Kommentar zum IV-EntscheidNun muss das Parlament die Diskriminierung beenden
Tausende von Versicherten erhalten weiterhin keine IV-Rente, obwohl sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. Das Bundesgericht ändert diese IV-Praxis nicht.
Die heutige IV-Praxis zur Ermittlung eines Rentenanspruchs benachteiligt vor allem Versicherte mit kleinen Einkommen. Denn häufig kommt die Invalidenversicherung (IV) zum Schluss, dass trotz gesundheitlichem Leiden am Bewegungsapparat noch eine Hilfsarbeit mit einem Monatslohn von über 5000 Franken möglich ist.
In einem solchen Fall haben die Betroffenen schlechte Karten. Denn einerseits bekommen sie keine oder nur eine minimale Rente, weil sie nach Ansicht der IV in einem angepassten Job fast gleich viel verdienen wie als Gesunde. Und andererseits gibt es auf dem realen Arbeitsmarkt immer weniger Hilfsjobs für gesundheitlich Angeschlagene, und schon gar nicht zu solchen Löhnen.
Doch dass der reale Arbeitsmarkt nicht den fiktiven Vorstellungen der IV entspricht, kümmert das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) wenig. Und dies, obwohl mehrere Studien den Missstand ausführlich dokumentieren und Sozialpolitiker des Nationalrats von SP bis SVP eine Korrektur verlangt haben.
Die Behindertenverbände haben deshalb auf das Bundesgericht gezählt. Doch auch dieses sieht sich nicht zuständig, um der IV realistischere Lohnvorgaben für gesundheitlich Angeschlagene zu machen. Das Gericht begründet seine Zurückhaltung unter anderem damit, dass auf Anfang Jahr eine IV-Reform in Kraft getreten ist. Mit dieser hat das BSV die geltende Praxis allerdings für weitere Jahre zementiert.
Deshalb ist nun die Politik gefordert. Das Parlament muss Bundesrat Alain Berset und sein BSV zu einer realistischen und fairen Rentenformel zwingen. Denn heute zahlen wir alle in eine Sozialversicherung ein, die ihren Zweck nur mehr teilweise erfüllt. Tausende von gesundheitlich Angeschlagenen werden auf die Sozialhilfe verwiesen, weil sie von der IV keine Rente bekommen.
Die IV wurde vor 20 Jahren von Bundesrat und Parlament zum Sparen gezwungen, weil sie zuvor allzu grosszügig Renten zugesprochen hatte. Nun muss die Politik die nötigen Korrekturen anbringen, auch wenn das etwas kostet.
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