Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Gastbeitrag zum Ende einer Ära
Thomas Jordan hat vieles richtig gemacht, war aber zu lange Präsident der Nationalbank

Swiss National Bank's (SNB) Chairman of the Governing Board Thomas Jordan during the 115. Ordinary General Assembly of Swiss National Bank (SNB), at Bern, Switzerland, this Friday, April 28, 2023. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Thomas Jordan wird als eine der dominantesten Persönlichkeiten in die Annalen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eingehen. Mit 34 Jahren trat er in die SNB ein und stieg schnell zu deren Spitze auf. Seine Amtszeit war ungewöhnlich lang, denn er hat sein gesamtes Arbeitsleben dort verbracht. Die letzten zwölf Jahre stand er der SNB als Präsident vor, ganze 17 Jahre lang sass er im Direktorium – dem dreiköpfigen Führungsgremium der Bank. Er stand und steht auch heute noch absolut loyal zu «seiner» Nationalbank.

Eine Notenbank zu leiten, erfordert eine ruhige Hand und ausgezeichnete kommunikative Kompetenz. Letztere musste sich Jordan im Lauf der Zeit erarbeiten. Zu Beginn wirkte er manchmal verunsichert – beispielsweise am 15. Januar 2015, als er die Aufgabe der Eurountergrenze verkündete. Der Auftritt wirkte alles andere als souverän und markierte einen flagranten Kontrast zur Pressekonferenz seines Vorgängers, Philipp Hildebrand, der im September 2011 die Einführung ebendieser Untergrenze bekannt gegeben hatte.

Aber Jordans Sicherheit wuchs in den darauffolgenden Jahren ungemein. Er erarbeitete sich eine Statur und Glaubwürdigkeit im öffentlichen Auftritt, die potenzielle Zweifel im Keim erstickte.

Jordan hat die Inflation in Schach gehalten

Von den Mandaten der SNB stand ihm die Inflationsbekämpfung am nächsten. Alles in allem hat Jordan eine geschickte und erfolgreiche Geldpolitik geführt. Das zeigte sich etwa nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Die Inflation schnellte weltweit mit dem Versiegen des russischen Erdgases in die Höhe.

Dass die Inflation in der Schweiz trotzdem nur geringfügig übers Ziel hinausging, hat einerseits mit dem geringen Anteil von Gas im Schweizer Preisindex zu tun und mit dem hohen Anteil der Preise, die vom Staat festgelegt werden. Aber auch die SNB hat einen Beitrag geleistet: Sie liess den Franken rasch aufwerten, was importierte Waren billiger machte.

Die Inflation kann aber auch zu tief sein. Wir haben das zwischen 2009 und 2021 erlebt, als die Inflation um null Prozent herum pendelte und alle fortgeschrittenen Länder Mühe hatten, diese «Lowflation» hinter sich zu lassen.

Tiefes Inflationsziel war Teil des Problems

Die beiden Vorgänger von Jordan, Philipp Hildebrand und Jean-Pierre Roth, hatten 2009 und 2011 noch deutlich auf die Gefahr hingewiesen, dass der Zinssatz als geldpolitisches Instrument in dieser Situation unwirksam werden könnte. Unter Jordans Führung finden wir keinerlei Hinweise mehr darauf.

Genau das ist allerdings eingetreten. Die Nationalbank hatte mehr Schwierigkeiten als andere Notenbanken, die Situation in den Griff zu kriegen. Sie hat ab 2015 einen rekordtiefen Negativzins von –0,75 Prozent durchgesetzt, was zu allerlei Verzerrungen im Finanzmarkt und im Bankenbereich führte.

Ein wesentlicher Grund dafür ist das vergleichsweise tiefe Inflationsziel von 0 bis 2 Prozent, das sich die Nationalbank gesetzt hat. Jordan anerkennt bis heute nicht, dass das sehr tiefe Inflationsziel Teil des Problems war.

Die Gewinne der Nationalbank gehören dem Staat

Überhaupt scheint Jordan in seiner Funktion als oberster Hüter des Frankens lieber dem Publikum zu erklären, wie die Welt funktioniert, als anderen Meinungen zuzuhören. Manche bezeichnen das als geradlinig und unbeirrbar, andere interpretieren dasselbe Verhalten als wenig flexibel oder gar stur.

Ebenfalls keine Einsicht hat Jordan in der Frage der Gewinnverteilung gezeigt. Die Gewinne der Nationalbank gehören dem Staat – sie kommen Bund und Kantonen zugute. Die SNB darf gemäss Nationalbankgesetz nur so viel Gewinn in Form von Rückstellungen zurückbehalten, wie geldpolitisch notwendig ist.

Unter Jordans Leitung hat die Nationalbank die Rückstellungen zulasten der Gewinnausschüttung massiv erhöht – ohne zu erklären, wie viel geldpolitisch wirklich «notwendig» ist. Die SNB hält zurzeit Eigenkapital im Umfang von 113 Milliarden Franken, doch sie konnte in den vergangenen zwei Jahren keinen Franken für den Staat erübrigen?

In Zeiten finanzieller Herausforderungen nach der Pandemie hätten sich manche mehr Musikgehör und «Handeln im Gesamtinteresse des Landes» gewünscht. Die Verweigerungshaltung erweckt den Verdacht, dass bei der SNB politische Motive mitschwingen: fiskalischer Konservativismus und Schutz des Volksvermögens vor dem Parlament, das allzu gern Geld verteilt.

Credit-Suisse-Pleite trübt die Bilanz

Das zweite grosse Mandat der Nationalbank ist deren Beitrag zur Finanzstabilität. Ihr wichtigstes Mittel hierfür ist die Bereitstellung von Liquidität für systemrelevante Banken, die den Zugang zur Finanzierung auf dem privaten Markt verlieren und zu scheitern drohen. Das Gesetz verlangt, dass die SNB das nur gegen ausreichende Sicherheiten tut.

Als die Credit Suisse 2023 in Schieflage geriet, hat die Nationalbank in der Not sehr viel Liquidität bereitgestellt – einen Teil davon sogar ohne Sicherheiten. Das war pragmatisch, aber es wurde nur durch die notrechtliche Verordnung des Bundesrats legal. Das ist nicht Ausdruck einer guten Vorbereitung.

Jordan hat im Nachhinein erklärt, die Credit Suisse sei unvorbereitet gewesen und habe zu wenig brauchbare Sicherheiten geliefert. Allerdings hat auch die SNB vor der Krise nicht auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Sie hat ebenfalls nicht auf die Bank eingewirkt, diese Situation zu verbessern.

Immerhin hat diese Episode dazu geführt, dass die SNB inzwischen den «public liquidity backstop» unterstützt: eine von ihr gewährte Nothilfe, für die der Bund bürgt. Das war nicht immer so. Die SNB scheint etwas gelernt zu haben.

Nationalbank wurde zur One-Man-Show

Die Schweiz kann sich glücklich schätzen, manche Staatsdiener zu haben, die sich mit Haut und Haar ihrer Aufgabe widmen. Thomas Jordan ist in dieser Hinsicht ein herausragendes Beispiel. Die Schattenseiten davon sind jedoch unübersehbar. Jordan hat aufgrund der Länge seiner Amtszeit und seines engen beruflichen Tätigkeitsgebiets eine ungesunde Machtfülle aufgebaut.

Er war derart dominant, dass Personen von ausserhalb der Nationalbank ihn in keiner Weise mehr herausfordern konnten. Das war wahrscheinlich auch für Personen innerhalb der SNB zunehmend schwierig. Die SNB ist unter seiner Führung zu einer One-Man-Show geworden. Wenn in einer Institution kein Widerspruch mehr möglich ist, können leicht Fehler passieren.

Die Amtszeit der Direktoriumsmitglieder beträgt sechs Jahre. Unbeschränkte Wiederwahl ist möglich. Martin Schlegel, Jordans Nachfolger, ist seit 2022 im Direktorium und wird nun im Alter von 48 Jahren Präsident. Es ist also ohne weiteres möglich, dass er die SNB sechzehn Jahre lang anführen wird.

Solche Zeitspannen sind für eine Position von dieser Bedeutung zu lange. Es ist an der Zeit, die Amtszeiten im SNB-Direktorium zu beschränken.