Druck von der Strasse auf die SNBDer Elefant unter den Investoren sieht sich in die Ecke gedrängt
Die Nationalbank müsse ihr Versprechen einlösen, fordern die Klimaaktivisten. Die obersten Währungshüter versuchten bisher, den Ball flach zu halten. Jetzt geraten sie in die Defensive.
Der Vorwurf der Klimaaktivisten ist hart. «Die Schweizerische Nationalbank setzt das Geld der Schweizer Bevölkerung ein, um die Klimakrise anzuheizen», echauffiert sich Stephanie Wyss. Die Mediensprecherin des Klimabündnisses Rise Up for Change sagt, dass die SNB noch immer Aktien im Wert von 5,5 Milliarden Franken in zerstörerische Unternehmen investiere, die Erdöl, Kohle und Gas fördern. Und verrate nicht mal, in welche.
Deshalb nimmt Rise Up for Change in der zweiten Hälfte der laufenden Aktionswoche, die am Montag mit der Blockade der CS und der UBS in Zürich begann, die obersten Währungshüter ins Visier. Am Mittwoch war der Hauptsitz der Nationalbank in Zürich das Ziel. Für den Freitagvormittag ist dem Vernehmen nach eine «bunte und kreative Aktion» vor dem SNB-Sitz in Bern geplant, bevor sich die Klimaaktivistinnen und -aktivsten am Mittag zur grossen Schlussdemo auf dem Münsterplatz versammeln.
Lange ein gut gehütetes Geheimnis
Dass sich die Klimabewegung die Bank der Banken vorknöpft, liegt zunächst mal an der schieren Grösse ihres Anlagegeschäfts. Mit einer Bilanzsumme von über einer Billion Franken, der Hauptharst davon Devisenanlagen, gehört die SNB weltweit zu den grössten institutionellen Anlegerinnen. Schon 2012 betitelte sie SNB-Präsident Thomas Jordan als Elefant unter den Investoren.
Das war zu Beginn der Phase des von der Nationalbank festgesetzten Euromindestkurses von 1.20 Franken, in welcher sich der Devisenberg nahezu verdoppelte: Von September 2011 bis Januar 2015 nahm er von 281 auf 510 Milliarden Franken zu. Der Grund für das bis heute anhaltende Wachstum der Devisenanlagen liegt im Bemühen der Nationalbank, die Aufwertung des Frankens zu bremsen, indem sie ausländische Währungen kauft.
Wie sie diese investiert, war lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis: Die SNB gibt nicht bekannt, an welchen Unternehmen sie sich beteiligt. Dank der US-Börsenaufsicht SEC erhält die Öffentlichkeit seit 2013 dennoch Einblick in das SNB-Aktienuniversum. Denn das US-Börsengesetz verpflichtet institutionelle Anleger zur Offenlegung ihres Engagements, wenn sie mehr als 100 Millionen Dollar in Firmen investieren, die an US-Börsen gehandelt werden.
Unter den 2483 dieser Firmen, an denen sich die Schweizerische Notenbank gemäss der jüngsten SEC-Aufstellung beteiligt hat, figurieren auch solche mit einem zweifelhaften Ruf bezüglich Klimapolitik. So hielt sie Beteiligungen in der Höhe von 910 Millionen Franken am Mineralölkonzern Exxon Mobil.
Die SNB investiere aber nicht in Aktien oder Anleihen von Unternehmen, «deren Produkte oder Produktionsprozesse in grober Weise gegen politisch und gesellschaftlich breit anerkannte Werte verstossen», sagt ihr Sprecher Fabio Sonderer. Sie erwerbe daher keine Wertschriften von Unternehmen, «die systematisch gravierende Umweltschäden verursachen».
Im Dezember 2020 gab die Nationalbank ein Klimaversprechen ab, auf das sie jetzt von den Aktivistinnen und Aktivisten behaftet wird: Sie werde sämtliche Unternehmen, «die primär im Kohleabbau tätig sind, aus ihren Portfolios ausschliessen», kündigte SNB-Präsident Jordan damals vor den Medien an.
Inzwischen klingt es weniger strikt: Gemäss Sonderer betrifft der Ausschluss nur jene Firmen, die «primär Kohle zur Energiegewinnung abbauen». Der Zusatz ist insofern entscheidend, als sich damit die Beteiligung an der US-Firma Warrior Met Coal rechtfertigen lässt, die in Alabama metallurgische Kohle – also zur Herstellung von Metall – abbaut.
Die Standardantwort, mit der Nationalbank und Bundesrat seit Jahren sämtliche Einwände gegen die Anlagepolitik vom Tisch wischen, lautet wie folgt: Die Anlageverwaltung der SNB sei primär auf die Erfüllung des geldpolitischen Auftrags ausgerichtet. Gleichzeitig legt aber das Pariser Klimaabkommen, das die Schweiz 2017 ratifizierte, das Ziel fest, die Finanzflüsse klimaverträglich zu gestalten.
Mit dessen Erfüllung liess sich die Schweizerische Nationalbank Zeit: Als im gleichen Jahr acht Zentralbanken und Finanzmarktaufsichtsbehörden das Network for Greening the Financial System (NGFS) gründeten, beschränkte sie sich zunächst auf die Rolle der Beobachterin. Erst im April 2019, nach anhaltender Kritik aus dem linksgrünen Lager, trat sie dem NGFS zusammen mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht als 35. und 36. Mitglied bei.
SNB bewegt sich
Die Politik setzt allerdings zunehmend Druck auf. Ende 2020 überwies das Parlament ein Postulat der Wirtschaftskommission des Nationalrats, das den Bundesrat verpflichtet, zumindest einen Bericht zu verfassen. Finanzminister Ueli Maurer erklärte sich bereit, darin aufzuzeigen, «wie die Nationalbank den Bund bei der Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele unterstützen kann und welche proaktive Rolle sie in der Koordination von Klimamassnahmen einnehmen kann».
An der Nationalbank geht das nicht spurlos vorüber. Als die grüne Waadtländerin Adèle Thorens Goumaz, damals noch Mitglied des Nationalrats, vor vier Jahren ihren ersten Vorstoss für eine klimafreundliche Anlagepolitik einreichte, stiess sie, wie sie sagt, bei der SNB noch auf völliges Unverständnis. Das habe sich seitdem gründlich geändert. «Jetzt bewegt sie sich. Spät und langsam zwar, aber sie bewegt sich», urteilt die heutige Ständerätin. Allerdings nur unter Druck – auch von der Strasse.
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