Reformen in der SlowakeiFico macht Ernst und schleift das öffentlich-rechtliche Radio
Erst die Justiz, nun die Medien: Die Regierung von Robert Fico nimmt Einfluss auf zwei Herzkammern der Demokratie. Die Reaktionen auf das neue Gesetz reichen von Protest bis Resignation.
Wie eine auf den Kopf gestellte Pyramide steht das Gebäude des slowakischen Rundfunks mitten in Bratislava. So steht es hier seit Anfang der 80er, geniesst längst Denkmalschutz, gilt als Jahrhundertarchitektur.
Auf den Kopf gestellt werden sollen nun auch die Radioredaktionen, die dort arbeiten. Noch hängt am Gebäude der pinkfarbene Schriftzug Rozhlas a televízia Slovenska (RTVS) – Hörfunk und Fernsehen der Slowakei. Bald soll es heissen STVR – slowakisches Fernsehen und Hörfunk. Kein grosser Unterschied? Doch. Kulturministerin Martina Simkovicova legt grossen Wert auf die Betonung des nationalen Charakters der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt und damit auf das Wort «slowakisch».
Am Donnerstag entschied das Parlament im Sinne der Ministerin: Die Anstalt RTVS wird aufgelöst und durch eine neue namens STVR ersetzt. Es gilt als nahezu sicher, dass Simkovicova dann ins Programm eingreift und darüber wacht, dass es auch wirklich «slowakisch» und patriotisch zugeht im STVR. Schon zum 1. Juli soll das Gesetz in Kraft treten. Damit hat die Regierung von Robert Fico, die seit Oktober im Amt ist, innerhalb eines Dreivierteljahres eine Justiz- und eine Medienreform beschlossen. Mit der Justizreform wird die Korruptionsbekämpfung erschwert, nun sichert sich die Regierung Einfluss auf die Medien.
Die bisherige Präsidentin Zuzana Caputova hatte versucht, mit Vetos und Überstellungen von Gesetzen ans Verfassungsgericht das Schlimmste zu verhindern. Seit dem Wochenende ist aber Peter Pellegrini im Amt – er besass im Wahlkampf die Unterstützung des Regierungslagers und wird diesem kaum widersprechen. Die grösste Oppositionspartei, die liberale Progresivne Slovensko, ruft Pellegrini dennoch auf, das Gesetz dem Verfassungsgericht vorzulegen. Andernfalls werde die Partei das selbst tun.
Opposition verlässt das Parlament
Die Opposition im slowakischen Parlament, dem Nationalrat, hatte am Donnerstag während der Abstimmung aus Protest den Saal verlassen. Es half nichts. RTVS-Generaldirektor Ľubos Machaj wird seinen Posten verlassen, eigentlich läuft sein Amt noch bis 2027. Das neue Mediengesetz sieht auch einen veränderten Rundfunkrat mit neun Mitgliedern vor, die vom Parlament sowie vom Kultur- und Finanzministerium ausgewählt werden. Dieser Rat soll den neuen Generaldirektor ernennen, der jederzeit ohne Angabe von Gründen wieder abberufen werden kann. Das steht im Widerspruch zu europäischem Recht.
Schon seit Wochen wird darüber spekuliert, dass der neue Direktor Lukas Machala heissen könnte. Der derzeitige Kulturstaatssekretär stellte vor einigen Wochen bei einer Pressekonferenz infrage, dass die Erde eine Kugel ist. Nach seiner Darstellung sei es eine zulässige Meinung, dass die Erde eine Scheibe sei.
Keine Demo, keine Kartonschilder
Vor der kopfstehenden Pyramide ist es am Freitagvormittag, am Tag nach der Entscheidung, ruhig. Keine Demo, keine Kartonschilder. Es hatte viele Proteste gegeben, aber nach dem Attentat auf Premierminister Robert Fico am 15. Mai sagten die Rundfunkmacher einige Veranstaltungen ab. Sie wollten ein Zeichen für ein ruhiges, friedliches Miteinander setzen.
Auf einem Tisch in der Eingangshalle ist eine Kerze niedergebrannt, daneben liegt auf einem Tisch eine Rose mit einer pinkfarbenen Begräbnisschleife, «Letzter Gruss» steht darauf. Offenbar lagen hier mehrere solcher Solidaritätsschleifen aus, denn ein Schild informiert: «Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schleifen in der Farbe des Logos unseres Mediums tragen wir zur Unterstützung von RTVS, damit er so bleibt, wie wir ihn kennen. Wie ihr die Schleife tragt, bleibt euch überlassen. #WirstehenzuRTVS».
In einem kleinen Laden neben dem Eingang verkauft ein älterer Mann RTVS-Souvenirs. T-Shirts, Tassen, Einkaufsbeutel, Magnete mit der ikonischen Pyramide oder Trickfilmfiguren aus RTVS-Kindersendungen. Die meisten Menschen wollten einfach nur ein ruhiges, sicheres Leben in einem demokratischen Land führen, sagt der Verkäufer, der ein AC/DC-T-Shirt trägt. Aber diese Regierung und besonders die rechtsnationalistische Partei SNS, die das Kulturministerium führt und die Rundfunkreform verantwortet, «arbeitet zum Nachteil von uns allen», sagt er.
Bald gehe er in Rente, die will er dann ein paar Kilometer von Bratislava entfernt in Österreich geniessen. Seine Tochter studiere in Prag. In der Slowakei, sagt der Mann schulterzuckend, könne man leider nicht mehr leben, obwohl sie landschaftlich so schön sei. Aber diese Regierung und die ständigen schlechten Nachrichten, das ertrage er nicht mehr.
«Der Kampf ist verloren», schreibt der Filmemacher Anton Sulik, der auch für RTVS arbeitet, auf Anfrage. Der RTVS-Direktion sei es nicht gelungen, mit der Regierung zu kommunizieren. Sie habe Runde um Runde verloren. Schon unter der früheren Regierung waren die Rundfunkgebühren abgeschafft worden – damals noch ohne den Hintergedanken, ins Rundfunkprogramm einzugreifen. Dann kürzte die neue Regierung der Sendeanstalt das Budget. Und nun löst sie diese per Gesetz auf. Keine Demos, kein Weg zurück? Nein, teilt Sulik mit: «Auf diesem traurigen Weg gibt es kein Zurück.»
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