Kommentar zum Untergang der Credit SuisseAus lauter Angst vor der Wahrheit in den Abgrund
Die Nähe von Politik, Aufsicht und Management war im Fall der CS. verheerend.
Es ist gespenstisch ruhig geworden im prominentesten Gebäude der Stadt Zürich. Der Hauptsitz der Credit Suisse am Paradeplatz ist nur noch Fassade. Auf dem Dach leuchtet noch das Logo der Bank, aber drinnen, in den prunkvollen Büros, arbeitet kaum mehr jemand. Die Reichen und Mächtigen der Welt treffen sich bei der UBS. Die CS ist schon fast in Vergessenheit geraten.
Doch das wird nicht so bleiben. Ganz im Verborgenen haben sich die Parlamentarier der CS-Untersuchungskommission (PUK) ein Jahr lang mit der Frage befasst, wie es sein konnte, dass die zweitgrösste Schweizer Bank, kontrolliert von der internen und der externen Revision, überwacht von der Finanzmarktaufsicht (Finma), begutachtet von der Nationalbank und beaufsichtigt vom Finanzdepartement, im März 2023 einfach so implodieren konnte.
Das Bild, das sich ergibt, ist symptomatisch. Vor lauter Intransparenz und Geheimhaltung hat niemand gemerkt, wie schlecht es der Bank ging, am Schluss nicht einmal die eigenen Manager. Alles wurde über Jahre hinweg vertuscht, wer aufmuckte, landete auf der Strasse. Zeitungen und Journalisten wurden eingeklagt, wenn sie versuchten, Licht ins Dunkel zu bringen. Und das seit bald 50 Jahren. So lange brauchte es, bis nach zahllosen Skandalen das Vermächtnis von Alfred Escher so weit ruiniert war, dass die UBS fast gratis ihre Konkurrenz übernehmen konnte.
Dass das am Schluss überhaupt noch möglich war, ist ein Glücksfall für die Schweiz, denn ein Konkurs der CS – und dazu wäre es ohne die Übernahme gekommen – hätte bedeutet, dass im Schweizer Zahlungssystem das Chaos ausgebrochen wäre. Löhne von zahlreichen Firmen hätten nicht ausbezahlt werden können, es wäre zu einer Konkurswelle gekommen. Eine geordnete Abwicklung, so wie vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehen, wäre unmöglich gewesen. Nur schon in den USA gab es offene Rechnungen von mehr als 100 Milliarden Franken. Es ging um die Rettung des Schweizer Finanzsystems. Und die ist gelungen. Die Schalter blieben offen, die Konten wurden bedient, aus Sicht der meisten Schweizerinnen und Schweizer ist nicht viel passiert.
Doch dass man jetzt einfach so zur Tagesordnung übergeht, so wie das viele der Verantwortlichen gern hätten, geht nicht. Nur schon darum, weil sich die Tragödie nicht wiederholen darf. Denn einen solch bequemen Ausweg, wie es ihn dank der Zwangsübernahme durch die UBS gab, ist nicht mehr möglich. Es darf auch nie mehr eine solche Nähe von Politik, Aufsicht und Management geben, wie im Fall der CS. Gemeint ist da nicht nur Ueli Maurer, der als Finanzminister wohl die Distanz verlor. Gemeint ist auch das Parlament, das den CS-Lobbyisten immer wieder auf den Leim kroch, der Aufsicht und den Gesetzen den Zahn zog.
Genau diese Damen und Herren bildeten nun die parlamentarische Untersuchungskommission. Das Erste, was man von der Präsidentin Isabelle Chassot hörte, war, dass sie die PUK-Akten 50 Jahre sperren liess. Wozu? Das weiss nur Chassot, denn schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der CS gibt es nicht mehr. All die, die bei der PUK mitarbeiten, sind beim Thema CS zum Schweigen verpflichtet, genauso wie alle, die dort ausgesagt haben. In den USA war dies nach der Finanzkrise ganz anders. Damals mussten die Bankchefs vor laufender Kamera erklären, warum sie Milliardenverluste verursacht hatten.
Bei der CS geht es nicht nur um das. Die Bank hat von 2012 bis 2022 rund 12 Milliarden Franken für Bussen, Vergleichs- und Schadenersatzzahlungen bezahlt, mehr als jede andere Schweizer Bank. Und dabei ging es nicht «nur» um unversteuertes Schwarzgeld, sondern um Drogenhandel und Betrug. Im Fall von Moçambique haben die Banker sogar ein ganzes Land in Ruin und Armut gestürzt. Dafür hätten sich die hoch bezahlten Manager, die ja nie für etwas verantwortlich sind, öffentlich rechtfertigen sollen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet die geheimniskrämerische PUK dem Geheimregime von Ueli Maurer auf die Schliche gekommen ist. Es bleibt der Eindruck, dass bei der zweitgrössten Schweizer Bank aus lauter Angst vor Transparenz, oder vielmehr vor der Wahrheit, jahrelang niemand einschritt, um die Katastrophe zu verhindern, bis dann am 19. März 2023 nur noch der Notverkauf an die UBS blieb.
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