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Schweizer Haselnüsse
Ein Bauer füllt eine Nische

Stefan Gerber, hat 2000 Hasenussbäume gepflanzt, Mettmenstetten, 6.9.2023, Foto Dominique Meienberg
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Drei Nüsse für Aschenbrödel! Oder für uns, die wir auf dem Feld stehen und frische Haselnüsse sammeln, unter Anweisung von Stefan Gerber. Praktisch veranlagt, will der Landwirt nichts davon hören, dass die Nüsse einen Zauber umgibt oder wie märchenhaft es sich anfühlt, drei oder mehr Nüsse in der Hand liegen zu haben. Er schaut auf seine Bäume, die im Sonnenlicht leuchten – es sind an die 1900 – und sagt: «Heute ist ein guter Tag zum Ernten.»

Die Haselnuss ist weit verbreitet und blüht im Frühling völlig konkurrenzlos um die Wette. Menschen ernähren sich von ihr – auch in unseren Breitengraden – seit vielen Tausend Jahren. In Form von Creme, die man sich aufs Brot schmiert, von Totenbeinli oder als Bestandteil im Tutti-Frutti.

Und doch führt sie ein etwas verschupftes Dasein neben der Mandel. Heimische Kultivierung gibt es kaum. Das wollen der Bauer Stefan Gerber und das Start-up Crowd Container mit ihrem Haselnussprojekt ändern. Der Landwirt kultiviert auf seinem Hof in Mettmenstetten derzeit sechs Sorten. Dieses Jahr rechnet er mit 100 Kilogramm Nüssen (mit Schalen, die ungefähr die Hälfte ausmachen). Es sollen einmal über sieben Tonnen werden. 

Stefan Gerber, hat 2000 Hasenussbäume gepflanzt, Mettmenstetten, 6.9.2023, Foto Dominique Meienberg

Als sein Vater krank wurde, musste Stefan Gerber sich fragen, was aus dem Hof werden würde. Verpachten, verkaufen, selber bewirtschaften? Er entschied sich für Letzteres, und er wollte weg vom Mischbetrieb. Der Biologe machte die Ausbildung zum Bio-Landwirt. Im Praktikum lernte er einen Aargauer Landwirt kennen, der eine Haselnuss-Baumschule betrieb. Als ein Export nach Georgien nicht klappte, nahm Stefan Gerber die Bäume zu sich (Land hatte er ja, wenn auch noch keine abgeschlossene Ausbildung). Das war 2021. 

Heute ist er Haselnussbauer. Und läuft mit der Baumschere (zum Aufknacken!) über seine Haselnussplantage. 4,5 Hektaren ist sie gross.

Ab und zu schüttelt er an einem Stamm, und Nüsse fallen herunter. Später, wenn in Sachen Ernte aus Kilogramm Tonnen werden, will er Netze unter die Bäume spannen und so maschinell ernten. Noch muss man das von Hand machen. 

Die Haselnuss hat keine Lobby

Kaufen wir im hiesigen Grossverteiler eine Packung Haselnüsse, stammen sie mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der Türkei. Als Delikatesse tauchen manchmal solche aus dem Piemont auf Märkten auf. Oder verarbeitet: als Haselnussstängeli, als Öl, im Nussgipfel und vor allem in der Schokolade. Oder in Nutella: Als Nuss-Nougat-Creme auf den Markt gebracht, ist sie die Mutter aller ungesunden Brotaufstriche – der Anteil an Haselnüssen beträgt gerade noch 13 Prozent. 

Auch der Homo sapiens hat Haselnüsse gegessen.

Auch Köche und Kochbuchautorinnen scheinen sich bis heute nicht sonderlich für die Haselnuss zu interessieren. Ein Grund dafür könnten die Römer sein. Die hätten die Verbreitung und den Anbau der Baumnuss forciert, schreibt Alpine-Küche-Spezialist Dominik Flammer im eben erschienenen Buch «Die Haselnuss» von Jonas Frei (siehe Box).

Die Haselnuss wuchs wild weiter. Und dann kam die Mandel, die sich im Mittelmeerraum verbreitete; Haselnüsse wurden höchstens noch als Ersatz gebraucht, zu Marzipan liessen sie sich nicht verarbeiten. Diesen Stellvertreterstatus hat die Nuss bis heute behalten. Denken Sie an Ihre letzte Wähe, die Sie gebacken haben!

Stefan Gerber, hat 2000 Hasenussbäume gepflanzt, Mettmenstetten, 6.9.2023, Foto Dominique Meienberg

Die Gründe für dieses Aussenseiterdasein sind auch politisch. Zum Beispiel gab es für den Anbau bis vor kurzem keine Direktzahlungen – die Haselnuss galt nicht als Obstkultur, sondern als Dauerkultur wie eine Wiese. Es gibt keinen Grenzschutz, Haselnüsse können zu Preisen importiert werden, die die Kosten der einheimischen Produktion und Verarbeitung nicht decken. Kurz: Der Haselnuss fehlt eine Lobby. 

Ausserdem, sagt Stefan Gerber, sei das Wissen schlicht nicht vorhanden, und auch nicht die Infrastruktur – Nüsse muss man trocknen und knacken. Ersteres macht er – noch – mit eigens gebauten Sieben, die er an die Sonne legt, knacken lässt er sie dann von einem Betrieb, der über entsprechende Maschinen verfügt. 

Intensiv und frisch im Geschmack

Stefan Gerber hat nach kurzer Zeit ein ganzes Körbli voller Nüsse gesammelt. Endlich können wir sie probieren. Sie schmecken … intensiv! Und frisch. 

Vielleicht hat der Bauer recht, wenn er sagt: Dort, wo Haselnüsse wachsen, haben Menschen eine Chance zum Überleben. Versteinerte Blätter mit Ähnlichkeiten zu den Bäumen, die wir heute hier kennen, wurden in den USA gefunden – sie sind 60 Millionen Jahre alt. Was man weiss: Auch der Homo sapiens hat Haselnüsse gegessen. 

Stefan Gerber, hat 2000 Hasenussbäume gepflanzt, Mettmenstetten, 6.9.2023, Foto Dominique Meienberg

Und trotzdem: Die Schweizer Haselnuss wird auf dem Weltmarkt nie eine Chance haben (wie die meisten in der Schweiz angebauten Nutzpflanzen nicht). Als Nischenprodukt in unserem Land aber schon. Eine sinnvolle Nische, findet Stefan Gerber. Vielleicht, sagt er, profitiert einst auch die hiesige Schoggiindustrie davon, jedenfalls waren schon Interessenten auf seinem Hof. Erst einmal aber kann man seine Haselnüsse bei Crowd Container kaufen.

Im Buch von Jonas Frei steht, die Hasel sei eine der meistgenannten Pflanzenarten in den Märchen des deutschen Sprachraums.

Vielleicht müsste man die drei Nüsse einfach mal auf den Boden werfen, so wie Aschenbrödel im Märchenfilm. Wer weiss, was geschehen würde. Oder man knackt sie einfach auf. Stefan Gerber reicht die Baumschere. 

Bei Crowd Container setzt man sich unter anderem für Wissensaufbau sowie für Biodiversitätsförderung ein. Und Lebensmittel können direkt ab Höfen im In- und Ausland bestellt werden. Stefan Gerbers Haselnüsse sind ab dem 22. September erhältlich. Crowdcontainer.ch