Nach Kritik an Nationalbank«Gefährlich für unser Land»: Bankratspräsidentin schiesst zurück
An der SNB-Generalversammlung kritisiert Barbara Janom Steiner, Präsidentin des Bankrats, ihre Kritikerinnen und Kritiker ungewöhnlich scharf. Diese lassen sich das nicht gefallen.
Von der Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gibt es kaum je Aufsehenerregendes zu berichten. Anders als in normalen Aktiengesellschaften haben die Aktionärinnen und Aktionäre der Notenbank zu wichtigen Dingen, insbesondere zur Geldpolitik, nichts zu sagen. Das Gesetz schränkt ihre Befugnisse stark ein.
Doch dieses Jahr fällt Barbara Janom Steiner durch ihr angriffiges Referat auf. Die Präsidentin des Aufsichtsgremiums kritisierte die Kritiker der Nationalbank in ungewöhnlich scharfen Worten. «Diese Forderungen – oder müsste ich sagen: Angriffe? – lassen sich von unbekümmertem Leichtsinn bis hin zu handfesten Partikularinteressen einstufen. Beides ist für unser Land gefährlich.»
Zunehmende Kritik an der SNB und am Bankrat
In letzter Zeit häufte sich Kritik aus verschiedenen Richtungen. Im Umfeld der Generalversammlung protestiert die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss klimapolitischer Organisationen, gegen die Weigerung der SNB, klimapolitische Ziele in ihrer Anlagepolitik zu berücksichtigen.
Die SP-Nationalrätin Céline Widmer kritisierte die Ausschüttungspolitik der SNB und eine «zu mächtige Rolle des Präsidenten» Thomas Jordan. Sie sprach sich für eine Erweiterung des Direktoriums auf fünf oder sieben Mitglieder aus.
Kritik an der Führung und der Aufsicht der Nationalbank, ihrer Governance, kommt auch vom SNB-Observatorium. Es besteht aus den Ökonomen Yvan Lengwiler, Charles Wyplosz und Stefan Gerlach und verfolgt das Ziel, die Politik der Nationalbank mit kritischen Diskussionsbeiträgen zu hinterfragen.
Das Observatorium kritisiert die Governance, insbesondere eine mangelnde Transparenz des Bankrats und der Nationalbank. Das Direktorium sei mit drei Mitgliedern zu klein, es fehle Know-how von Persönlichkeiten mit Erfahrungen von ausserhalb der SNB. Auch sollte sie mehr Gewinne an Bund und Kantone ausschütten.
Warnung vor Schwächung der Nationalbank
All diesen Forderungen erteilte Janom Steiner an der GV eine Abfuhr. Das Mandat der SNB sei die Gewährleistung der Preisstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung. Darin sei sie sehr erfolgreich gewesen. Dies sei wesentlich ihrer Unabhängigkeit und dem eng definierten gesetzlichen Auftrag zu verdanken. «Ohne diese Unabhängigkeit würde die Geldpolitik zum Spielball von interessenpolitischen Kräften.»
Die Forderungen nach Änderungen an der Governance würden teilweise «als Vorwand benutzt, um die Unabhängigkeit und das enge Mandat zu unterwandern». Jene nach Vergrösserung des Direktoriums «bergen die Gefahr, dass das Direktorium nach politischen beziehungsweise ideologischen Kriterien oder aufgrund von Partikularinteressen besetzt wird».
Das «Gesamtinteresse des Landes», auf welches das Handeln der Nationalbank per Gesetz verpflichtet ist, werde «mitunter missbraucht, um das Mandat der Nationalbank nach Gutdünken auszuweiten». Je nach politischer oder ideologischer Orientierung würden auch der Klimaschutz oder die Sicherung der Altersvorsorge als Aufgabe der Nationalbank bezeichnet.
«Eine Zentralbank mit einem solchen Leistungsausweis mittels sachfremder oder politisch motivierter Forderungen schwächen zu wollen, scheint mir persönlich weder verantwortungsvoll noch zielführend zu sein. Ich halte es im Gegenteil für brandgefährlich.»
«Diese Rede ist ein grosser Fehler»
«Ich bin überrascht über die Emotionalität der Rede», sagt SP-Nationalrätin Céline Widmer zu Janom Steiners Referat an der GV. «Ihre Reaktion auf Kritik ist nicht sehr souverän.» Widmer verwahrt sich gegen den Vorwurf, die Unabhängigkeit der SNB in Zweifel zu ziehen: «Ich habe die Governance kritisiert. Die Unabhängigkeit der SNB wird damit überhaupt nicht infrage gestellt.»
«Die Nationalbank macht bei der Wahrung der Preisstabilität einen sehr guten Job, das hat niemand angezweifelt. Ihre Governance wurde kritisiert, und das muss bei einer so wichtigen Institution wie der SNB selbstverständlich möglich sein», sagt Stefan Gerlach, ehemaliger Vizepräsident der irischen Notenbank und heute Chefökonom der Bank EFG. «Diese Rede ist ein grosser Fehler. Es ist nie eine gute Idee, wenn eine Zentralbank ihre Kritiker angreift.»
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