Slowakische RegierungFico führt Hasskampagne gegen Oppositionschef und dessen Familie
18’000 protestieren gegen seine Kulturministerin, doch der slowakische Premier hält zu ihr und diffamiert stattdessen Michal Simecka – mitsamt faschistischen Liedern.
Am Gebäude der slowakischen Nationalgalerie im Zentrum von Bratislava hängen grosse Transparente: «Die Wahrheit siegt», «Die Nation hat sich erhoben», «Lasst euch nicht entwaffnen!», «Wir verteidigen uns», «Freie Sender».
Eine Kunstaktion? Ein Kommentar auf die aktuelle Situation? Anfang August hatte die völkisch-rechtsextrem eingestellte Kulturministerin Martina Simkovicova die Direktorin der Nationalgalerie entlassen, einen Tag zuvor den Direktor des Nationaltheaters. Zunächst ohne Angabe von Gründen. Später warf sie ihnen Missmanagement und politischen Aktivismus vor. Wenige Tage später demonstrierten zunächst 9000, tags darauf 18’000 Menschen für eine unabhängige Kulturszene und für den Rücktritt der Ministerin.
Die Transparente an der Nationalgalerie erschienen kurz darauf. Sie erinnern an den Slowakischen Volksaufstand, der am 29. August 1944 begann. Er dauerte zwei Monate und richtete sich gegen die deutschen Besatzer sowie gegen das mit den Nazis kollaborierende Tiso-Regime. Parallelen zwischen den Parolen von damals und denen von heute? Ganz zufällig.
Kündigungswelle im Kulturministerium
Vier Wochen nach den Entlassungen ist die Kulturministerin weiter im Amt. Das Nationaltheater erlebte hingegen zwei weitere Abgänge, der Geschäftsführer und der Operndirektor kündigten aus Protest gegen die Kündigung des Generaldirektors. Die Tageszeitung «Dennik N» berichtet von einer Kündigungswelle im Kulturministerium, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es nun die ersten Abgänge. Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt RTVS hatte die Regierung von Robert Fico zum 30. Juni aufgelöst und als STVR neu gegründet. Verantwortlich für das Gesetz war die Kulturministerin.
Premier Robert Fico scheint nicht daran gelegen zu sein, die Situation zu beruhigen. Nach den Protesten waren tatsächlich zwei ausserordentliche Sitzungen des slowakischen Nationalrats angesetzt worden, in denen es um die Abberufung der Kulturministerin sowie des Justizministers gehen sollte. Dieser hatte im August einen rechtskräftig wegen Korruption verurteilten früheren Staatsanwalt aus dem Gefängnis entlassen. Beide Sitzungen fielen aus. Die Abgeordneten der drei Regierungsfraktionen erschienen einfach nicht.
«Monchichi» war noch harmlos
Stattdessen kündigte Premier Fico an, er werde Oppositionsführer Michal Simecka als stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden entlassen. Simecka hatte jenen Protest gegen die Kulturministerin organisiert, zu dem bei grösster Hitze 18’000 Menschen gekommen waren. Er ist früherer Europaabgeordneter und Chef der liberalen Partei Progressive Slowakei, die bei der Wahl vor knapp einem Jahr zweitstärkste Kraft geworden war.
Simecka wurde schon oft persönlich von Fico angegriffen. Die Bezeichnung «Monchichi», nach der japanischen Puppe, die einem Äffchen ähnlich sieht, gehört zu den harmlosen. Fico sang in Anspielung auf Simecka schon Strophen faschistischer Lieder aus der Zeit des Tiso-Regimes im Zweiten Weltkrieg, «schneiden bis aufs Blut» heisst es in einer Zeile, die Fico zitierte. Nun ist Ficos Vorschlag: Simkovicova gegen Simecka.
Fico beschuldigt die ganze Familie seines Konkurrenten
Dass Fico seine Kulturministerin aufgeben wird, erscheint aber unwahrscheinlich. Doch eine neue Hass- und Schmutzkampagne gegen seinen grössten politischen Gegner soll Fico offenbar helfen, von immer neuen Vorwürfen der Korruption und Verschwendung von EU-Subventionen abzulenken, die derzeit auch von anderen Oppositionsparteien erhoben werden.
Aus Sicht von Michal Simecka handelt es sich bei Ficos Ansinnen, ihm seinen Posten zu nehmen, schlicht um Rache. Dabei bezieht Fico bewusst Simeckas ganze Familie in die Vorwürfe mit ein.
Vater Martin M. Simecka ist ein bekannter Buchautor und Journalist. Dessen Vater Milan war ein bekannter Dissident zu Zeiten des kommunistischen Regimes in der CSSR und Vertrauter des späteren Präsidenten Vaclav Havel. Ihm ist eine Stiftung gewidmet, unterstützt wurde sie in der Vergangenheit nicht nur vom slowakischen Staat, sondern auch etwa von den USA, der EU und der Jewish Claims Conference.
«Sie sind genau wie die Kommunisten»
Fico erklärte nun, die Stiftung diene nur den privaten Interessen der Familie Simecka, diese verdiene an der Stiftung Geld. Die Simecka-Stiftung wurde bereits 1991 gegründet und hat sich der Demokratieförderung und politischen Bildung verschrieben, informiert etwa an Schulen und mit Wanderausstellungen über den Holocaust.
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Michal Simecka antwortete auf Ficos Angriffe auf dem Netzwerk X: «Sie sind genau wie die Kommunisten. Sie zensieren, und sie greifen die Familien an.» Auch Simeckas Mutter und seine Ehefrau wurden von Regierungsvertretern schon beschimpft. Es handle sich um Rache, schreibt Simecka, und um Ablenkungsversuche. «Wir lassen uns nicht einschüchtern, und wir hören nicht auf.» Simecka selbst wirft wiederum Fico vor, seine Familie mit Aufträgen und EU-Subventionen zu begünstigen.
Es wird einsam um Fico
Um Ficos Regierung wird es derweil international einsam. Zum 80. Jahrestag des Beginns des Slowakischen Nationalaufstands in Banska Bystrica waren weder Präsidenten noch Ministerpräsidenten aus EU- oder Nato-Ländern angereist, selbst aus Tschechien kam kein hochrangiger Vertreter. Fico nahm seine Rede zum Anlass, darüber zu sprechen, dass die Meinungsfreiheit bedroht sei.
Am Sonntag unterzeichnete er dann mit Präsident Peter Pellegrini ein Memorandum, das die Mitgliedschaft der Slowakei in EU und Nato bekräftigt. In einem Kommentar vor Journalisten kritisierte Fico aber die «verpflichtende, politische Einheitsmeinung», die in der EU herrsche. Fico lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab, seiner Meinung nach hätte der Krieg nach zwei Monaten durch Verhandlungen beendet werden können.
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