Starship von Elon Musk«Bei 33 Triebwerken muss man aufpassen»
Die Recycling-Rakete hätte am Montag abheben sollen, doch ein eingefrorenes Ventil machte Elon Musk einen Strich durch die Rechnung. Für ihn geht es aber nicht um Geld, sondern um die Zukunft der Menschheit.
Das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX hat den geplanten ersten Testflug seiner Riesenrakete Starship in letzter Minute abgesagt. Das sagte ein SpaceX-Vertreter am Montag bei der Live-Übertragung des geplanten Starts der leistungsstärksten jemals gebauten Weltraumrakete. Grund war ein technisches Problem beim Druckausgleich. SpaceX-Gründer Elon Musk schrieb auf Twitter, anscheinend sei ein Ventil eingefroren.
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«Es wird mindestens 48 Stunden dauern, bis wir diesen Testflug erneut versuchen können», sagte eine SpaceX-Mitarbeiterin. Das bedeutet, dass der nächste Startversuch frühestens am Mittwoch erfolgen wird.
Was Musk antreibt
Geld spielt bei dem Projekt keine Rolle, vielmehr die Frage: Welche Zukunft wollen wir? Elon Musk sieht die Welt bei dieser Frage an einem Scheideweg: «Eine Zukunft, in der wir eine raumfahrende Zivilisation werden zwischen vielen Welten, draussen bei den Sternen? Oder eine Zukunft, bei der wir für immer an die Erde gebunden sind?» Für den Gründer von Tesla und Spacex ist die Antwort klar.
Damit die Menschheit das Weltall besiedeln kann, braucht es laut Musk noch einen entscheidenden Durchbruch: Die Raumfahrt müsse so werden wie heute die Luftfahrt.
Was er damit meint, erklärt Musk sinngemäss so: Man stelle sich vor, Flugzeuge würden bereits nach dem Jungfernflug entsorgt. Autos und Lastwagen landeten gleich nach der ersten Fahrt auf dem Schrottplatz. Diese Verschwendung von Ressourcen wäre unbezahlbar, kaum jemand könnte sich Flugreisen oder ein Privatauto leisten, geschweige denn die Waren, die mit Einweglastwagen transportiert werden.
Teure Verschwendung in der Raumfahrt
In der Raumfahrt ist diese teure Verschwendung indes der Status quo: Raketenstufen sind Wegwerfware. Doch mit dieser Praxis ist die Besiedelung des Weltalls gemäss Musk utopisch, da viel zu teuer. Erst wenn Grossraketen genau wie Flugzeuge, Lastwagen und Autos mehrfach zum Einsatz kommen, werden die Kosten der Raumfahrt massiv sinken, was der Menschheit den Weg in den Weltraum ebnen soll.
Diesen Schritt möchte Musk nun tun: Nach monatelangen Verzögerungen wegen der Erfüllung von Umweltauflagen wollte Spacex am Montag das Sternenschiff (Starship) in die Erdumlaufbahn schicken – noch ohne Astronautinnen und Astronauten an Bord. Jetzt verzögert sich der Start erneut.
Es wäre die erste vollständig wiederverwendbare Orbitalrakete, die zudem die Fähigkeit besitzt, Menschen zum Mond und dereinst zum Mars zu bringen.
Die Rakete besteht aus einem Super Heavy genannten Unterbau (Booster). Darauf thront mit dem Starship das eigentliche Raumschiff, das gemäss Spacex bis zu 100 Personen oder bis zu 150 Tonnen Fracht aufnehmen kann.
Aus physikalischer Sicht ist die Wiederverwendbarkeit von Grossraketen eine heikle Angelegenheit. «Hätte die Erde eine etwas stärkere Schwerkraft, wäre es unmöglich», sagte Musk bei der Präsentation des Starship im Jahr 2019. «Wir befinden uns gerade an der Grenze dessen, was physikalisch noch möglich ist.» Starship und Super Heavy Booster zu landen, sei daher schwierig, aber nicht unmöglich.
«Bei 33 Triebwerken muss man aufpassen»
Wie schwierig es tatsächlich ist, weiss Holger Wentscher, Raketenexperte der Schweizer Firma Beyond Gravity, die zuvor Ruag Space hiess. «Ich denke, die Erfolgschancen liegen ziemlich genau bei halbe-halbe», sagt Wentscher. «Das ist ganz schön wenig für so ein teures Vehikel, zumal es dafür gebaut ist, häufiger benutzt zu werden. Aber die Anzahl der Herausforderungen ist doch grösser, als es vielleicht den Anschein erweckt.»
Ein Beispiel sind die 33 Triebwerke des Super Heavy Booster vom Typ Raptor. Jedes Raptor-Triebwerk verursacht Vibrationen, die unter anderem die Treibstoffleitungen zu den Triebwerken belasten können. «Schon bei den fünf Triebwerken der Mondrakete Saturn 5 waren diese Vibrationen schwierig zu bewältigen», sagt Wentscher. «Bei 33 Triebwerken muss man noch besser aufpassen, dass keine Resonanzen entstehen. Die führen schnell zu Vibrationen, die nicht mehr zu beherrschen sind.»
Kompliziert und teils neu sind auch die Manöver, die nötig sind, um den Booster und das Raumschiff wieder sicher zu landen. Nach den Plänen von Spacex vollführen beide Raketenstufen ein regelrechtes Ballett am Himmel. Nachdem der Super Heavy Booster das Starship auf den Weg in Richtung Erdumlaufbahn geschickt hat, macht er eine Art Rückwärtssalto, um letztlich nahe am Startpunkt auf einem Schiff im Golf von Mexiko zu landen.
«Die Oberstufe, das Starship, ist aber noch ein anderes Kaliber», sagt Wentscher. «Denn im Erdorbit hat das Starship die volle Orbitalgeschwindigkeit, ist also viel schneller unterwegs als der Booster, der schon früher zur Erde zurückkehrt. Und diese hohe Geschwindigkeit muss man vor der Landung erst mal wieder abbauen.»
Daher stellt sich das Starship vor dem Wiedereintritt in die Atmosphäre beinahe quer zur Flugrichtung. So vergrössert es die Angriffsfläche für die Luft von rund 70 auf rund 550 Quadratmeter und bremst damit stark ab.
Eine Besonderheit ist dabei die sich drastisch ändernde Charakteristik der Luft. Hoch oben, wo die Atmosphäre noch sehr dünn ist, wird das Starship nur von einzelnen Luftteilchen getroffen. Physikalisch wird das Flugverhalten des Raumschiffs dort durch die Mechanik der auftreffenden Teilchen beschrieben. Ab einer gewissen Dichte verhält sich die Atmosphäre jedoch plötzlich wie eine Flüssigkeit. «Die sich ändernden Kräfte bei diesem Übergang sind schwierig zu berechnen», sagt Wentscher. «Dem Spaceshuttle wurde das beim Erstflug beinahe zum Verhängnis.»
Die kerzengerade Landung hat das 50 Meter hohe Starship im Mai 2021 erstmals erfolgreich demonstriert. Für den 69 Meter hohen Super Heavy Booster wird es eine Premiere sein. Und die kann durchaus schiefgehen – wie 2015 beim Booster der kleineren Rakete Falcon 9, der mehrmals umgekippt ist. «Man musste nach und nach herausfinden, welche Kippwinkel, Drehraten und Vertikalgeschwindigkeiten für eine erfolgreiche Landung erlaubt sind», sagt Wentscher. Nun werde es spannend, zu sehen, wie sich der grössere Super Heavy Booster bei der Landung verhalte.
Musk begründet seine Weltraumpläne meist nicht mit kommerziellen Argumenten – bis heute sind die Raketenstarts von Spacex nicht profitabel. Er führt eher ideelle Gründe auf. «Es gibt viele Dinge, über die wir uns Sorgen machen müssen, es gibt viele Probleme auf der Welt, die sind wichtig, und wir müssen sie lösen», sagte Musk 2019. «Aber wir brauchen auch Dinge, die es aufregend machen, am Leben zu sein, die uns am Morgen glücklich aufwachen lassen und uns denken lassen, dass die Zukunft grossartig wird. Die Erforschung des Weltalls gehört zu diesen Dingen.»
Ländern wie China und Russland Paroli bieten
Der Schweizer Thomas Zurbuchen, bis Ende 2022 Wissenschaftsdirektor der US-Weltraumbehörde Nasa, sieht noch einen anderen Grund, die Raumfahrt weiterzuentwickeln: die Aufrüstung im Weltraum. Um Ländern wie China oder Russland dabei Paroli bieten zu können, müssten die USA ihre technologische Überlegenheit auch bei der Raumfahrt demonstrieren, ähnlich wie seinerzeit mit dem Apollo-Programm zum Mond. Beim aktuellen Mondprogramm Artemis arbeitet die Nasa eng mit Spacex zusammen.
Aus Sicht des Raketenexperten Wentscher «müssen wir uns überlegen, wie sich Europa in die Hierarchie der Welt einreiht». In diesem Sinne sei es für Europa von strategischer Bedeutung, eine eigene Raumfahrt zu besitzen. «Denn wer heute sagt, die ganze Weltraumtechnik interessiert mich nicht, der begibt sich zum Beispiel bei der Kommunikation und bei der Erdbeobachtung in eine riskante Abhängigkeit. Wollen wir wirklich Russland oder China vertrauen, dass sie verlässlich die europäischen Satelliten ins All schiessen?»
Und was das Vorhaben zur Besiedelung von Mond und Mars betrifft, meint Wentscher: «Es gehört zum Wesen des Menschen, zu schauen, was hinter dem Bekannten liegt.»
Damit die Raumfahrt wie von Musk geplant wirklich massiv günstiger wird, fehlt laut Wentscher allerdings noch ein weiterer Schritt: der 3-D-Druck. Beim Starship kommen die Triebwerke bereits zu einem grossen Teil aus dem 3-D-Drucker, auch gewisse Befestigungsklammern. Am 23. März hat eine kleinere Rakete ihren Jungfernflug absolviert, die zu rund 85 Prozent aus dem 3-D-Drucker kommt. Dabei handelt es sich um die Terran 1 der Firma Relativity Space. Der Start war allerdings nur ein Teilerfolg: Die Rakete hat zwar «Max-Q» erreicht, den Punkt, an dem der aerodynamische Druck auf den Flugkörper am grössten ist. Die anvisierte Flughöhe im Erdorbit hat das gemäss Hersteller grösste jemals mit einem 3-D-Drucker produzierte Objekt aber nicht erreicht. «Wenn es gelänge, die so hergestellten Raketen auch noch wiederzuverwerten, dann könnten Raketenstarts rund hundertmal günstiger werden als heute», sagt Wentscher.
Einmal abgesehen von den technologischen und finanziellen Herausforderungen stehen einer Besiedelung des Weltalls noch andere Dinge im Weg: die Schwerelosigkeit und die kosmische Strahlung. Das seien Faktoren, die dem menschlichen Organismus enorme Anpassungen abverlangten oder ihn sogar schädigten, sagte Christine Hellweg, Strahlenbiologin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dieser Zeitung. Sie sieht daher noch viele offene Fragen, bis Menschen auf dem Mond leben können und eine sichere Reise zum Mars möglich ist.
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Dieser Artikel erschien anlässlich des ersten geplanten Testfluges der Grossrakete am 8. April 2023 und wurde am 17. April 2023 aktualisiert.
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