Rohstoffhändlerin mit EinflussSie ernährt die Welt und verdient viel Geld damit
Margarita Louis-Dreyfus hat ihre Firma gegen die eigenen Manager verteidigt. Jetzt läuft das Geschäft für den Agrarkonzern rund. Doch drohen wegen des Ukraine-Kriegs dramatische Engpässe.
Es gibt für die weltweite Versorgung in der Schweiz wohl nur wenige Personen, die wichtiger sind als Margarita Louis-Dreyfus. Der von der 59-jährigen Unternehmerin präsidierte Agrarhandelskonzern Louis Dreyfus sorgt laut eigenen Angaben dafür, dass jährlich rund 500 Millionen Menschen ernährt werden.
Die Firma handelt mit Getreide, Reis, Soja, Zucker, Kaffee, Baumwolle oder Orangensaft. Zum Teil baut sie die Agrargüter auch selbst an, wobei die Firma für die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen auch schon Kritik von NGOs erntete. Insgesamt zählt das Unternehmen mit Hauptsitz in Rotterdam rund 17’000 Beschäftigte. Viele davon sind in Genf.
Dass sie einmal so viel Einfluss auf das Leben so vieler Menschen hat, hätte sie sich wohl selbst nie vorstellen können. Sie wurde zu Sowjetzeiten in St. Petersburg geboren, dort studierte sie Wirtschaft, in Moskau Recht. Wegen ihrer ersten Ehe zog sie nach Zürich. Nachdem diese in die Brüche gegangen war, heiratete sie 1992 Robert Louis-Dreyfus.
Der französische Unternehmer war damals eine der prägenden Figuren des internationalen Rohstoffgeschäfts. Damit hatte Margarita Louis-Dreyfus zunächst wenig zu tun. Das änderte sich 2009, als ihr Ehemann starb. Der NZZ sagte sie im letzten Dezember: «Das Leben nach dem Tod Roberts war schwierig und voller offener Fragen.»
Kampf gegen die eigenen Manager
Um die Kontrolle der Firma entwickelte sich ein Streit zwischen dem Management und der Familie. Margarita Louis-Dreyfus wollte das Unternehmen nicht hergeben, auch wenn die Geschäfte teilweise schlecht liefen. Unter anderem nahm sie bei der Credit Suisse ein Darlehen im Umfang von 1 Milliarde Dollar auf, um die Firma in der Familie zu halten.
Im letzten Jahr folgte für die Mutter von fünf Kindern und heutige Lebenspartnerin von Ex-Nationalbankchef Philipp Hildebrand endlich der Befreiungsschlag. Sie verkaufte einen Teil ihrer Firma dem Staatsfonds von Abu Dhabi. So konnte sie einen grossen Teil der Schulden begleichen.
Endlich liefen auch die Geschäfte blendend. Der Reingewinn stieg im letzten Jahr auf fast 700 Millionen Dollar, ein Plus von mehr als 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nur, wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf das Geschäft aus?
Im kürzlich veröffentlichten Geschäftsbericht finden sich immerhin rudimentäre Angaben: Die Firma verfügt über Aktiven in der Ukraine im Wert von rund 300 Millionen Dollar und Investitionen in Russland im Wert von rund 60 Millionen Dollar. Das aus den beiden Ländern bezogene Getreide mache weniger als 4 Prozent des Konzernumsatzes aus.
Weiter ist Louis Dreyfus am Bau eines Weizenterminals im russischen Frachthafen Taman beteiligt. Darum schwelt jedoch schon seit langem ein Rechtsstreit. Der Krieg macht die Realisierung des Projekts noch einmal unsicherer.
Doch die grosse Frage ist: Welche Auswirkungen hat der Krieg mittelfristig? Denn Russland und die Ukraine liefern 30 Prozent des globalen Weizens. Experten gehen wegen der Ernteausfälle von grossen Preissteigerungen aus. Von stark schwankenden und hohen Preisen profitieren oft auch die Händler, so wie Louis Dreyfus.
Louis Dreyfus teilt auf Anfrage mit, dass die Volatilität an den Rohstoffmärkten hoch bleibe. Dies aufgrund ungewisser Ernteaussichten und anhaltender logistischer Herausforderungen. Denn wie schon im letzten Jahr gebe es grosse Unsicherheiten bei den Erntemengen und den globalen Handelsströmen. So sei 2021 von klimatischen Herausforderungen und anhaltenden pandemiebedingten Störungen konfrontiert gewesen, hinzu seien logistische Herausforderungen aufgrund von Staus an den Häfen gekommen. Diese Trends hätten sich seit Ende Februar angesichts des jüngsten Wiederauflebens von Covid-19-Fällen in China sowie der Russland-Ukraine-Krise noch verstärkt, so die Firma auf Anfrage.
Doch haben die Lieferausfälle und hohen Weizenpreise dramatische Folgen – so zeichnen sich im Sudan, in Ägypten, dem Libanon oder in Mauretanien bereits Versorgungsengpässe ab. David Beasley, Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, warnte kürzlich vor Hungerrevolten.
Auch im Arabischen Frühling spielten die hohen Weizenpreise eine wichtige Rolle. In der Rohstoffhandelsbibel «The World for Sale» von Javier Blas und Jack Farchy lässt sich der ehemalige Louis-Dreyfus-Chef Ian McIntosh folgendermassen zitieren: «Hungrige Menschen sind der einfachste Weg, um politische Probleme zu kreieren.»
Der Artikel wurde nach Erscheinen mit einer Stellungnahme von Louis Dreyfus ergänzt.
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