Astronautenkandidat Marco SieberSind intelligente Roboter die besseren Astronauten, Herr Sieber?
Anfang April begann der Schweizer Marco Sieber mit der Ausbildung zum Astronauten bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Beim Treffen in Köln erklärt er, weshalb es die Raumfahrt braucht und ob er ein Ticket zum Mars nehmen würde.
Herr Sieber, wozu braucht es überhaupt noch Astronautinnen und Astronauten? Intelligente Roboter wie der Perseverance Rover auf dem Mars oder Weltraumteleskope wie das James Webb leisten doch Beachtliches.
Es stimmt, dass intelligente Roboter immer fähiger werden. Sie können immer mehr Aufgaben übernehmen. Aber auch in Zukunft werden Roboter und Menschen bei der Erforschung des Weltraums zusammenarbeiten. Nur so können wir das Optimum herausholen.
Welche Rolle spielen Roboter, welche spielt der Mensch?
Die Roboter werden auf ganz spezifische Aufgaben trainiert. Aber sie werden vieles nie so effizient erledigen können wie der Mensch. Als zum Beispiel einmal ein Marsrover ein Problem mit dem Getriebe hatte, tüftelten die Leute im Kontrollzentrum zwei Wochen lang, bis sie das Problem beheben konnten. Wäre ein Mensch vor Ort gewesen, hätte er das vielleicht innerhalb weniger Minuten lösen können. Oft werden Roboter auch als Vorboten an Orten eingesetzt, wo es anfangs noch zu gefährlich ist für Menschen, so wie aktuell auf dem Mars. Anschliessend kommt der Mensch nach.
Warum sollte der Mensch nachkommen?
Es ist etwas komplett anderes, wenn Menschen vor Ort sind. Die Antarktis oder den Mount Everest hätte man auch allein mit Robotern erkunden können. Aber der Mensch möchte halt an diese Orte, um sie zu erforschen. Das gilt auch für den Mond und den Mars.
Welches sind Ihre herausragenden Fähigkeiten, die Sie selbst einem intelligenten Roboter voraushaben?
Ich hoffe, einige. Ein Roboter kann vielleicht darauf trainiert werden, Muster besser zu erkennen als der Mensch. Was den Menschen ausmacht, kann ich jetzt nicht einfach in ein paar Worte fassen. Wir sind intelligent, haben Emotionen, Empathie und können komplexe Situationen viel schneller erfassen als ein Roboter.
Robotische Missionen wie Perseverance kosten ein paar Milliarden Euro, eine astronautische Mission zum Mars würde nach Schätzungen mehrere Hundert Milliarden kosten. Wäre es nicht effizienter, das viele Geld auf der Erde in die Wissenschaft zu investieren?
Klar ist es wichtig, dass man kritisch hinterfragt, wo die Gesellschaft ihr Geld investiert. Aber ich denke, das Argument, dass die bemannte Raumfahrt anderen wissenschaftlichen Missionen das Geld wegnimmt, stimmt nicht. Auch im Weltraum wird viel Forschung betrieben. Die Internationale Raumstation ISS ist im Grunde ein einziges Forschungslabor. Dort gibt es übrigens auch Forschung, die nicht von Robotern gemacht werden kann.
Welche Forschung meinen Sie?
Zum Beispiel physiologische Experimente am Menschen in der Schwerelosigkeit und Strahlenversuche. Was man auch sagen muss: Neben der Wissenschaft geht es in der astronautischen Raumfahrt auch um die Entwicklung von neuen Technologien, die durchaus einen irdischen Nutzen haben können. Wenn es uns gelingt, unter den schwierigen Bedingungen im Weltraum zu leben, dann erfordert das zum Beispiel einen sehr effizienten Einsatz von Ressourcen, von dem wir auch auf der Erde profitieren können. Und mancher Nutzen lässt sich schlecht in Geld bemessen.
Es muss sicher noch einiges optimiert und getestet werden, bis dann mal ein Mensch ins Starship einsteigen kann.
Zum Beispiel?
Ein wichtiger Faktor ist die Inspiration der nächsten Generation: Die Raumfahrt bringt Leute dazu, wissenschaftliche oder technische Fächer zu studieren.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als das Starship von Spacex beim Jungfernflug aus der Bahn geriet und gesprengt werden musste?
Ich habe den Start des Starship eher als positiv empfunden. Das war ja der erste Start dieser grossen und starken Rakete. Die Hersteller hatten nicht damit gerechnet, dass alles gut gehen wird. Sie wären schon zufrieden gewesen, wenn die Rakete nur von der Startbasis abgehoben hätte. Diese Erwartungen hat der Testflug übertroffen. Also hat man ihn als Erfolg gewertet. Es muss sicher noch einiges optimiert und getestet werden, bis dann mal ein Mensch ins Starship einsteigen kann. Aber da vertraue ich den Ingenieuren, dass das gut kommt.
Künftig sollen Sie einmal in einer Raumfähre sitzen, auf Tonnen von Treibstoff: Ist dann Angst mit an Bord, oder blenden Sie diese aus?
Solche Gedanken habe ich mir schon vor meiner Bewerbung zum Astronauten gemacht. Klar ist ein Risiko dabei. Aber wenn man sich die letzten Jahre der astronautischen Raumfahrt anschaut, dann hat das Risiko gegenüber früher deutlich abgenommen. Die Flüge zur ISS sind Routine. Und die Sicherheit der Raumfahrt wird ständig weiter optimiert. Statt der Angst Raum zu geben, finde ich es wichtiger, vorzubeugen, dass etwas passiert. Das ist mit gutem Training möglich, damit wir Astronauten für Notsituationen gerüstet sind.
Ist auch psychologisches Training Teil der Ausbildung?
Ja, das fängt schon diese Woche an mit dem Training zum menschlichen Verhalten und zur menschlichen Leistung. Da geht es sehr viel um Psychologie.
Der medizinische Teil der Ausbildung dürfte Ihnen als Arzt nicht allzu viel abverlangen. Vor welchem Teil der Ausbildung haben Sie den grössten Respekt?
Prinzipiell nehme ich alles, wie es kommt. Ich bin auch an allen Aspekten der Ausbildung interessiert. Respekt habe ich natürlich etwas vor den theoretischen Anforderungen, etwa im Bereich Physik und Ingenieurwesen. Das sind Themen, denen ich bei meiner bisherigen Ausbildung nicht so intensiv begegnet bin. Da habe ich wohl den grössten Nachholbedarf.
Sie werden wahrscheinlich zwischen 2026 und 2030 zum ersten Mal in den Weltraum starten, vermutlich zur ISS. Angenommen, man würde Ihnen stattdessen ein One-Way-Ticket zum Mars anbieten. Sie könnten der erste Mensch sein, der den Mars betritt. Würden Sie das Ticket nehmen?
Nein. Dafür bin ich zu gern auf der Erde. Ein One-Way-Ticket würde ich ablehnen.
Und ein Retourticket zum Mars?
Bei solchen Missionen muss man immer das ganze Konzept sehen. Ich müsste mehr über die Mission wissen, über das Ziel, über meine Aufgaben. Aber grundsätzlich: ja.
Ist es realistisch, dass Sie tatsächlich einmal zum Mars fliegen?
Zum Mond vielleicht schon, zum Mars eher nicht. Das ist noch sehr weit weg. Ich vermute, dass erst die nachfolgende Generation von Astronautinnen und Astronauten zum Mars fliegen wird.
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