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Nach IV-Entscheid des Bundesgerichts
«Skandalöser Zustand»: Im Parlament wächst der Druck auf Berset

Körperlich schwere Arbeiten kommen für die meisten IV-Bezüger nicht mehr infrage. 
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Wer gesundheitlich stark angeschlagen ist, kann seine angestammte Arbeit häufig nicht mehr ausüben. Weil jedoch die Invalidenversicherung (IV) bei gesundheitlich eingeschränkten Personen teilweise von unrealistischen Einkommensmöglichkeiten ausgeht, bekommen manche der Betroffenen keine Invalidenrente. 

Nicht nur Behindertenverbände hatten sich vom Bundesgericht diese Woche eine Korrektur der IV-Praxis erhofft. Eine Rüge des Gerichts an die Adresse des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) wäre auch den Mitgliedern der nationalrätlichen Sozialkommission (SGK) gelegen gekommen. Denn sie hatten bereits im letzten August vom zuständigen Bundesrat Alain Berset eine Praxisänderung im Zuge der laufenden IV-Reform gefordert. Doch der Bundesrat setzte auf Anfang 2022 die entsprechende Verordnung in Kraft, ohne die Berechnung des Rentenanspruchs neu zu gestalten. 

Nun will die SGK mit einer sogenannten Kommissionsmotion Sozialminister Berset zwingen, dass die IV die Einkommensmöglichkeiten von gesundheitlich eingeschränkten Personen realistischer berechnet. Urheber dieser Motion ist Nationalrat Christian Lohr (Mitte). Traktandiert ist der Vorstoss in der SGK am 6. April, und die Chancen auf eine Mehrheit sind gut. Selbst die SVP kritisierte die IV-Praxis zur Berechnung des Rentenanspruchs.

Alain Berset muss sich bereits nächste Woche im Parlament kritischen Fragen stellen. Anlass für die Debatte ist eine Interpellation von Ständerat Hannes Germann (SVP). In seinem Vorstoss kritisiert auch er, dass die von der IV herangezogenen Vergleichslöhne zur Ermittlung des Invalideneinkommens für Versicherte mit Arbeitsstellen auf dem untersten Kompetenzniveau «unerreichbar hoch» seien. In der Debatte von nächster Woche soll Berset erklären, warum er und das BSV die breite Kritik am geltenden System nicht erhört und entsprechende Änderungen auf Anfang 2022 umgesetzt haben.

Leute im Tieflohnbereich hätten heute oft kaum eine Chance auf eine IV-Rente, sagt Germann. «Sie zahlen IV-Beiträge und bekommen bei Invalidität keine Rente. Der heutige Zustand ist skandalös.» Stossend findet Germann, dass der Bundesrat und das BSV trotz aller Kritik die geltende Praxis mit der auf Anfang 2022 revidierten IV-Verordnung «zementiert» haben. Nun müsse das Parlament den Systemfehler beheben. Das sei die Pflicht des Parlaments, wenn es der Bundesrat nicht tue.

Das Bundesgericht behandelte am Mittwoch die Beschwerde eines 58-jährigen Mannes, der eine höhere Rente verlangte. Begründet wurde die Beschwerde damit, dass die IV für den Mann ein zu hohes Invalideneinkommen berechnet hat. Die Beschwerde lehnte das Gericht ab, und der Anwalt erwägt eine Klage am Europäischen Gerichtshof in Strassburg. Dieser könnte allenfalls die Schweiz wegen einer diskriminierenden Praxis rügen und zu einer Korrektur auffordern. German hofft allerdings, dass Bundesrat und Parlament einem solchen Urteil zuvorkommen und von sich aus handeln.