bahnhof Ürikon einfährt. Dann steigen dort Pendlerinnen und Pendler aus, die die steile Treppe durch den Rebberg unter die Füsse nehmen, hinauf zum Industriequartier Laubisrüti, wo sich ihr Arbeitsplatz befindet.

Und weil in der Laubisrüti weltweit tätige Firmen wie Phonak und Sensirion beheimatet sind, ist die Bezeichnung Völkerwanderung tatsächlich sehr zutreffend. Denn das Grüppchen aus mehreren Dutzend Personen ist jeweils sehr international zusammengesetzt. Das Geschnatter – durchaus vergleichbar mit jenem von Ausflüglern wie Senioren oder Schulkindern – ertönt in verschiedensten Sprachen. Hochdeutsch, Französisch, Italienisch sowie Schweizer Dialekt in allen möglichen Färbungen sind zu hören – und natürlich Englisch, vom lupenreinen Britischen über das US-Amerikanische bis hin zu teils schwer eruierbaren Akzenten.

Manchmal fragt man sich sogar, ob diese wohl internationalste Treppe am ganzen Zürichsee ursprünglich einmal ganz woanders eingebaut war. Vielleicht hatte sie ja einst beim Turmbau zu Babel Verwendung gefunden? Und da wir schon beim Thema Völkerverständigung und Sprache sind: Für viele, die diesen Weg täglich in Angriff nehmen, ist vielleicht nicht nur die steile Treppe eine echte Herausforderung, sondern auch deren Name. Spannend wäre es jedenfalls, zu hören, auf wie viele unterschiedliche Weisen die Leute «Klevnerweg» aussprechen.