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Klimaschädigende Anlagen
Klimaallianz bezichtigt die Nationalbank der Schönfärberei

Schaad vom 15.04.2024

Erstmals legte die Nationalbank den CO₂-Ausstoss ihrer Anlagen offen. Dabei habe sie massiv untertrieben, moniert die Klimaallianz. Das Thema beschäftigt jetzt den Nationalrat.
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10,2 Millionen Tonnen: So viel CO₂ hätten im vergangenen Jahr die Unternehmen ausgestossen, deren Aktien sie in ihrem Portfolio hält, gab die Schweizerische Nationalbank vor Monatsfrist bekannt. Es war eine Premiere, die nicht ganz freiwillig erfolgte. Die SNB hatte sich mit «Green Finance» stets schwergetan. Ab dem Geschäftsjahr 2023 müssen aber von Gesetzes wegen alle grossen Aktiengesellschaften den CO₂-Fussabdruck ausweisen, den ihre Geschäftstätigkeit hinterlässt.

Jetzt werden die Berechnungen der Nationalbank von der Klima-Allianz – ein Zusammenschluss klimapolitischer Organisationen – infrage gestellt. In Tat und Wahrheit sei der Ausstoss rund viermal höher als von der SNB angegeben, kommt eine dieser Tage veröffentlichte Untersuchung zum Schluss. Demnach sind die Unternehmen des SNB-Aktienportfolios nicht für 10,2 Millionen Tonnen CO₂ verantwortlich, sondern für mindestens 41,7 Millionen Tonnen. Das entspricht mehr oder weniger dem gesamten jährlichen CO₂-Ausstoss der Schweiz; dieser betrug laut den aktuellsten verfügbaren Daten 45 Millionen Tonnen im Jahr 2021.

Sowohl die SNB als auch die Klima-Allianz berufen sich bei ihren Zahlen auf Empfehlungen der «Taskforce on Climate-related Financial Disclosures», einer internationalen Arbeitsgruppe zur Klima-Berichterstattung, die dem einflussreichen Finanzstabilitätsrat angehört. Woher stammt also die Diskrepanz?

Eine Emissionskategorie nicht eingerechnet

Die Empfehlungen unterscheiden drei Arten von Treibhausgasemissionen: erstens direkte, welche die Unternehmen ausscheiden, zweitens indirekte, die durch den Energiebezug dieser Unternehmen entstehen, und drittens weitere indirekte Emissionen. Die Nationalbank hat nur die ersten beiden Kategorien in ihrem Aktienportfolio berechnet. Die dritte Kategorie liess sie aus – mit der Begründung, dass die Daten, welche die Unternehmen dazu liefern, nur auf Schätzungen beruhten und von unzureichender Qualität seien.

Diese dritte Kategorie mache aber den weitaus grössten Teil der Gesamtemissionen aus, schreibt die Klima-Allianz in ihrem Bericht: «Indem die SNB diese nicht angibt, ignoriert sie den wichtigsten Teil ihrer finanzierten Emissionen.»

Fünf Vorstösse wollen Nationalbank zu ihrem Glück zwingen

Das Thema beschäftigt in der am Montag beginnenden Sondersession den Nationalrat. Er entscheidet über fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen von SP, Grünen, Grünliberalen und der Mitte, welche die SNB zwingen wollen, bei ihrer Geld- und Währungspolitik auch Klimarisiken zu berücksichtigen. Eine entsprechende Bestimmung soll ins Nationalbankgesetz aufgenommen und das Mandat der SNB entsprechend erweitert werden.

Weltweit würden Klimarisiken als signifikante finanzielle Risiken eingestuft, welche die Finanz- und Preisstabilität gefährden könnten, heisst es in den Vorstössen. Andere Zentralbanken seien diesbezüglich deutlich weiter als die schweizerische, die sich auf den Standpunkt stelle, dass ihr Mandat nicht ausreiche, um Klimarisiken in ihrer Anlagestrategie ausreichend zu berücksichtigen.

Immerhin erwirbt die SNB keine Wertschriften von Firmen, die systematisch gravierende Umweltschäden verursachen. Und seit Ende 2020 verzichtet sie auf Investitionen in Firmen, die hauptsächlich Kohle zur Energiegewinnung fördern.

SNB sieht Probleme – aber keinen Handlungsbedarf

Die SNB räumt selber ein, dass die Folgen des Klimawandels weitreichende Folgen für die Volkswirtschaft haben könnten. «Beispielsweise können extreme Wetterereignisse die Wirtschaft und die Preise kurzfristig durch Schäden an der Infrastruktur oder die Beeinträchtigung von Lieferketten beeinflussen», schreibt sie in ihrem Nachhaltigkeitsbericht.

Mit den parlamentarischen Initiativen kann sich die Nationalbank dennoch nicht anfreunden. Sie habe heute bereits die notwendigen Instrumente, um ihr Mandat erfüllen zu können, «auch im Hinblick auf die Klima- und Umweltrisiken», heisst es in einer Stellungnahme.

Parlamentarisches «Denk- und Diskussionsverbot»

Die Wirtschaftskommission des Nationalrats empfiehlt die Initiativen nur äusserst knapp zur Ablehnung; der Entscheid fiel Ende der letzten Legislatur mit Stichentscheid des damaligen Präsidenten Leo Müller (Mitte). Inzwischen ist der Rat weiter nach rechts gerückt, womit die Chancen weiter gesunken sind. Zumal die beiden Mitte-Vertreter, von denen zwei der fünf Vorstösse stammen, nicht mehr im Parlament sind.

Einer von ihnen ist Martin Landolt. Für den ehemaligen BDP-Präsidenten und politischen Berater der UBS geht es letztlich um Risikomanagement: «Dass man als guter Manager auch die Klimarisiken zu managen versucht, liegt auf der Hand.» Die parlamentarischen Initiativen würden die geldpolitische Autonomie der Nationalbank nicht einschränken. Dass sie im Parlament dennoch einen schweren Stand haben dürften, erklärt Landolt mit dem «Denk- und Diskussionsverbot», das sich das Parlament jeweils bei der Schweizerischen Nationalbank auferlege.